# taz.de -- Unternehmen unterrichten: Lobbyisten an der Uni | |
> Die Leuphana Universität in Lüneburg hat für ihre Projektwoche | |
> Interessenvertreter aus dem Gesundheitswesen eingeladen. Die | |
> studentischen Vertreter fürchten um Wissenschaftlichkeit und Neutralität. | |
Bild: Schöne neue Uni-Welt: Schon um den Bau eines neuen Audimax nach diesem E… | |
HAMBURG taz | Der Asta Lüneburg wirft ihrer Hochschulleitung vor, den | |
Lobbyismus an der Leuphana Universität zu fördern. Anlass der Kritik ist | |
die heute endende Projektwoche "Gesundheit" für Erstsemester. In einem | |
Planspiel waren die Studierenden angehalten für Deutschland ein | |
Gesundheitssystem der Zukunft zu entwickeln und dann zu verhandeln. Durch | |
diese Übung sollten sie unter anderem ein nachhaltiges "Verständnis für die | |
Gesellschaft, in der sie Leben" entwickeln, so die Vorstellung der | |
Organisatoren. | |
Dass dies gelingen kann, bezweifelt der Asta. Die dazu eingeladenen | |
Experten, die die Studenten während ihrer Projektarbeit beraten und | |
unterstützen sollen, seien hauptsächlich Lobbyisten aus Wirtschaft und | |
Politik. Studentensprecher Julian Frey vermisst "die unabhängigen | |
Wissenschaftler und Patientenvertreter unter den anwesenden Experten". | |
Er fürchtet eine zu einseitige, interessengeleitete Sicht auf die Dinge. Es | |
könne auch nicht sein, "dass Studenten aus einer Broschüre über das | |
deutsche Gesundheitswesen aufgeklärt werden, die maßgeblich von der | |
Unternehmensberatung Boston Consulting Group erstellt wurden ist", so Frey. | |
Eine ausgewogene Darstellung könne da nicht erwartet werden. | |
Holm Keller, Vizepräsident für die Universitätsentwicklung, kann diese | |
Kritik nicht nachvollziehen. Lerneffekt dieser Veranstaltung solle gerade | |
sein, sich in Begegnung mit den verschiedensten Interessenvertretern eine | |
eigene Meinung zu bilden. "Aussagen haben immer eine Richtung, es kommt | |
darauf an, kenntlich zu machen, von wem sie kommen", so Keller. Er meint, | |
die Studienanfänger seien "mündig". Auf der Broschüre sei klar zu sehen, | |
von wem sie ist. | |
"Deutlich problematisch" findet das Jacob Fricke von Lobby Control, einem | |
gemeinnützigen Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in | |
Deutschland und der EU aufklären will. "Gerade Studienanfänger sind noch | |
nicht geübt, kritisch mit Inhalten umzugehen", so Fricke. Es bestehe die | |
Gefahr, dass hier "Lobbyisten zukünftige Entscheidungsträger für eine | |
bestimmte politische Richtung gewinnen wollen". | |
Die Gefahr sieht Hochschulmanager Keller nicht: "Wir sind dankbar für die | |
Unterstützung der Unternehmen, auch in der Lehre." Der Staat dürfe sich | |
zwar aus der Hochschulfinanzierung nicht rausstehlen, aber "wenn wir etwas | |
bekommen können, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, dann gibt es für | |
uns keinen Grund abzulehnen", argumentiert Keller. | |
Der Asta der Leuphana Universität fürchtet um "die Wissenschaftlichkeit und | |
Neutralität der Lehre" und hat als Protest- und Gegenveranstaltung die | |
"Startwoche Plus" ins Leben gerufen. Die Studierenden werden aufgefordert | |
herauszufinden, wie viel Lobbyismus in der Erstsemester-Projektwoche | |
steckt. | |
Die Fragen sind: "Wer steht oder stand warum bereits miteinander in | |
Beziehungen?" und "Was bringen diese personellen Netzwerke an inhaltlichem | |
Einfluss mit? Welche Inhalte werden behandelt - oder eben nicht?" Die | |
aufbereiteten Rechercheergebnisse werden veröffentlicht und die ersten drei | |
Plätze sollen prämiert werden. | |
13 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Niels Holsten | |
## TAGS | |
Lüneburg | |
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