# taz.de -- Umstrittenes Kunst-Video verbannt: Kein Tanz mehr im KZ | |
> Auf Intervention des Centrum Judaicum wird ein Film des polnischen | |
> Künstlers Artur Zmijewski aus der Ausstellung "Tür an Tür" im Gropius-Bau | |
> entfernt - ohne Debatte. | |
Bild: Nackte im Keller: Standbild aus dem umstrittenen Kunstvideo | |
Gerade hat Pawel Althammer in der Deutschen Guggenheim eine große | |
Ausstellung bekommen, in der Akademie der Künste am Pariser Platz werden | |
Arbeiten von Miroslaw Balka gezeigt: Polnische Künstlerinnen und Künstler | |
sind in Berlin präsent wie nie. Doch nun sehen sie sich einem | |
unfreundlichen Akt gegenüber. Ohne Begründung hat der Martin-Gropius-Bau | |
Artur Zmijewskis Film "Berek" aus der Ausstellung "Tür an Tür" entfernt, | |
der großen Kunstschau über das Verhältnis von Deutschen und Polen. | |
Berek, auf Deutsch "Hasch mich", spielt laut Anda Rottenberg die | |
Therapiesituation von Traumatisierten nach. Der 1,32 Minuten lange Film | |
wurde im Keller eines Privathauses und in der Gaskammer eines ehemaligen | |
Nazi-Vernichtungslagers gedreht. Nackte Männer und Frauen spielen darin | |
Fangen. Die bereits 1999 veröffentlichte Arbeit wurde auch in Deutschland | |
mehrfach gezeigt. In Warschau ist sie Teil der Dauerausstellung des Museums | |
für Zeitgenössische Kunst. | |
Anda Rottenberg ist die polnische Kuratorin von "Tür an Tür". Neben | |
zahlreichen Gemälden will sie dem Publikum das Thema "Deutsche und Polen" | |
auch mit zeitgenössischen Arbeiten nahebringen. Gleich zu Beginn der Schau | |
präsentiert sie Miroslaw Balkas Installation "Der heilige Adalbert". Die | |
Figur mit abgehackten Armen ist eine Anspielung auf den heiligen Adalbert, | |
der auf Kreuzzugsmission von heidnischen Pruzzen ermordet wurde. Als | |
Reaktion auf seinen Märtyrertod gründete der römisch-deutsche Kaiser Otto | |
III. in Gnesen das erste polnische Bistum und machte Polens Herzog Boleslaw | |
Chrobry zum König. | |
Auf die Entfernung von "Berek" reagierte Anda Rottenberg mit Unverständnis. | |
"Natürlich habe ich nachgefragt. Es kam eine komische Erklärung, dass ein | |
prominenter Vertreter der jüdischen Gemeinde über das Kunstwerk empört war. | |
Deswegen wurde es entfernt", sagte die international bekannte 67-Jährige | |
Kuratorin dem rbb. | |
Nach Informationen der taz hatte Hermann Simon, der Direktor des Centrum | |
Judaicum, beim Direktor des Martin Gropius-Baus, Gereon Sievernich, | |
protestiert. Bevor das Werk entfernt wurde, hat Sievernich auch Rücksprache | |
mit dem Kooperationspartner, dem Königschloss in Warschau, gehalten, wo die | |
Schau im Anschluss an Berlin zu sehen ist. Verstimmungen zwischen | |
Deutschland und Polen werde es nicht geben, versicherte Almut | |
Loycke-Sievernich, die Frau des Direktors, der taz: "Keiner will in Polen | |
riskieren, dass die eigene Kunst als antisemitisch kritisiert wird." Gereon | |
Sievernich befindet sich gerade in den USA und war für eine Stellungnahme | |
nicht zu erreichen. | |
## Polnische Verwunderung | |
Gegenüber der taz zeigte sich der Direktor des Polnischen Instituts, Tomasz | |
Dabrowski, verwundert, dass Zmijewskis Film entfernt wurde. "Natürlich kann | |
Kunst provozieren, darüber kann man aber eine Debatte führen." Dabrowski | |
spricht deshalb von einer "voreiligen Entscheidung". | |
Vor allem in polnischen Medien ist der Vorfall mit Verständnislosigkeit | |
aufgenommen worden. Die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza spricht von | |
Zensur und erinnert daran, dass die einseitige Entscheidung die | |
deutsch-polnische Zusammenarbeit konterkariere. | |
Aber auch in Berlin dürfte die Entscheidung Folgen haben. Die | |
Berlin-Biennale, Berlins große Schau zeitgenössischer Kunst, wird im | |
nächsten Jahr von ebenjenem Artur Zmijewski kuratiert, dessen Kunst soeben | |
als nicht präsentabel aus dem Verkehr gezogen wurde. Denhart von Harling, | |
der Sprecher der Berlin-Biennale, sprach ebenfalls von "einem Fall der | |
Zensur". | |
Als Kurator wird Artur Zmijewski übrigens das "Jewish Renaissance Movement" | |
nach Berlin holen. Das Projekt der israelisch-niederländischen Künstlerin | |
Yael Bartana fordert die Rückkehr von 3,3 Millionen Jüdinnen und Juden nach | |
Polen, um die fast ausgelöschte jüdische Gemeinschaft wiederherzustellen. | |
30 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Provokunst in der Gaskammer: Das Kalkül des Schocks | |
Der Künstler Zmijewski flog aus der deutsch-polnischen Ausstellung des | |
Berliner Gropius-Baus. Ein PR-Schub für den kommenden Leiter der Berlin | |
Biennale. | |
Eklat bei deutsch-polnischer Kunstschau: Tanzverbot in der Gaskammer | |
Nach Antisemitismusvorwürfen entfernt der Berliner Martin-Gropius-Bau einen | |
Kurzfilm des polnischen Künstlers Zmijewski aus einer laufenden | |
Ausstellung. Polen verzichtet auf Protest. | |
Kommentar Kunst-Zensur: Unbilder einer Ausstellung | |
Der Martin-Gropius-Bau nimmt ein Video aus seiner Polen-Ausstellung. Dabei | |
ist der Vorwurf des Antisemitimus hier unerhört. Es geht um einen Konflikt | |
zwischen Kunst und Politik. |