# taz.de -- Bundestagsvotum zum Euro-Rettungsschirm: Jetzt regiert auch die Opp… | |
> Die Regierung gibt ein schlechtes Bild ab, die Opposition freut sich. Am | |
> Mittwoch stimmt der Bundestag über die Erweiterung des Rettungsschirmes | |
> ab. | |
Bild: Frank-Walter Steinmeier: "Da hat die Regierung gerade im letzten Moment d… | |
BERLIN taz | Der Fraktionsvorsitzende ist bester Laune, gleich will er sein | |
Pressestatement abgeben, aber er wartet noch ein bisschen. "Da redet gerade | |
jemand dazwischen", sagt Frank-Walter Steinmeier. Der Störenfried steht ein | |
paar Schritte neben ihm auf der Fraktionsebene des deutschen Bundestages, | |
es ist sein Unions-Kollege Volker Kauder, die Scheinwerfer strahlen in sein | |
Gesicht. | |
Steinmeier lauscht. | |
Ein Journalist fragt: "Herr Kauder, gibt es morgen eine | |
Kanzlerinnenmehrheit?" | |
Kauder: "Wir wählen morgen keinen Bundeskanzler" | |
"Zumindest morgen", ulkt Steinmeier "wird also noch kein neuer | |
Bundeskanzler gewählt". Gelächter. Die Pointe sitzt. | |
Die Szene beschreibt die momentane Stimmung der Opposition im Streit um den | |
Euro-Rettungsschirm EFSF. Die Regierung gibt ein schlechtes Bild ab, die | |
Opposition verspürt das Gefühl des heimlichen Triumphes. | |
Am Mittwoch stimmt der Deutsche Bundestag über die Erweiterung des | |
Rettungsschirmes ab, bei dem Deutschland 211 Milliarden Euro dafür | |
einsetzt, das europäische Währungssystem zu stabilisieren. Die Abstimmung | |
darüber wollte die Regierung eigentlich verhindern. Ohne Erfolg, die | |
Opposition hat sich durchgesetzt. Abgestimmt wird dabei über zwei Modelle | |
mit sogenannter Hebelwirkung, in der mit dem selben finanziellen Einsatz | |
der Rettungsschirm für eine größere Summe Kapital wirken kann - auch das | |
hatte die Opposition gefordert. Und gegen die teilweise planlose Regierung | |
wirken die Grünen und SPD-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Frank-Walter | |
Steinmeier wie die Politiker, die tatsächlich der Bevölkerung erklären, wo | |
lang es in dieser Krise geht. "Als Staatsbürger geht es mir schlecht, als | |
Sozialdemokrat prima", fasst es ein SPD-Mann am Dienstag vor der | |
Fraktionssitzung zusammen. | |
## Kaum versteckte Häme bei Trittin | |
Schon früh am Morgen konnte auch Trittin seine Häme kaum verstecken. Punkt | |
zwölf Uhr, vor der Fraktionssitzung der Grünen, postiert er sich vor dem | |
Abgeordnetenhaus: "Ich muss der Koalition ein Kompliment machen", lästert | |
er. Noch vor drei Tagen habe sie es um jeden Preis vermeiden wollen, die | |
Hebelung im ganzen Plenum diskutieren zu lassen. "Und heute erklärt der | |
Parlamentarische Geschäftsführer der Union, das dies eine Frage der | |
politischen Kultur sei." | |
Während Trittin sprach, war gerade eine erbitterte Auseinandersetzung um | |
die genaue Ausgestaltung eines möglichen gemeinsamen Entschließungsantrages | |
im Gange, mit dem alle Fraktionen zufrieden sein könnten. In zwei Runden | |
versuchten die Fraktionsgeschäftsführer und die haushaltspolitischen | |
Sprecher von Regierungsfraktionen, SPD und Grünen, eine Lösung zu finden. | |
Erst am Nachmittag war dann klar, dass die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und | |
Grünen einen solchen gemeinsam in den Bundestag einbringen werden. Und auch | |
hier setzte sich die Opposition durch: Aus der SPD war zu hören, es seien | |
Veränderungen beim so genannten Hebel hineinverhandelt worden, ebenso eine | |
Formulierung für die Finanztransaktionssteuer. | |
Die hatte auch Trittin zur Bedingung erklärt. Doch dies war eher Beiwerk. | |
Kern des Entschließungsantrags werden zwei Hebelmodelle sein, die den | |
insgesamt 440 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm effizienter machen, | |
indem sie sein Finanzvolumen auf Billionenbeträge vervielfachen. Dass | |
solches geplant sei, hatte die Regierung in den vergangenen Wochen | |
