# taz.de -- Kasernenschließung bei der Bundeswehr: Schleswig-Holstein so gut w… | |
> In ganz Deutschland werden Kasernen geschlossen und Bundeswehrstandorte | |
> massiv verkleinert. Die restliche Truppe soll lieber im Ausland kämpfen. | |
Bild: Tschö! | |
BERLIN taz | Erst mal hieß es warten, schon wieder war Europa wichtiger, | |
Thomas de Maizière hing fest. Als im Bundestag über den Eurorettungsschirm | |
abgestimmt wurde, hätte der Verteidigungsminister eigentlich schon in der | |
benachbarten Bundespressekonferenz sein sollen, den entscheidenden Teil der | |
Bundeswehrreform vorstellen. Doch die Stimme des CDU-Politikers wurde im | |
Plenum gebraucht, sein eigenes Projekt musste warten. | |
Mit einer halben Stunde Verspätung ging es dann endlich los. | |
"Entschuldigung", rief de Maizière in den Saal, "das lag an den | |
Abstimmungsmechanismen im Bundestag." | |
Dabei gilt das, was de Maizière schließlich präsentierte, als die | |
vielleicht größte und wichtigste Reform der Regierung in dieser | |
Legislaturperiode. In mehreren Abschnitten wurde bereits die Wehrpflicht | |
abgeschafft, die Truppengröße verringert, und finanzielle Mittel wurden | |
gekürzt. Vor allem aber sollte das geschehen, was der Minister an diesem | |
Tag präsentierte: Es mussten Standorte geschlossen werden - das bei weitem | |
sensibelste politische Thema. Denn jede Standortschließung bedeutet für die | |
betroffene Regionen den Verlust von Arbeitsplätzen. | |
Hinter dem Minister lagen lange Wochen und schwere Verhandlungen. Noch bis | |
in den Vorabend hatte er die letzten zu schließenden Standorte festgelegt, | |
noch bis in die Nacht mit den Ministerpräsidentinnen und | |
Ministerpräsidenten, den Verteidigungsexperten und Fachleuten telefoniert | |
und seine Entscheidungen verteidigt. | |
## "Ausdünnung vor Schließung" | |
Das Ergebnis ist eines, das, wie de Maizère sagt, dem Prinzip "Ausdünnung | |
vor Schließung" folgt. Zwar werden 30 Prozent der Dienstposten reduziert, | |
in Zukunft umfasst die Bundeswehr noch 240.000 Soldaten und zivile | |
Mitarbeiter. Aber es werden verhältnismäßig wenig Kasernen abgeschafft. Von | |
328 Standorten werden 31 vollständig geschlossen, 33 weitere werden | |
derartig reduziert, dass es einer Schließung gleichkommt. "Jede Schließung | |
und Verringerung ist schmerzhaft", sagte de Maizière, "aber die Bundeswehr | |
ist nicht ob der Standorte da." Sie sei da, um ihren Auftrag gut und | |
sparsam zu erfüllen. | |
Um das zu erreichen, werden in Zukunft die Führungskommandos der einzelnen | |
Teilstreitkräfte zusammengefasst. Das Heer wird in Strausberg bei Berlin | |
seinen Sitz haben, die Luftwaffe in Berlin-Gatow, die Marine in Rostock, | |
die Streitkräftebasis in Bonn und der Sanitätsdienst in Rostock. | |
Auch noch eine Ebene höher, im Ministerium, gibt es Veränderungen. In | |
Zukunft werde es noch 2.000 Dienstposten in Bonn und Berlin geben. "Der | |
Hauptsitz bleibt Bonn", sagte de Maizière. Jedoch wolle er so viele | |
Mitarbeiter wie möglich nach Berlin holen. | |
Das neue Stationierungskonzept ist der letzte Baustein zur Umgestaltung der | |
Bundeswehr: Die Wehrpflicht ist bereits seit diesem Jahr abgeschafft, dafür | |
soll in Zukunft mehr auf Freiwillige gesetzt werden. Zudem wird die | |
Truppenstärke auf bis zu 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie bis zu | |
15.000 freiwillig Wehrdienstleistende verringert. Dazu wurden die | |
Strukturen innerhalb der Truppe und im Ministerium verschlankt - denn wie | |
andere Ressorts wird auch der Verteidigungshaushalt gekürzt. Bis 2015 | |
müssen 8,3 Milliarden Euro eingespart werden. Mehrkosten, die sich durch | |
die Reform - etwa durch Personalwechsel - ergeben, sollen allerdings | |
herausgerechnet werden. | |
## "Etwas seriöser gestaltet" | |
Das alles sei "immerhin eine Verkleinerung", kommentiert Paul Schäfer von | |
der Linkspartei, jedoch insgesamt "nicht radikal genug". Die Reform sei | |
lediglich eine Fortführung dessen, was de Maizières CSU-Vorgänger | |
Karl-Theodor zu Guttenberg angestoßen haben. "Nur etwas seriöser | |
gestaltet", so Schäfer. Positiv äußerte sich der SPD-Politiker Hans-Peter | |
Bartels. "Dass in der Fläche die Bundeswehr erhalten wird, ist richtig." | |
Für de Maizière endet die Arbeit an der Reform freilich nicht mit dem | |
Mittwoch. Bis zum Jahr 2017, so will er, soll die große Mehrheit der | |
Standortveränderungen abgeschlossen ist. | |
Wie lange es am Ende doch dauern kann, zeigt die letzte groß angelegte | |
Bundeswehrreform von de Maizières Vorvorvorgänger Peter Struck (SPD). Im | |
Jahr 2004 machte dieser sich daran, 104 Standorte zu schließen. | |
13 dieser Kasernen gibt es heute noch. In de Maizières Statistik tauchen | |
sie auch noch auf. Als "ausstehende Schließungen aus Altentscheidungen". So | |
dürfte auch die aktuelle Reform zur einer langwierigen Angelegenheit | |
werden. Auch wenn am Anfang mal wieder der Euro wichtiger war. | |
26 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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