# taz.de -- Piraten-Stadtrat über sein Ehrenamt: "Ein neues Verständnis von P… | |
> Über die politischen Grabenkämpfe in Münsters Stadtrat war Pirat Pascal | |
> Powroznik zunächst entsetzt. Aber auch als Einzelkämpfer, so glaubt, habe | |
> er einiges erreicht. | |
Bild: Der einzige Pirat im Münsteraner Stadtrat: Pascal Powroznik. | |
taz: Herr Powroznik, Sie sind seit 2010 Ratsherr in Münster. Die | |
Kommunalwahl war aber doch 2009? | |
Pascal Powroznik: Ja. Ich habe mein Mandat von meinem Vorgänger Marco | |
Langenfeld übernommen, der Münster aus beruflichen Gründen verlassen hat. | |
Klingt nicht sehr professionell. Hat es Sie geärgert, dass Ihr Vorgänger so | |
schnell hingeworfen hat? | |
Er hat nicht resigniert, es war eine persönliche Entscheidung, die nicht im | |
politischen Feld getroffen wurde. Ein Sitz im Stadtrat ist nun einmal ein | |
Ehrenamt. Auch bei mir kann ein Umzug anstehen, wenn ich mein Studium | |
beende oder sich meine Familiensituation ändert. | |
In Berlin sind die Piraten jetzt erstmals in einem Landesparlament | |
vertreten. Sie selbst wurden direkt in die schwierigen Haushaltsberatungen | |
hineingeworfen. Was raten Sie Ihren Parteifreunden? Wie haben Sie sich | |
eingearbeitet? | |
Ich habe versucht, einen Draht zu den anderen Parteien aufzubauen. Die | |
Kommunikation mit den Anderen und der Stadtverwaltung war aber nicht immer | |
einfach. Am Anfang war ich blauäugig: Von den Grabenkämpfen zwischen den | |
Parteien hatte ich keine Vorstellung. | |
Inwiefern? | |
Zu unseren Piraten-Stammtischen sind selbstverständlich Mitglieder anderer | |
Parteien eingeladen - und diese Offenheit hatte ich auch bei allen anderen | |
erwartet. Deshalb habe ich versucht, die innerparteiliche Meinungsbildung | |
der anderen mitzubekommen und an deren Haushaltsklausuren teilzunehmen. | |
Dass dies nicht üblich ist, war mir gar nicht klar. Ich habe da einen | |
anderen Anspruch und ein neues Verständnis von Politik. Geklappt hat's | |
zuerst bei den Grünen und Linken, dann auch bei der unabhängigen | |
Wählergemeinschaft UWG und der ÖDP. Und zum Schluss gab es auch Gespräche | |
mit SPD und CDU. | |
Mit welchem Erfolg? | |
Ich habe mich unter anderem dafür eingesetzt, dass der Schuletat nicht | |
zusammengestrichen wird - das wurde er auch nicht, obwohl es schon von | |
Schwarz-Rot vereinbart war. Auch den Bürgerhaushalt, bei dem die | |
Münsteraner selbst Vorschläge machen können, wofür Geld ausgegeben und wo | |
gespart wird, unterstütze ich voll. Allerdings bin ich der einzige Pirat | |
unter 81 Ratsmitgliedern - in den Ausschüssen habe ich als Fraktionsloser | |
leider kein Stimmrecht. | |
Im Wahlkampf haben die Piraten freien Internetzugang gefordert, haben vor | |
Video-Überwachung gewarnt. | |
Freifunk, also Internet für Alle, setzt vor allem auf das bürgerschaftliche | |
Engagement: Wir appellieren an Alle, ihr W-LAN Passwort frei zur Verfügung | |
zu stellen, sodass jeder immer überall ins Internet kann - denn das | |
Grundrecht auf freie Kommunikation und Information ist eine Kernforderung | |
der Piraten. Außerdem lassen wir gerade prüfen, ob auf städtischen Gebäuden | |
oder auf Bushaltestellen W-LAN-Antennen installiert werden können. | |
Und die Videoüberwachung? | |
Die gehörte im ersten Jahr nicht zu meinem politischen Alltag. Wenn | |
Privatfirmen nicht nur ihr Gelände, sondern auch den öffentlichen Raum | |
davor überwachen, halte ich das für ein Problem - aber so etwas wurde bis | |
heute nicht im Rat besprochen, das ist Aufgabe des Ordnungsamts. | |
Wo stehen Sie in der Energiepolitik oder der Sozialpolitik? | |
In der Energiepolitik diskutiert der Rat gerade, ob die Stadtwerke bis 2020 | |
keinen Atomstrom mehr verkaufen sollen und ob bis 2015 ein Betrieb aller | |
städtischen Gebäude mit Ökostrom möglich ist, letzteres ist ein Vorschlag | |
aus unserem ersten Bürgerhaushalt. Ich habe damit kein Problem, eine | |
Umsetzung ist wünschenswert. Allerdings muss zunächst geprüft werden, ob | |
das überhaupt möglich ist. Wir Piraten wollen uns nicht wie andere Parteien | |
mit gut klingenden Forderungen profilieren, die hinterher gar nicht | |
umsetzbar sind. | |
Und die Sozialpolitik? | |
War bisher nicht mein Steckenpferd. Auch die anderen Parteien haben da ihre | |
Fachleute. Im Rat bin ich nun einmal Einzelkämpfer. | |
Das könnte sich ändern: Umfragen sehen die Piraten bei acht Prozent. | |
Die Umfragen hören sich gut an. Bis 2014 ist es aber noch lang. Ob ich bei | |
der nächsten Kommunalwahl antreten werde, wird von meiner persönlichen | |
Situation abhängen. Es wird sich zeigen, ob bis dahin unsere Themen und die | |
neue Art und Weise von Politik von der Parteienlandschaft aufgegriffen | |
worden sind und auch glaubhaft vertreten werden. Ich bin mir aber sicher: | |
Wenn die Piraten in Münster antreten, dann werden sie als Fraktion in den | |
Rat einziehen. | |
10 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Piratenpartei: Von wegen transparent | |
Die Piraten sind spannend, weil sie Trends in der sich zunehmend | |
politisierenden Mittelschicht sichtbar machen. Auch ihr Sexismus ist | |
typisch. | |
Piratenpartei im Bund: Die drei ??? | |
Drei Piraten erklären nebulös ihre politischen Ziele im Bund. Bei | |
Sachthemen wartet die Acht-Prozent-Partei aber lieber erst einmal das Votum | |
der Mitglieder ab. |