hartnäckig abgestritten. Der Bundestag würde der Kanzlerin damit ein Mandat | |
für den zweiten Teil des EU-Gipfels am Mittwoch geben. | |
## Frage nach der eigenen Mehrheit | |
Und die Union? Wieder mal hatte Peter Altmaier, der Parlamentarische | |
Geschäftsführer der Fraktion, am Morgen die undankbare Aufgabe, das | |
Vorgehen der Regierung als schlüssig darzustellen. Schließlich hatten die | |
Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss am Freitag noch gegen eine | |
Plenarbefassung gestimmt. | |
Die Koalition sei jetzt bereit ins Plenum zu gehen, sagte Altmeier. Dies | |
sei eine Frage der politischen Kultur und dem Thema angemessen. Aus | |
Unions-Kreise war zu hören, dass rechtlich zwar die Befassung des | |
Haushaltsausschusses genügt hätte, man aber einen Schritt auf die | |
Opposition zugehen wolle. | |
Wieder einmal stellt sich jetzt für die Kanzlerin die unangenehme Frage | |
nach der eigenen Mehrheit. Prompt meldeten sich erneut die internen | |
Kritiker zu Wort. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach kündigte an, bei | |
seinem Nein zu bleiben, ebenso sein Fraktionskollege Klaus-Peter Willsch. | |
"Die Bedenken der Kritiker sind nicht ausgeräumt, sondern haben sich eher | |
bestätigt", sagte Bosbach. | |
Dass aber tatsächlich die schwarz-gelbe Mehrheit an der Hebelfrage | |
zerbricht, ist wenig wahrscheinlich. Auch nach der aufgeregten Debatte im | |
September bekam die Koalition eine klare Mehrheit hin. Altmaier dazu: "Ich | |
bin überzeugt, dass die Koalition den Antrag verabschieden wird." | |
SPD-Fraktionschef Steinmeier sinnierte währenddessen über europäische | |
Verantwortung: "Deutschland hat viele Vorteile von Europa gehabt", sagte | |
Steinmeier, "wir versuchen, diese Nachbarschaft zu stabilisieren". Dass | |
jetzt im Bundestag abgestimmt werde, begrüßte er. "Da hat die Regierung | |
gerade im letzten Moment die Kurve gekriegt", sagte er. Sie hätte "sich | |
unseren Argument angeschlossen", und habe "eingelenkt". | |
Dann ging er, triumphierend. | |
25 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
G. Repinski | |
U. Schulte | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Finanzminister Schäubles Plan B: EU-Alleingang bei Transaktionssteuer | |
Schäuble wünscht sich auf dem G-20-Gipfel eine Einigung zur | |
Finanztransaktionsteuer. Sollte dies nicht gelingen, könnten die Euro-Zone | |
die Steuer trotzdem einführen. | |
Bundestag stimmt über Rettungsschirm ab: Grünes Licht für Erweiterung | |
Mit großer Mehrheit haben Abgeordnete der meisten Parteien für die | |
Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes gestimmt. Zuvor hatte die | |
Bundeskanzlerin ein höheres Risiko durch den Hebel eingeräumt. | |
EU-Gipfel zum Euro-Rettungsschirm: Die große Zitterpartie | |
Schuldenschnitt und "Hebeltrick": Was sind die offenen Fragen, lassen sie | |
sich lösen, und werden weitere Gipfeltreffen nötig? Ein Unsicherheitsfaktor | |
bleibt: Berlusconi. | |
Kommentar rot-grüne Opposition: Rot-Grün regiert durch | |
Wie die Opposition die Regierung im Moment vor sich hertreibt, beweist die | |
Bundestagsdebatte zum EFSF. Doch Rot-Grün geraten so in eine Zwickmühle. | |
Schwarz-gelbe Europapolitik: Wettlauf der Kohl-Nachfolger | |
CDU und Liberale geben sich EU-freundlich, fordern aber harte Maßnahmen wie | |
einen Sparkommissar. Die FDP versucht nebenbei, ihre Euroskeptiker in | |
Schach zu halten. | |
Kommentar Eurorettung: Der Bundestag auf Speed | |
Die Behebung der Ursachen der Eurokrise ist zu weit weg vom politisch | |
Möglichen. Greifen die aktuellen Maßnahmen nicht, droht aber sowieso eine | |
Vermögensabgabe. | |
Rettungsschirm auch für Versicherer: Der Schuldenschnitt wird teuer | |
Eine Pleite Griechenlands trifft auch vermeintlich sichere Versicherungen. | |
Die EU debattiert darüber, wie den Unternehmen geholfen werden kann. |