# taz.de -- Nach tödlichem Großangriff der PKK: Türkische Truppen im Nordirak | |
> Kurdische PKK-Guerillas greifen türkische Armeeunterkünfte an und töten | |
> 24 Soldaten. Ankara reagiert sofort mit der Entsendung von 600 Soldaten | |
> in den kurdischen Nordirak. | |
Bild: Strafaktion: Türkische Panzerfahrzeuge im Nordirak. | |
ISTANBUL taz | Der seit Wochen eskalierende Konflikt in den kurdisch | |
besiedelten Gebieten der Türkei ist zur offenen Kriegshandlung geworden. In | |
der Nacht auf Mittwoch griffen Guerillagruppen der PKK acht verschiedene | |
Armeeunterkünfte in der Nähe der irakischen Grenze an und töteten dabei 24 | |
Soldaten. Weitere 18 wurden schwer verletzt. Das sind die höchsten Verluste | |
der türkischen Armee bei einem PKK-Angriff seit 1992. | |
Für die Türkei waren die Nachrichten am frühen Mittwochmorgen ein Schock. | |
Fast alle Fernsehsender änderten ihr Programm und sendeten nur noch | |
Nachrichten und Analysen zu den PKK-Angriffen. In Ankara wurde eine | |
Krisensitzung einberufen, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte eine | |
Reise nach Kasachstan ab. | |
Im Anschluss an die erweiterte Kabinettssitzung wandte sich Erdogan mit | |
einer martialischen Ansprache an die Nation. Er beschwor den Zusammenhalt | |
des Landes und drohte allen Terroristen und deren Unterstützern, sie bis | |
zum Ende zu verfolgen. Rund 600 Soldaten überquerten bis zum frühen | |
Nachmittag die Grenze zum Nordirak, um dort flüchtende PKKler zu verfolgen. | |
Nach Armeeangaben wurden dabei 18 PKK-Militante getötet. Bereits seit dem | |
frühen Morgen bombardierte die türkische Luftwaffe PKK-Lager im Nordirak. | |
Erdogan kündigte allerdings nicht den eigentlich erwarteten großen | |
Einmarsch der Armee in den Nordirak an. Stattdessen sagte er, die | |
"Terrororganisation PKK ist ein Handlanger anderer Interessen. Ihr Angriff | |
ist eine Provokation. Wenn man seinen Zorn nicht zügeln kann, geht man | |
ihnen in die Falle." Türkische Kommentatoren interpretierten dies als | |
Vorwurf an andere Staaten, die nach Meinung Erdogans die PKK benutzen, um | |
den Aufstieg der Türkei zu einer Regionalmacht im Nahen Osten zu | |
verhindern. | |
## Attentatswelle begann im Juli | |
Der Angriff der PKK ist der bisherige Höhepunkt einer Attentatswelle. Die | |
begann im Juli, nachdem die Organisation einen Waffenstillstand | |
aufgekündigt hatte, weil es in geheimen Verhandlungen zwischen Vertretern | |
des Staates und Abgesandten der PKK keine Fortschritte gegeben hatte. | |
Gleichzeitig hatte allerdings der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan | |
dazu aufgerufen, die Gespräche fortzusetzen, weil er durchaus Hoffnungen | |
auf Fortschritte hatte. | |
Türkische Medien spekulieren seitdem darüber, ob es innerhalb der PKK einen | |
Bruch gibt und Öcalan seinen Einfluss auf die aktuelle Führung der PKK | |
verloren hat. Besonders misslich ist jetzt die Situation für die kurdischen | |
Abgeordneten der legalen BDP im Parlament in Ankara. Noch vor wenigen Tagen | |
hatten sie sich bitter über die Repression durch die Regierung beklagt. | |
Hunderte Anhänger und Mandatsträger der BDP waren unter dem Vorwurf, | |
Unterstützer der PKK zu sein, verhaftet worden. | |
Jetzt mussten sie entweder schweigen und damit indirekt die PKK-Angriffe | |
unterstützen, oder aber sich deutlich distanzieren. Die Partei entschied | |
sich für die zweite Möglichkeit. In ungewöhnlich scharfer Form distanzierte | |
sich die BDP von den Angriffen. In einer Stellungnahme in Ankara forderte | |
sie einen Stopp des bewaffneten Kampfes und erklärte: "Die Angriffe brechen | |
uns das Herz." | |
Aber nicht nur die kurdischen Abgeordneten sind vom Großangriff der PKK | |
tief getroffen. Auch der zuletzt auf einer Woge internationaler Anerkennung | |
schwimmende Erdogan ist durch den Schlag der PKK unsanft auf dem Boden der | |
Realität gelandet. Ohne eine Lösung der Kurdenfrage wird die Türkei | |
international nie die Rolle spielen können, von der ihre Regierung träumt. | |
19 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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