# taz.de -- Freifunker für Gratisinternet: Unsichtbare Maschen über der Stadt | |
> Die Initiative Freifunk will ganz Berlin mit öffentlichem Gratisinternet | |
> versorgen. Ihre Mitglieder schrauben WLAN-Router auf Dächer und | |
> Kirchturmspitzen. | |
Bild: Irgendwo am Himmel über Berlin schwebt ein WLAN vorbeit | |
Beim Sonnen im Park online Nachrichten lesen, in der Mittagspause am | |
Spreeufer im Netz surfen, beim Warten auf den Bus kurz was bei Wikipedia | |
nachschlagen - jederzeit kostenlos, ohne Anmeldung und Beschränkungen durch | |
einen bestimmten Anbieter. Grenzenloses städtisches WLAN stand sogar schon | |
auf der Tagesordnung des Senats. Eine Initiative will es jetzt in die Tat | |
umsetzen. | |
In der [1][Raumstation c-base] wird an der Utopie gebastelt. Der Verein ist | |
Teil der Genossenschaft Jugendmedienhaus Rungestraße 20 in Mitte. Im | |
zweiten Hinterhof führt eine mit Stickern überwachsene Tür in die Tiefen | |
des galaktischen Hackerspace. Bildschirminstallationen und ein grün | |
beleuchtetes Alien heißen den Besucher willkommen, in der spärlich | |
erhellten Haupthalle sitzen in futuristischem Interieur dunkle Gestalten | |
vor ihren Bildschirmen. Hier trifft sich [2][die Initiative Freifunk | |
Berlin], um die Idee des urbanen WLAN voranzutreiben. Nach eigenen Angaben | |
hat die Initiative, die sich als Teil einer globalen Bewegung für freie | |
Internetinfrastrukturen versteht, rund 2.000 Nutzer. | |
Das Prinzip: Überall in der Stadt werden Router, also drahtlose | |
Netzwerkgeräte, installiert, die sich miteinander verknüpfen. Über die | |
Verknüpfungspunkte, die sogenannten Nodes, kann man sich unverschlüsselt | |
ins Netz begeben. Über 600 solcher Nodes soll es in Berlin bereits geben. | |
Zur Verfügung gestellt werden die Router und der Internetzugang nicht von | |
einem zentralen Anbieter, sondern von BürgerInnen, die das so entstehende | |
Netzwerk betreiben und warten. | |
[3][Alexander Morlang], frisch gewählter Abgeordneter der Piratenpartei, | |
ist Freifunker der ersten Stunde. Er erklärt Neueinsteigern jeden ersten | |
Mittwoch im Monat, wie das Projekt funktioniert. Dass ein einzelner Onliner | |
ohnehin nie die potenzielle Bandbreite seines Internetzugangs beansprucht. | |
Dass er, wenn er am Freifunk teilnehmen will, eine spezielle Software für | |
seinen Router benötigt. Und dass Interessierte einen mit dieser Software | |
bespielten Router gegen 50 Euro Pfand von Freifunk leihen können. | |
Kommt nun ein neuer Router ins Freifunkernetz, wird sein Internetausgang | |
den anderen Routern im Netzwerk angezeigt und integriert. So entsteht die | |
Mesh, das Maschennetz aller verbundenen Freifunkrouter. Damit dieses offene | |
Überallnetz genauso schnell ist wie in den eigenen vier Wänden, platzieren | |
engagierte Freifunker ihre wasserdichten Router und WLAN-Antennen dort, wo | |
der Empfang am besten ist - auf Dächern und Türmen. | |
Die [4][Gemeinde der Kreuzberger Emmauskirche] etwa hat der Montage an der | |
Kirchturmspitze zugestimmt. Als Nächstes wollen die Freifunker sich die | |
Samariterkirche in Friedrichshain vornehmen. Auch die Beuth Hochschule für | |
Technik in Wedding beheimatet auf ihrem Dach einen solchen Router- und | |
Antennenknoten. | |
Wer neu zu den Freifunkern stößt, schließt sich einer Bezirksgruppe an. | |
"Bei unseren Treffen macht sich oft Stammtischatmosphäre breit. Wir sind ja | |
