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# taz.de -- Niedersachsen darf Schüler wählen: Behinderte sollen nicht stören
> Gesetzentwurf zur Inklusion behinderter Schüler in Niedersachsen erlaubt
> Schulen, Kinder wegzuschicken. Parallelsystem der Förderschulen bleibt
> erhalten.
Bild: Dürfen bleiben - wenn sie nicht stören: Schüler mit Behinderung.
HANNOVER taz | Das Landesparlament in Niedersachsen diskutiert am heutigen
Donnerstag über den Gesetzentwurf zur inklusiven Schule, den die
Regierungsfraktionen von CDU und FDP vor einer Woche vorgelegt haben. Die
gute Nachricht steht in Paragraf 4: Allen behinderten Kindern wird das
Recht auf Besuch einer Regelschule eingeräumt. Der Dämpfer folgt in den
hinteren Paragrafen 59, 61 und im Kleingedruckten. Kinder, die nicht
passen, können weiter an die parallel erhaltenen Förderschulen geschickt
werden.
"Es gibt erst mal völlige Elternwahlfreiheit", sagt der CDU-Politiker
Karl-Heinz Klare. Eltern dürfen entscheiden, ob sie ihr Kind an einer
Förderschule oder Regelschule anmelden. Allerdings gibt es vorher die
Beratung durch ein Lehrer-Gremium, das auch "den besten Förderort" für ihr
Kind empfiehlt.
So heißt es in einem Hintergrund-Papier von CDU und FDP. Näheres werde per
Erlass geregelt. Eltern könnten diesen Rat "nachvollziehen oder auch
nicht", sagt Klare. Der Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und
Wissenschaft (GEW) Eberhard Brandt sieht dies kritisch: "Mit so einem
Steuerungsgremium lässt sich Inklusion verhindern." Der Staat habe dafür zu
sorgen, dass es möglich ist, jedes Kind an einer Regelschule aufzunehmen.
Entscheiden Eltern sich für Inklusion, gibt es weitere Hürden. Laut
Paragraf 59 kann ein Kind an eine andere Schulform überwiesen werden, wenn
es dort besser unterstützt werden kann. CDU und FDP sprechen von
Kindeswohl. Doch "die Ansprüche" anderer Schüler seien zu berücksichtigen.
Stört ein Kind "nachhaltig", kann es auf die Förderschule abgeschult
werden. "Wenn Eltern ein sozial emotional gestörtes Kind ans Gymnasium
geben, ist das zum Teil gefährlich für andere Kinder", sagt Klare. "Das ist
auch anderen Eltern nicht zuzumuten."
"Die Landesregierung hat nichts begriffen vom Inklusionsansatz", sagt die
grüne Schulpolitikerin Ina Korter. Dabei sei der Schulausschuss extra im
Mai 2010 nach Südtirol gereist, um zu sehen, wie man dort ohne
Sonderschulen auskommt. "Die Schule muss sich passend machen für die
Kinder", sagt sie. Sie glaubt, dass der CDU-FDP-Entwurf nie in Kraft treten
wird. "Spätestens nach der Landtagswahl werden wir ein Inklusionsgesetz
durchsetzen, das diesen Namen auch verdient."
Problematisch finden sowohl Grüne als auch SPD, Sozialverbände und GEW,
dass das alte Förderschulsystem erhalten bleibt. Lediglich für den
Förderschwerpunkt "Lernen" soll es keine Grundschulen mehr geben. Für
Kinder mit Sprach- oder Verhaltensauffälligkeiten soll es weiter ab der 1.
Klasse Spezialschulen geben. Diese Doppelstrukturen binden Ressourcen.
CDU und FDP versprechen eine "optimale Förderung". Hat ein Kind
Förderbedarf in den Bereichen Sehen oder Hören, bekommt die Schule drei
Sonderpädagogen-Stunden pro Woche. Doch die meisten der Betroffenen - rund
18.000 Kinder - haben Förderbedarf im Bereich "Lernen".
Für sie gibt es eine "Grundausstattung" von zwei Stunden Sonderpädagogik
pro Klasse. Weil diese Schüler in sozialen Brennpunkten vermutet werden,
gibt es für dortige inklusive Schulen zusätzliche Lehrer. Dieses Prinzip
der "systemischen Förderung" fände er "sehr gut", sagt GEW-Chef Brandt.
Allerdings plane die Regierung hierfür pro Jahrgang nur 40 Stellen
zusätzlich ein. Das sei, sagt Brandt, "ein Witz".
9 Nov 2011
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Inklusion
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