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# taz.de -- EHEC-Protagonisten berichten: Der Arzt ohne Wunderwaffe
> Rolf Stahl (63) hat als Nierenspezialist am Universitätsklinikum
> Hamburg-Eppendorf Ehec-Patienten behandelt. Eine reißerische Schlagzeile
> machte ihm zu schaffen, erinnert er sich im Gespräch taz-Autor Dennis
> Bühler. Ein Protokoll.
Bild: Rolf Stahl auf einer Pressekonferenz am 30. Mai 2011 vor dem UKE.
Ehec traf uns völlig unerwartet. Mit einer Epidemie dieses Ausmaßes hat
niemand gerechnet. In meiner Karriere als Arzt habe ich noch nichts
Vergleichbares erlebt. In der Phase, als plötzlich die zentral-nervösen
Komplikationen aufgetreten sind, bei vielen Patienten die Nierenfunktion
versagte und wir künstlich beatmen mussten, hatte ich große Sorge, dass wir
viele Patienten verlieren würden. In einer solchen Situation arbeitet man
natürlich äußerst angespannt. Man versucht einfach, jeden Tag diszipliniert
seine medizinische Arbeit zu erledigen.
Im Universitätsklinikum Eppendorf haben wir 137 Patienten behandelt, die an
der besonders gravierenden Ehec-Komplikation, dem hämolytisch urämischem
Syndrom HUS litten. Verstorben sind im UKE im Rahmen der Epidemie vier
Patienten. Allerdings können die Todesfälle nicht eindeutig der
Ehec-Erkrankung zugeordnet werden. Zwar litten alle an HUS, aber die
meisten waren ältere Patienten mit Vorerkrankungen.
Während der Epidemie war der Druck groß. Die Bevölkerung wollte zu Recht
wissen, was los war. Es gehört nicht zwingend in mein Berufsbild, täglich
an Pressekonferenzen teilzunehmen. Nichtsdestotrotz gehört der Kontakt mit
den Medien für einen Leiter einer Klinik einfach dazu. Der Großteil der
Presse hat gut und sachlich informiert.
Eine Ausnahme aber möchte ich erwähnen. Eines Tages titelte die Hamburger
Morgenpost: "Rolf Stahl - hat dieser Arzt die Wunderwaffe?" Ich hatte mit
keinem Reporter der Mopo gesprochen, deshalb traf mich die Schlagzeile
unvorbereitet. In der Nacht vor Erscheinen dieser Ausgabe hatte ich lange
mit der Entscheidung gerungen, den Antikörper Eculizumab einzusetzen. Dies
war nämlich nicht ohne Risiko, wusste zu diesem Zeitpunkt doch niemand, ob
die Patienten auf diese Behandlungsmethode ansprechen würden. Man stelle
sich vor, die Erkrankten hätten sich einige Tage später alle zum Schlechten
entwickelt. Was wäre dann gewesen?
Der reißerische Zeitungstitel hat mich unter Druck gesetzt, er hat
Erwartungen geschürt, die ich nicht erfüllen konnte. In der Medizin gibt es
nämlich keine Wunderwaffen, nur schon der Begriff war falsch gewählt. Auch
deshalb war mir diese Schlagzeile zuwider. Sie bedrückt mich bis heute.
In der deutschen Presse war Nephrologie noch nie so präsent wie in den zwei
Ehec-Monaten. Sonst stehen immer nur Krebs und Herzinfarkt im Zentrum.
Jetzt hat man plötzlich begriffen, dass man auch gute Nierenfachärzte
braucht.
85 Personen waren in meiner Klinik ausschließlich mit der Behandlung von
Ehec-Patienten beschäftigt. Man muss von einer Extrembelastung für alle
Beteiligten sprechen. Auch mich haben die Wochen der Ehec-Krise erschöpft,
ich habe einige Nächte schlecht geschlafen. Immer wieder habe ich mich
gefragt, ob wir nicht etwas übersehen haben, ob wir alles richtig machen.
11 Oct 2011
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