| # taz.de -- Datennetz „Commotion Wireless“: Das Anti-Zensur-Paket | |
| > Die US-Regierung finanziert ein Online-Projekt, mit dem Bürger in | |
| > repressiven Staaten eigene Netzwerke aufbauen können. So soll Zensur | |
| > umgangen werden. | |
| Bild: Bei Mesh-Datennetzen ist jeder Nutzer ein Knoten. | |
| Mesh-Datennetze sind schon technisch gesehen eine spannende Sache: Statt | |
| zur Kommunikation untereinander auf eine zentralisierte Infrastruktur zu | |
| setzen, bei der ein großer Mobilfunkbetreiber oder Internet-Anbieter die | |
| zentralen Leitungen und Austauschpunkte kontrolliert, wird aus jedem | |
| Teilnehmer ein eigener Knoten. Daten werden so von Gerät zu Gerät | |
| weitergegeben, bis der Empfänger erreicht ist – und falls einer der | |
| Zwischenknoten ausfallen sollte, wird eben der Weg über die Hardware eines | |
| anderen Benutzers gewählt. | |
| Mesh-Netzwerke sind sehr robust, wenn es eine ausreichende Anzahl von | |
| Knoten gibt. Außerdem sind sie effizient, weil sich die Infrastruktur quasi | |
| wie von selbst aufbaut. Das Projekt „[1][Commotion Wireless]“ („Drahtloser | |
| Tumult“), dass der Washingtoner Think Tank New America Foundation mit | |
| Mitteln der US-Regierung angeschoben hat, will Mesh-Datennetze nun für eine | |
| besondere Anwendung nutzen: Zum Aufbau alternativer Infrastrukturen in | |
| Zensurstaaten und repressiven Regimen. | |
| Statt auf ein von Geheimdiensten und Schnüffelbehörden kontrolliertes | |
| Internet angewiesen zu sein, sollen sich Aktivisten mit „Commotion | |
| Wireless“ selbst ein eigenes Netzwerk herstellen, über dass sie dann | |
| ungestört kommunizieren können. Ein Anschluss an das restliche weltweite | |
| Datennetz ist dabei möglich, muss aber nicht sein. | |
| Die verwendete Hardware ist dabei sehr einfach: Neben einem kostengünstigen | |
| WLAN-Router, auf dem eine von der New America Foundation entwickelte | |
| Software läuft, können auch Laptops, Desktop-Rechner mit WLAN-Karte oder | |
| Smartphones und Tablets verwendet werden. Selbst einfache | |
| GSM-Mobilfunkgeräte lassen sich mit etwas Aufwand und einem – allerdings | |
| vergleichsweise teuren – Stück Hardware für SMS- und Sprachkommunikation | |
| einbinden. (Letzteres kann allerdings dazu führen, dass Aktivisten Ärger | |
| mit ihren lokalen Telekommunikationsanbietern bekommen, was z.B. in | |
| Krisengebieten aber wohl niemanden ernstlich interessieren dürfte.) | |
| ## Anleitungen und Handbücher | |
| Wie genau „Commotion Wireless“ in der Praxis funktionieren wird, ist noch | |
| nicht ganz klar – die Macher peilen derzeit einen Starttermin für Anfang | |
| nächsten Jahres an und bitten externe Entwickler um Mithilfe. Auch müssen | |
| Anleitungen und Handbücher geschrieben und in möglichst viele Sprachen | |
| übersetzt werden, damit das Projekt auch wirklich weltweit genutzt werden | |
| kann. | |
| An Systemen sollen Windows, Mac, GNU/Linux, WLAN-Router-Plattformen wie | |
| OpenWrt und Smartphone- und Tablet-Betriebssysteme wie Android unterstützt | |
| werden – eventuell auch Apples iPhone, sollte es technisch möglich sein. | |
| Die Macher versprechen, dass man ihr Netz möglichst anonym und sicher | |
| nutzen können wird: So soll etwa nicht mit nachverfolgbaren IP-Adressen | |
| gearbeitet werden, und die Kommunikation zwischen Knoten erfolgt stets | |
| verschlüsselt. | |
| Ganz ausschließen, dass „Commotion Wireless“ infiltriert wird, lässt sich | |
| allerdings nicht: Sollte sich eine Regierung entschließen, einen eigenen | |
| Knoten im Netz anzubieten, könnten zumindest Daten, die direkt an diesen | |
| Knoten gehen sollen, entschlüsselt und gelesen werden. Anderer | |
| Datenverkehr, der den Regierungsknoten nur zur Weiterleitung nutzt, wäre | |
| davon allerdings nicht betroffen. Die Gefahr, dass gelauscht wird, ist so | |
| geringer als im offenen Internet, hoffen die Macher. | |
| ## Jedes Netz prüfen | |
| Allerdings bestehe stets die Gefahr, dass jemand versuchen könne, das | |
| „richtige“ Mesh-Netzwerk nachzuahmen, weshalb man jedes neue Netz zunächst | |
| misstrauisch prüfen sollte. Hier hilft ein zusätzlich verschlüsselter | |
| Datenverkehr – etwa für E-Mails zwischen Knoten. Letztlich soll innerhalb | |
| von „Commotion Wireless“ alles möglich sein, was auch im regulären Intern… | |
| geht – vom Dateitransfer bis zum VoIP-Telefonat. | |
| Die Anbindung an den Rest der Welt könnten Aktivisten dann beispielsweise | |
| in einem angrenzenden Land herstellen, in dem das Netz nicht zensiert wird | |
| – dazu würde dann das WLAN-Signal vom letzten inländischen Knoten gen | |
| Ausland gesendet. Wen stört, dass die US-Regierung das Projekt | |
| mitfinanziert, sollte Vertrauen daraus schöpfen, dass „Commotion Wireless“ | |
| ein quelloffenes Vorhaben ist – der gesamte Code wird im Netz nachlesbar | |
| sein. | |
| 27 Jun 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://commotionwireless.net | |
| ## AUTOREN | |
| Ben Schwan | |
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