# taz.de -- Debatte um Alternativen zum EFSF: Marode Staatsanleihen endlos kauf… | |
> Soll die EZB in unbegrenztem Umfang Staatsanleihen kaufen, um die Krise | |
> zu beenden? Die Experten haben dazu unterschiedliche Meinungen. | |
Bild: G.A. Horn, Chef des Instituts für Makroökonomie u. Konjunkturforschung. | |
BERLIN taz | Griechenland, Italien - die Schuldenkrise frisst sich weiter | |
in den Kern der Euro-Zone. Italienische Staatsanleihen verlieren an Wert, | |
und selbst französische Banken sind Spekulationsattacken ausgesetzt. | |
Reicht in dieser Situation die Summe von 1.000 Milliarden Euro noch aus, | |
die Europa gerade mittels des Stabilisierungsfonds EFSF zu mobilisieren | |
versucht? Oder muss die Europäische Zentralbank in Frankfurt ran - mit noch | |
größeren Summen? | |
Für die zweite Lösung plädiert Gustav Adolf Horn, Direktor des | |
gewerkschaftsorientierten Instituts für Makroökonomie. Notfalls solle die | |
EZB "unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen", sagt Horn. | |
Seine Überlegung: Nur wenn eine europäische Institution erkläre, mit | |
grundsätzlich unbeschränkten Summen für die Schuldscheine von Euro-Staaten | |
einzustehen, würde die Spekulationswelle gebrochen. Eine solche Erklärung | |
könne nur die EZB abgeben, so Horn. | |
Horn verweist auf die Möglichkeit der Notenbank EZB, Geld zu schöpfen. | |
Indem sie letztlich Euro-Scheine druckt, kann sie prinzipiell viel größere | |
Summen einsetzen, als Regierungen, die ihre Schulden auch zurückzahlen | |
müssen. Besonders die US-Notenbank Fed praktiziert das, indem sie etwa | |
notleidende Banken und Unternehmen großzügig mit Barem versorgt hat. | |
Kann die EZB aber das tun, was Horn verlangt? Die Aufgabenbeschreibung der | |
Zentralbank ist in ihrer Satzung und den Europäischen Verträgen ziemlich | |
eindeutig festgelegt. Als überragendes Ziel ist dort die "Preisstabilität" | |
des Euro genannt. Das heißt: Die Zentralbank darf nicht mit beliebigen | |
Summen und Garantien hantieren. Die Geldmenge muss in vernünftigem | |
Verhältnis zur Menge der hergestellten Güter stehen, damit nicht durch ein | |
Überangebot von Zahlungsmitteln Inflation einsetzt. | |
## Gesetzwidriges Verfahren | |
Christian Calliess, Europarechtler der Freien Universität Berlin, nennt den | |
Paragrafen 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. | |
Dort heißt es, dass der "unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von | |
Mitgliedsstaaten durch die Europäische Zentralbank verboten" ist. "Die | |
monetäre Haushaltsfinanzierung" durch die EZB sei damit untersagt, betont | |
Calliess. | |
Grundsätzlich gibt es in dieser Sichtweise zwei Rollen, die auf keinen Fall | |
miteinander vermischt werden dürfen. Die Regierungen finanzieren ihre | |
Einnahmen selbst und müssen sich dafür vor ihren Wählern rechtfertigen. Die | |
von der Politik unabhängige Notenbank hingegen stellt sicher, dass der | |
Kreislauf wertstabilen Geldes funktioniert - nicht mehr und nicht weniger. | |
Verstößt die EZB in der Realität nicht aber selbst gegen diese Normen? | |
Schließlich hat sie seit vergangenem Jahr Staatsanleihen Griechenlands, | |
Italiens und anderer Staaten im Wert von rund 180 Milliarden Euro gekauft, | |
um deren Wert zu stabilisieren. | |
Calliess findet das rechtlich und politisch zwar sehr bedenklich, sieht | |
aber auch, dass die Mehrheit seiner Kollegen anderer Meinung ist. Paragraf | |
123 verbietet zwar den "unmittelbaren" Kauf von Staatsanleihen durch die | |
EZB bei einer Regierung, nicht aber den Erwerb der Schuldscheine auf dem | |
Markt. Auf diesem sogenannten Sekundärmarkt aber ist die EZB heute aktiv. | |
So sieht es etwa Jurist Joachim Wieland von der Verwaltungshochschule | |
Speyer. "Heute ist die Grenze des juristisch Möglichen durch die | |
Anleihekäufe der EZB noch nicht überschritten", sagt Wieland. "Wann genau | |
dies der Fall sein würde, ist auch schwer zu definieren. Wenn die EZB aber | |
beispielsweise permanent als größter oder einziger Marktteilnehmer | |
auftreten würde, wäre das durch die Verträge nicht mehr gedeckt." | |
## Begrenzte Marktpflege | |
## | |
Auch Ökonomin Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung unterstützt diese Sichtweise. Gegenwärtig betreibe die | |
Zentralbank begrenzte Marktpflege in einer Notsituation, so Schäfer. Eine | |
unbegrenzte Garantie für Staatsanleihen sei dagegen nicht möglich. "Die EZB | |
ist kein Staatsfinanzierer", sagt Schäfer. | |
Ende der Durchsage? Nicht unbedingt. Natürlich ließe sich die | |
Rechtsgrundlage ändern, auf der die EZB steht. Jurist Wieland fügt hinzu: | |
"Wenn die EZB unbeschränkte Garantien für Staatsanleihen übernehmen sollte, | |
ginge das nur mit Änderung der europäischen Verträge." Darauf allerdings, | |
dass die Bundesregierung so etwas mitmachen würde, deutet gegenwärtig gar | |
nichts hin. | |
8 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Finanzkrise | |
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