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# taz.de -- Italienische Finanzkrise: Pronto! Pronto! Sparpaket!
> Italien will die geforderten Reformen im Eiltempo bis Samstag
> verabschieden. Was nach Berlusconi kommt, ist noch unklar. Die Rendite
> für Staatsanleihen stieg erstmals über 7 Prozent.
Bild: Jetzt aber schnell: Das italienische Parlament steht unter Druck.
ROM/BERLIN dpa | Unter dem Druck der Finanzmärkte will Italien die
geforderten Reformen deutlich schneller verabschieden. Die Fraktionschefs
von Regierungs- und Oppositionsparteien verständigten sich am Mittwochabend
darauf, das Gesetz und die Reformzusätze schon bis Samstagnachmittag durch
Senat und Abgeordnetenhaus zu bringen. Der Senat begann am Abend bereits
mit den Beratungen.
Staatspräsident Giorgio Napolitano hatte mit Blick auf die alarmierende
Situation an den Finanzmärkten die rasche Verabschiedung des
Stabilitätsgesetzes versichert. Es bestehe zudem kein Zweifel, dass
Ministerpräsident Silvio Berlusconi danach wirklich zurücktreten werde,
sagte Napolitano am Mittwoch. Dann werde man so schnell wie möglich mit
Konsultationen beginnen, um eine Übergangsregierung zu bilden. Sei dies
nicht möglich, gebe es Neuwahlen.
Die Turiner Tageszeitung La Stampa zitierte Berlusconi am Mittwoch mit den
Worten: "Da keine anderen Mehrheiten (im Parlament) möglich sind, sehe ich
nur Neuwahlen Anfang Februar, bei denen ich nicht mehr kandidieren werde."
Er hatte am Vortag seinen Rücktritt angekündigt. Die Abstimmung über den
Rechenschaftsbericht seiner Koalitionsregierung zeigte, dass er keine
Mehrheit mehr im Parlament hat. Vorher wollte Berlusconi aber erst noch das
Reformgesetz durchsetzen.
Die Rücktrittsabsicht sorgte an den Finanzmärkten für keine Entspannung.
Der Euro fiel am Mittwoch in Richtung 1,36 US-Dollar. Die europäischen
Aktienmärkte starteten zwar mit Gewinnen in den Handel, sackten dann aber
rasch mehr als 2,5 Prozent ins Minus. Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen,
wird zudem für Rom immer teurer.
## Kritische Sieben-Prozent-Marke gerissen
Am Mittwoch stieg die Rendite der richtungsweisenden Staatsanleihe mit
zehnjähriger Laufzeit erstmals seit Euro-Einführung über die Marke von
sieben Prozent, in der Spitze bis auf 7,45 Prozent. Die Renditeschwelle von
sieben Prozent gilt an den Finanzmärkten als kritisch: Bei diesem Niveau
mussten die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal gerettet werden.
Ein Automatismus leitet sich daraus freilich nicht ab.
Italien ist nach Griechenland das EU-Mitglied mit der höchsten
Staatsverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung. Inzwischen
überwachen die Europäische Union und der IWF die Sanierung des Landes. Die
Chefin des italienischen Industrieverbandes "Confindustria", Emma
Marcegaglia, drängte zur Eile: "Wir können die Wahrheit nicht mehr
verheimlichen: Das Land steht am Abgrund. Entweder handeln wir jetzt oder
wir enden wie Griechenland."
Berlusconi selbst hat eine klare Vorstellung von einem geeigneten
Nachfolger. "Der Mitte-Rechts-Kandidat wird Angelino Alfano sein, er wird
von allen akzeptiert", so der Regierungschef. Alfano, früher
Justizminister, ist Chef der Berlusconi-Partei PdL (Volk der Freiheit).
## Mario Monti als Übergangschef gehandelt
Ob Alfano, seit langem der Kronprinz des Cavaliere, sich durchsetzt,
entscheiden letztlich die 1,2 Millionen PdL-Mitglieder. Die
Mitte-Rechts-Parteien sind für Neuwahlen, der größte Teil der linken
Opposition will eine Übergangsregierung. Als Chef einer solchen wird der
ehemalige EU-Kommissar Mario Monti gehandelt, den Napolitano am Nachmittag
zum Senator auf Lebenszeit erklärte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einem Gespräch mit der dpa: "Italien
muss seine Sparanstrengungen verstärken – und das weiß auch die
italienische Regierung. Sie hat einen Plan vorgelegt, der jetzt umgesetzt
werden muss." Zur Frage, ob die bisherigen Sparpläne Roms ausreichen, sagte
die Kanzlerin: "Kein Staat kann zurzeit von sich behaupten, er sei am Ende
des Reformweges, wir alle werden immer wieder über Anpassungen nachdenken
müssen. Aber für Italien kann man sagen, dass das Land sich bereits viel
vorgenommen hat."
Merkel verwies auf die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF),
Christine Lagarde, die mangelndes Vertrauen als eigentliche Ursache für
Italiens schweren Stand an den Kreditmärkten ausgemacht hatte. "Dieses
Vertrauen kann wiederhergestellt werden, wenn Italien seine Pläne
glaubwürdig umsetzt", sagte Merkel. "Vertrauen ist in der derzeitigen
Situation eine rare Münze, wir brauchen mehr davon. Wir wissen seid Ludwig
Erhard: Ökonomie ist zur Hälfte Psychologie"
10 Nov 2011
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