# taz.de -- Homophobie in Polen: "Schwuchtelverbot" ist rechtens | |
> Ein Bezirksgericht in Polen erlaubt einer faschistoiden Gruppe die | |
> Benutzung homophober Symbole. Die Organisation feiert die Entscheidung | |
> als "Endsieg". | |
Bild: Homo-Parade 2010 in Warschau. Vor allem auch bei solchen Anlässen zeigt … | |
WARSCHAU taz | Ein "Schwuchtelverbot" ist demnächst offizielles Symbol der | |
faschistoiden Organisation der Nationalen Wiedergeburt Polens (NOP). Das | |
entschied das Bezirksgericht in Warschau. Außerdem dürfen die | |
Rechtsradikalen wie bisher die Falanga (Hand und Schwert) zeigen, das | |
Symbol einer polnischen faschistischen Organisation, die bereits vor dem | |
Zweiten Weltkrieg in Polen ihr Unwesen trieb. | |
Das Gericht legalisierte außerdem das Keltenkreuz , das weltweit verwendete | |
Symbol für die "Vormachtstellung der weißen Rasse", den Kronen-Adler mit | |
Rutenbündeln und Beil - ein in Polen verbreitetes faschistisches Symbol - | |
sowie das Symbol "Kreuz und Schwert". | |
Fassungslos auf diesen Richterspruch reagierten insbesondere | |
Homosexuellen-Organisationen. Das "Schwuchtelverbot", wie das Piktogramm | |
ganz offiziell genannt wird, zeigt einen stilisierten Sexualakt zweier | |
Männer, der mit einem roten Balken quer durchgestrichen ist - so wie bei | |
einem Halteverbotsschild. | |
Seit Jahren klagen Polens Lesben und Schwule immer wieder vor Gericht gegen | |
diskriminierende Beleidigungen. Ohne Erfolg. Auch Juden, die gegen | |
Fußballverbände klagen, weil diese es zulassen, dass Hooligans minutenlang | |
"Juden ins Gas! grölen, müssen sich meist mit dem Richterspruch abspeisen | |
lassen: "Das ist gesellschaftlich nur von geringem Schaden." | |
## "neonazistische Intoleranz" | |
Dass die homophoben und faschistoiden Symbole, die von der Uefa für die | |
Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine als rassistisch | |
gebrandmarkt wurden, von einem polnischen Gericht anerkannt wurden, rief | |
auch konservative Mitglieder der Regierungspartei auf den Plan. Grzegorz | |
Schetyna, Vizechef der Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald | |
Tusk, sagte dem polnischen Sender Radio Zet: "Der Richter ist offenbar | |
seinen Aufgaben nicht gewachsen. Diese Art von Symbolen sind inakzeptabel." | |
Robert Biedron kämpft seit Jahren für die Rechte der Schwulen und Lesben in | |
Polen. Seit einem Monat ist er Abgeordneter der antiklerikalen | |
Oppositionspartei "Palikot-Bewegung". Er forderte den gerade erst | |
vereidigten Justizminister Jaroslaw Gowin auf, gegen diese Entscheidung des | |
Gerichts vorzugehen: "Diese Symbole nehmen direkten Bezug auf die Tradition | |
faschistischer, neonazistischer und fremdenfeindlicher Intoleranz." | |
Die Grenzen der Toleranz gegenüber dem Faschismus seien erneut | |
überschritten worden. Der Staat schaue zu. "Mit der Majestät des Staates, | |
der Republik Polen, wurden nun neofaschistische, xenophobe und rassistische | |
Zeichen offiziell registriert. Der Staat anerkennt dadurch nicht nur diese | |
Symbole, er adelt ihr öffentliches Zeigen." | |
Das Gericht hatte sich die Aufgabe nicht leicht gemacht und dreimal das | |
Verfassungsgericht um Hilfe gebeten. Dessen Richter aber fanden die | |
Anfragen, ob es sich bei den Symbolen um staatsfeindliche Zeichen handle, | |
nicht ausreichend begründet. Sie schickten die Anfragen unbeantwortet | |
zurück und klärten nicht einmal, ob sie für solche Probleme zuständig sind. | |
Die rechtsradikale Partei NOP triumphiert auf ihrer Website. Man werde ab | |
sofort jede Verunglimpfung ihrer offiziell bestätigen Symbole vor Gericht | |
bringen. Nach zwei Jahren harten Kampfes um das "Schwuchtelverbot" und das | |
"Keltenkreuz" habe man einen "Endsieg" vor Gericht errungen. | |
24 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
## TAGS | |
Homophobie | |
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