bei den Wartungsarbeiten immer über Messenger in Kontakt", erzählt ein im | |
Netz als "Keks" bekannter Freifunker von der Gruppe Pberg. Ein anderer, | |
Niklas, ist gerade erst nach Berlin gezogen. In der c-base hat er nach | |
kurzer Zeit schon zwei Kontaktpersonen gefunden um die neue Freifunkgruppe | |
Wedding zu gründen. | |
"Du könntest versuchen, die Wechselrichter per dLAN einzubinden." - "Sollen | |
die dann den FTP-Server ansprechen?" Niklas hat kein Problem, sich bei den | |
Freifunkern zurechtzufinden: Er spricht ihre Sprache. Anderen dürfte eine | |
Beteiligung schwerer fallen. Schließlich weiß nicht jeder Internetnutzer | |
automatisch etwas mit Begriffen wie Speedport oder integrierter Datenlogger | |
anzufangen. | |
Es gibt aber auch noch andere Berührungsängste. Viele Interessierte fragen | |
sich etwa, ob der Internetzugang per Freifunk überhaupt sicher ist. "Wer | |
über unser offenes Netzwerk aus Sicherheitsgründen kein Onlinebanking | |
betreiben würde, der sollte das besser auch sonst nicht machen", | |
kommentiert Alexander Morlang solche Bedenken. Der Freifunk sei gegenüber | |
den Providern genauso verschlüsselt wie jedes andere Netzwerk. Wer seinen | |
Datenverkehr noch darüber hinaus absichern wolle, müsse eine zusätzliche | |
Verschlüsselung einrichten. | |
## Kostenlos hat seinen Preis | |
Ein Risiko tragen die Betreiber der Router: Laden Gastsurfer etwa illegal | |
Filme herunter, wird der WLAN-Anbieter verantwortlich gemacht. "Am besten | |
nimmt man sich dann einen Anwalt", empfiehlt Morlang. Überall kostenlos | |
online sein zu können hat seinen Preis. | |
Dass der hoch ist, weiß auch der Senat. Noch 2009 hatte Wirtschaftssenator | |
Harald Wolf (Linke) in Aussicht gestellt, die Realisierung eines | |
flächendeckenden Funkinternetnetzes in der Innenstadt auszuschreiben. 5.000 | |
Sender sollten dafür an Ampeln und Straßenlaternen angebracht werden. | |
Anfang 2010 hieß es dann in einer Senatsvorlage der Wirtschaftsverwaltung, | |
das Projekt werde nicht weiterverfolgt. Die technische Herausforderung sei | |
zu groß. | |
"Der Senat hat wenig Knowhow und wenig Interesse am Thema öffentliches WLAN | |
gezeigt", sagt [5][der Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller], der sich auf dem | |
Gebiet der Netzpolitik engagiert. Dabei wollte sogar der Europäische Fonds | |
für regionale Entwicklung (Efre) das Pilotprojekt Wireless Open Public | |
Local Access Network Berlin fördern. Die Freifunker legten ihrerseits der | |
Landesregierung ein Konzept zur technischen Realisierbarkeit des Projekts | |
vor. "Der Senat hat dann einfach nichts gemacht", sagt Ziller. Die | |
Umsetzung des öffentlichen WLAN stehe jedoch nach wie vor auf der | |
Tagesordnung. | |
Das glaubt auch Pirat Alexander Morlang, der auf eine Zusammenarbeit der | |
Freifunker mit dem kommenden Senat hofft. Als neu gewählter Parlamentarier | |
will er sich bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen für die | |
Unterstützung des Freifunkprojekts starkmachen. Technische | |
Herausforderungen, sagt er, würden die Freifunker jedenfalls nicht scheuen. | |
14 Oct 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://c-base.org/ | |
[2] http://berlin.freifunk.net/ | |
[3] http://blog.dd19.de/~alx/ | |
[4] http://www.emmaus.de/ | |
[5] http://www.stefan-ziller.de/ | |
## AUTOREN | |
Alissa Starodub | |
## TAGS | |
Datenschutz | |
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