# taz.de -- Quotenregelung in der Justiz: Freiwillig nach oben | |
> In den Behörden von Sachsen-Anhalt soll es bald mehr Frauen an der Spitze | |
> geben. Das klappt auch ohne Gesetz, glaubt Justizministerin Kolb. | |
Bild: Trotz zahlreicher Appelle und politischer Lippenbekenntnisse tut sich bei… | |
BERLIN taz | An dem Thema kommt niemand mehr vorbei: Frauen in | |
Führungspositionen. Auch die Deutsche Richterakademie nicht. Jetzt widmet | |
sie ihre Herbstagung zum ersten Mal komplett diesem Thema. Die Tagung | |
findet bis zum Samstag im brandenburgischen Wustrau statt und ist die | |
zentrale Fortbildungsveranstaltung für RichterInnen und StaatsanwältInnen. | |
Dass sich die Staatsbediensteten diesmal mit einem Problem befassen, bei | |
dem sich trotz zahlreicher Appelle und politischer Lippenbekenntnisse wenig | |
bewegt, hat sicher auch mit Angela Kolb zu tun. Die 48-Jährige ist | |
Justizministerin in Sachsen-Anhalt und derzeit Vorsitzende der | |
Justizministerkonferenz, sie richtet die Tagung aus. Und seit April 2011, | |
nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März, ist die SPD-Frau auch noch | |
Ministerin für Gleichstellung. | |
Als diese will sie das leidige Thema vorantreiben. "Wir brauchen Frauen", | |
sagt Angela Kolb: "Insbesondere in den Führungsetagen." Angela Kolb sieht | |
vor allem für den Justizapparat in ihrem Bundesland "Handlungsbedarf": Von | |
den 825 RichterInnen und StaatsanwältInnen in Sachsen-Anhalt sind zwar 383 | |
Frauen, das sind 46 Prozent. Aber von den 114 Führungspositionen sind nur | |
30 mit Frauen besetzt, von den 25 Leitenden StaatsanwältInnen sind nur 9 | |
weiblich. | |
## "Verpflichtendes Konzept" statt Quotengesetz | |
Und das ist zu wenig, sagt Angela Kolb. Ihr schwebt eine andere Zahl vor: | |
40 Prozent Frauen sollen 2016, am Ende dieser Legislaturperiode, in | |
"gehobenen Funktionen der Landesverwaltung und der nachgeordneten Bereiche" | |
zu finden sein. So steht es im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD. | |
Das klingt nach festgeschriebener Quote. Aber das ist es nicht. Denn ein | |
Quotengesetz soll es in Sachsen-Anhalt nicht geben, wie die Ministerin vor | |
kurzem am Rande einer Veranstaltung des Deutschen Richterbundes in Berlin | |
sagte. Ihr schwebe ein "verpflichtendes Konzept" vor, das für alle Behörden | |
des Landes sowie den öffentlichen Dienst gelten soll. Damit liegt Angela | |
Kolb ganz auf Linie von Kristina Schröder. Die CDU-Familienministerin will | |
eine [1]["Flexi-Quote"], die "Pflicht zur Selbstverpflichtung" für Firmen. | |
Mit Selbstverpflichtungen kommt man allerdings nicht weit. Das zeigen | |
allein die zehn Jahre alten Selbstverpflichtungen für die Wirtschaft, mehr | |
Frauen in die Vorstände und Aufsichtsräte der Unternehmen zu holen. In | |
Sachsen-Anhalt sorgte allein die Ankündigung für das "verpflichtende | |
Konzept" für Unruhe. "Einige Männer haben Angst, nicht mehr befördert zu | |
werden, wenn es kommt, sagt Angela Kolb. | |
## Frauenkarrieren bis ganz nach oben sind die Ausnahme | |
Wie löst die Ministerin das Problem? Mit einer Umfrage. Bis Jahresende will | |
das Ministerium herausfinden, was die MitarbeiterInnen wollen: Mehr | |
Teilzeitstellen oder mehr Gleitzeit? Fehlen Betriebskitas oder sollten | |
besser mehr Telearbeitsplätze eingerichtet werden? | |
Momentan arbeiten von 825 anhaltinischen Bediensteten im Justizbereich 53 | |
Teilzeit, zwei von ihnen sind Männer. "Viele Richterinnen und | |
Staatsanwältinnen lehnen Teilzeit in Führungspositionen aus Angst vor | |
Prestigeverlust ab", sagt Angela Kolb: "Nicht wenige Frauen, die | |
Spitzenämter anstreben, wollen noch besser sein als Männer." Das müssen sie | |
leider immer noch, sagt Anja Theurer: "Die Frauenkarrieren, die bis ganz | |
nach oben führen, sind Einzelfälle." Die Wirtschaftsjuristin in Schönefeld | |
bei Berlin hat zusammen mit einer Kollegin gerade das Buch "Die große | |
Gleichberechtigungslüge" veröffentlicht. | |
Kristina Schröder arbeitet an einem Gesetz für ihre Flexi-Quote. Auch die | |
EU-Kommission hat für 2012 gesetzliche Maßnahmen angekündigt. | |
EU-Justizkommissarin Viviane Reding plädiert für eine 30-Prozent-Quote bis | |
2015 und für 40 Prozent-Quote bis 2020. Darauf sollte man vorbereitet sein, | |
warnt Angela Kolb. Die Richterakademie fängt schon mal an. | |
7 Oct 2011 | |
## LINKS | |
[1] /!65146/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauenquote für die Telekom: Die neue Lady-Troika | |
Die Telekom soll weiblicher werden: Drei der sieben Vorstandsposten sollen | |
künftig mit Frauen besetzt werden. Nun wird um Personalien gestritten. | |
Frauenquote für belgische Unternehmen: Die nächsten Nachrücker sind Frauen | |
In Belgien muss in börsennotierten Firmen künftig jeder dritte | |
Vorstandsposten mit einer Frau besetzt sein. Das Land folgt damit | |
Frankreich und Norwegen. | |
Kompetenzgerangel im Familienministerium: Von der Leyen wildert bei Schröder | |
Kaum ist die Familienministerin im Mutterschutz, schleicht sich ihre | |
Vorgängerin in den alten Kompetenzbereich ein. Im Familienministerium ist | |
man irritiert. | |
Gipfel zum Frauenanteil in Unternehmen: "Herzstück ist die Flexi-Quote" | |
Mehr Frauen sollen an die Macht. Denn 74 von 160 deutschen börsennotierten | |
Konzernen sind ohne Frauen in der Führungsebene. Doch über das "Wie" wird | |
gestritten. | |
Diskussion um die Frauenquote: Der Quotenmann | |
Am Mittwoch treffen sich Manager und Politiker, um über die Frauenquote zu | |
sprechen. Das ist vor allem das Verdienst von Telekom-Vorstand | |
Sattelberger. |