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# taz.de -- Amtszeit der Missbrauchsbeauftragten endet: Eher bittere Bilanz
> Die Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann geht. Die Regierung zeigt
> kein Interesse an der Fortsetzung ihrer Arbeit und hat keine Nachfolgerin
> bestimmt.
Bild: Die Zeit ist um: Christine Bergmann hat wenig Hoffnung, dass sich die Pol…
Eineinhalb Jahre war sie im Amt, Ende des Monats endet Christine Bergmanns
Tätigkeit als "Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen
Kindesmissbrauchs". Am Dienstag zog Bergmann Bilanz.
In den vergangenen Monaten hat sich die frühere Familienministerin Bergmann
(SPD) mit über 22.000 Missbrauchsfällen beschäftigt. So viele Anrufe, Mails
und Briefe hat die "Missbrauchsbeauftragte" erhalten - von Frauen, Männern
und Kindern, die ältesten waren 89 Jahre alt, das jüngste Kind, ein Junge,
war sechs. Sie alle berichteten von schweren körperlichen und psychischen
Übergriffen, fast immer verübt von Männern.
Manchmal, sagte Bergmann am Dienstag, war es so dramatisch, dass sie nicht
weitermachen konnte: "Dann musste ich sagen: Heute nicht mehr. Morgen
wieder." Noch immer rufen jeden Tag 50 bis 60 Betroffene an.
Anfang des vergangenen Jahres war sexueller Kindesmissbrauch in kirchlichen
Einrichtungen, Sportvereinen und Heimen bekannt geworden, seitdem steht das
Thema im öffentlichen Interesse. Ein runder Tisch mit Familienministerin
Kristina Schröder, Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) und
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wurde
eingerichtet, Betroffenenverbände wurden eingeladen und Medienkampagnen
gestartet.
## Verwaschene Entschädigungsvorschläge
Christine Bergmann ist noch einen Schritt weiter gegangen, als erste
Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hat sie den Opfern zugehört, sie
hat ihnen "eine Stimme gegeben", wie ein Betroffener sagte. Sie hat eine
Telefonhotline geschaltet, sexuellen Missbrauch wissenschaftlich
dokumentieren und einen Werbespot drehen lassen.
Im Mai legte sie ihren Abschlussbericht vor. Darin sprach sie Empfehlungen
aus: Mehr Betroffene müssten Therapien und auch mehr finanzielle Hilfen
bekommen, eine zentrale Anlaufstelle könnte bei der Suche nach
professionellen Therapeuten helfen. Außerdem dauerten die Gerichtsverfahren
gegen die Täter zu lange, und das Opferentschädigungsgesetz sei "überhaupt
nicht befriedigend". Auch bei den bereits verjährten Fällen, sagte
Bergmann, seien die Vorschläge zur Entschädigung "im Moment noch ziemlich
verwaschen". Es müssten auch Opfer vor 1976 aus den alten Bundesländern und
vor 1990 aus den neuen Bundesländern angemessen entschädigt werden.
Wie Bergmanns Empfehlungen umgesetzt werden, ist allerdings unklar. Denn
zurzeit weiß niemand, wie es mit der Stelle weitergeht und wer Bergmanns
Nachfolgerin oder Nachfolger wird. Christine Bergmann habe einen Vorschlag
gemacht, sagte sie: "Es muss eine Person sein, die die Betroffenen
akzeptieren."
Bislang ist die Stelle beim Bundesfamilienministerium angesiedelt,
Ministerin Kristina Schröder (CDU) wollte sich dazu aber nicht äußern. Nur
so viel steht bislang fest: Bis zum 1. November, wenn die "Nachfolgestelle"
eingerichtet werden soll, bleibt die Telefonhotline geschaltet, das
eingespielte Team aus BeraterInnen und fachkundigen AnsprechpartnerInnen
steht weiterhin bereit, auch die Homepage bleibt online.
"Jetzt muss die Politik handeln", sagte Christine Bergmann: "Die schönste
Empfehlung nutzt nichts, wenn sie nicht umgesetzt wird." Opferverbände
befürchten, dass das Thema mit dem Weggang Bergmanns an Bedeutung verlieren
wird. Auch Christine Bergmann scheint keine große Hoffnung zu haben, dass
"die Politik" sich weiterhin intensiv mit der Missbrauchsaufklärung
beschäftigt. Sie sagte: "Es ist ja schon lange bekannt, wann Ende Oktober
ist. Auch meinen Abschlussbericht gibt es schon eine Weile."
25 Oct 2011
## AUTOREN
Simone Schmollack
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