# taz.de -- Mindestlohn-Debatte in der CDU: Viel Streit um Wenig | |
> Noch vor dem Parteitag sollen zwei Vertreter des Arbeitnehmer- und | |
> Wirtschaftsflügels einen Kompromiss finden. Die Opposition sieht die Idee | |
> an der FDP scheitern. | |
Bild: Ab 8,50 Euro will der DGB mit der CDU reden. | |
BERLIN taz | Angela Merkel drängt ihre Partei auf eine schnelle Einigung | |
beim Mindestlohn. Wie die Welt am Sonntag berichtete, hat Merkel Karl-Josef | |
Laumann, den Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA), | |
und Michael Fuchs, Fraktionsvize und Vertreter des CDU-Mittelstands- und | |
Wirtschaftsflügels, damit beauftragt, ein gemeinsames Modell zu erarbeiten. | |
Es soll mit Arbeitgebern und Gewerkschaften abgesprochen werden. | |
"Ich schließe nicht aus, dass es nach einem Parteitagsbeschluss noch in | |
dieser Legislaturperiode zu einer gesetzlichen Lohnuntergrenze kommt", | |
sagte Laumann. Der CDU-Parteitag findet vom 13. bis 15. November in Leipzig | |
statt. | |
Laumann und Fuchs sollen zwei Mindestlohnkonzepte zusammenführen, die die | |
CDU derzeit diskutiert. Von beiden sind bisher nur allgemeine Punkte | |
bekannt. | |
## Im Osten 7,01 Euro, im Westen 7,89 Euro | |
Die CDA plädiert für "eine allgemeine Lohnuntergrenze, die über alle | |
Branchen hinweg gilt", wie sie in ihrem Parteitagsantrag schreibt. Dazu | |
soll der Mindestlohn, auf den sich die Tarifparteien für die Leiharbeit | |
geeinigt haben, auf die Branchen ausgeweitet werden, in denen | |
"Niedrigstlöhne" bezahlt werden. Die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit | |
liegt bei 7,01 Euro im Osten und 7,89 Euro im Westen. | |
Der CDU-Landesverband NRW hatte daraufhin ein Gegenkonzept ins Spiel | |
gebracht. Auch darin ist die Rede von einer "allgemeinen verbindlichen | |
Lohnuntergrenze" für Bereiche, "in denen ein tarifvertraglich festgelegter | |
Lohn nicht existiert", sowie von einer Orientierung am | |
Leiharbeitsmindestlohn. Allerdings fordert die NRW-CDU explizit, dass eine | |
Lohnuntergrenze durch eine "Kommission der Tarifpartner" festgelegt werden | |
müsse. | |
Man wolle eine "marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen | |
politischen Mindestlohn", heißt es zur Begründung. Fuchs selbst hatte sich | |
in der Vergangenheit immer wieder gegen von der Politik bestimmte | |
Mindestlöhne ausgesprochen. Der Staat solle sich aus der Angelegenheit | |
heraushalten, lautete sein Credo. | |
## Merkel lehnt gesetzlichen Mindestlohn ab | |
Auf die weitgehende Abstinenz der Politik könnte auch der Kompromiss | |
hinauslaufen, der sich in ersten Ansätzen abzeichnet. So haben sich Fuchs | |
und Laumann laut Welt am Sonntag bereits darauf geeinigt, dass eine | |
Kommission künftig eine Untergrenze für Löhne festlegen soll. | |
Merkel selbst hatte sich dafür ausgesprochen, Tarifparteien notfalls dazu | |
zu nötigen, eine Mindestlohngrenze zu finden. "Wir müssen sicherstellen, | |
dass wir keine weißen Lücken haben", sagte sie mit Blick auf | |
tarifvertragsfreie Zonen. Einen flächendeckenden, gesetzlich vorgegebenen | |
Mindestlohn in einheitlicher Höhe lehnte Merkel bisher jedoch ab. | |
Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, | |
warnte davor, den Tarifparteien die alleinige Verantwortung zuzuweisen. | |
Bereits jetzt seien die Tarifpartner in Kommissionen zur Findung von | |
Branchenmindestlöhnen eingebunden: "Und da blockieren sie sich | |
gegenseitig." Das Problem von Niedriglöhnen existiere auch nicht nur in | |
tarifvertragsfreien Zonen. "Das Friseurhandwerk im Osten hat einen | |
Tarifvertrag, trotzdem bekommen die Leute dort nur rund 4 Euro | |
Stundenlohn", sagte Pothmer zur taz. | |
## DGB fordert mindestens 8,50 Euro | |
Anette Kramme, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, kann die | |
CDU-Debatte nicht sonderlich ernst nehmen: "Da soll ein Wahlkampfthema | |
abgeräumt werden", sagte Kramme zur taz. "Ein Mindestlohn kommt eh nicht, | |
weil die FDP dagegen ist." Die Liberalen waren am Sonntag für eine | |
Einschätzung nicht erreichbar. | |
Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds, begrüßte die | |
Mindestlohndebatte. Für Gespräche über die konkrete Ausgestaltung stehe man | |
zur Verfügung. 8,50 Euro Stundenlohn seien aber "das Mindeste, um ein | |
einigermaßen menschenwürdiges Leben zu ermöglichen", sagte Sommer. Klaus | |
Ernst, Chef der Linkspartei, forderte die CDU auf, "Nägel mit Köpfen" zu | |
machen. Man brauche einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde. | |
Die Debatte wird auch durch neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit | |
befeuert. Danach erhielten 2010 bereits 22,8 Prozent aller | |
Vollzeitbeschäftigten, rund 4,6 Millionen Menschen, einen Niedriglohn. Es | |
ist ein neuer Höchststand. | |
30 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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