Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Generalstreik in Griechenland: "Wir fahren gegen die Wand"
> Der größte Streik seit Beginn der Finanzkrise macht Athen zur
> Geisterstadt. Doch Zigtausende demonstrieren – und vor dem Parlament
> eskaliert die Gewalt.
Bild: Die rote Front seid ihr: griechische Polizisten nach einer Farbattacke.
Diesmal gehen die Griechen zu Zehntausenden auf die Straße. Nach Angaben
der Polizei versammelten sich über 70.000 Menschen vor dem Parlament am
Athener Syntagmaplatz, die Veranstalter sprechen sogar von über 100.000
Demonstranten.
Die Gewerkschaften hatten für Mittwoch zur größten Protestaktion seit
Beginn der Schuldenkrise aufgerufen – und vor allem für Donnerstag. Dann
soll im Parlament ein neues Arbeitsgesetz verabschiedet werden, das die
Regierung berechtigen würde, erstmals seit hundert Jahren Beamte und
Kommunalangestellte aus dem Dienst zu entlassen.
Die Presse spricht von der "Mutter aller Streiks". Allein die größte
kommunistische Gewerkschaft PAME schickte am Mittwoch über 3.000
streikerprobte Mitglieder auf die Straße. Doch sie sollen offenbar nicht
nur demonstrieren, sondern auch die eigene Kundgebung gegen den
berüchtigten Schwarzen Block der Anarchisten und andere Eindringlinge
abschirmen.
Trotzdem kam es gleich am Morgen zu ersten Ausschreitungen, als eine
Handvoll Demonstranten versuchte, die Polizeiabsperrungen vor dem Parlament
zu beseitigen. Polizisten setzten daraufhin Schlagstöcke und Tränengas ein.
Vermummte warfen Steine, streikende Taxifahrer bastelten aus Müll
Wurfgeschosse. Insgesamt sind 7.000 Polizisten im Einsatz.
Am Mittwochnachmittag schafften es die Demonstranten dann bis vor den
Parlamentseingang. Es flogen Steinen und Brandsätze, die Beamten gingen
erneut mit Tränengas vor. Ein Wachposten vor dem Präsidentenpalast wurde in
Brand gesteckt, Demonstranten schlugen mit Hämmern und Brechstangen auf
mehrere Gebäude ein, zerstörten Schilder von Banken und warfen Fenster ein.
Außerhalb des Syntagmaplatzes gleicht Athen jedoch einer Geisterstadt.
Viele Geschäfte und Supermärkte bleiben geschlossen und sind zum großen
Teil verbarrikadiert worden, weil die Besitzer Angst vor Ausschreitungen
haben. Nach dem Umsatzrückgang wären Übergriffe und Beschädigungen das
Letzte, was sie jetzt brauchen. "Wir müssen für einen Tag schließen, damit
wir nicht für immer schließen", erklärte der Händlerverband GSEBEE.
"Was wir erleben, ist tragisch" sagte Finanzminister Evangelos Venizelos
und warnte vor dem "Tod der griechischen Wirtschaft". "Wir fahren gegen die
Wand", bestätigte Politkommentator Christos Koutras.
## Händedruck verweigert
Unterdessen geht der Machtpoker weiter. Bei einem kurzen, eher
unfreundlichen Treffen lud der sozialistische Ministerpräsident Giorgos
Papandreou den konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras für das
Wochenende mit nach Brüssel ein, damit beide gemeinsam beim EU-Gipfel mit
den Gläubigern Griechenlands verhandeln.
Die Reaktion fiel harsch aus: Vor laufenden Kameras weigerte sich Samaras,
Papandreou die Hand zu schütteln. Nach griechischen Medienberichten soll er
zu Papandreou gesagt haben: "Ich fahre schon nach Brüssel, aber nicht mit
dir. Worüber sollen wir denn verhandeln, nicht mal mit deinen Ministern
kannst du dich auf eine gemeinsame Linie einigen."
Entgegen den Ankündigungen sollen die Fluglotsen doch nicht zwei Tage lang
streiken, sondern nur stundenweise. Trotzdem müssen Reisende mit
Verspätungen rechnen. Zu Massendemonstrationen kam es auch in anderen
Städten. So gingen in Thessaloniki 15.000 Menschen auf die Straße, 20.000
waren es in Patras.
19 Oct 2011
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Griechenland: "Betrüger, Unterwürfige, Arschkriecher"
Drei griechische Minister fordern ihre Landsleute zu besserer Arbeitsmoral
auf. Der Publizist Giannis Makridakis findet das schamlos - und antwortet
mit einem Brandbrief.
Parlament stimmt Sparpaket zu: Griechen wenden Pleite ab
Das griechische Parlament hat Donnerstag einem weiteren umstrittenen
Sparpaket zugestimmt. Es sieht Entlassungen, Gehalts- und Rentenkürzungen
sowie Steuererhöhungen vor.
Die Wut-Griechen über ihre Krise: Ein Land hat sich ruiniert
Griechenland ist lahmgelegt. Aber was bedeutet der Bankrott für die
Einheimischen? Vier Wut-Griechen erzählen aus ihrem Alltag und erklären,
wie es so weit kommen konnte.
Ein Toter bei Protesten in Griechenland: Demonstranten gehen aufeinander los
Bei neuen Demonstrationen in Athen bekämpfen sich Teile der Protestierenden
gegenseitig, dabei stirbt ein Mann. Das griechische Parlament stimmt einem
verschärftem Sparkurs zu.
Wirtschaftskrise in Argentinien: Als nichts mehr ging, ging alles weiter
Vor zehn Jahren brach Argentinien zusammen. Eine, die da war, erzählt von
plötzlicher Armut, Tauschwirtschaft und Arbeiterinnen, die Betriebe in
Eigenregie übernahmen.
Kommentar Schuldenkrise: Eine Billion Euro könnte nicht reichen
Ein, zwei Billionen Euro sind fantastische Summen, und trotzdem werden sie
nicht genügen. Denn Finanzmärkte sind irrational. Und Investoren nervös bei
Garantiegrenzen.
Generalstreik in Griechenland: Alle Flugzeuge fliegen … nicht!
In Griechenland hat ein zweitägiger Generalstreik gegen die Sparpläne
begonnen. Schulen, Geschäfte, Banken blieben zu. Die Polizei bereitet sich
auf einen Ansturm der Demonstranten vor.
Schuldenkrise in Griechenland: Soldaten an die Müllfront
Weil die Müllwerker streiken, herrscht in Athen der Abfallnotstand. Das
Gesundheitsamt warnt bereits vor Seuchen. Jetzt sollen Soldaten und
Privatfirmen helfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.