# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Gruppenkopf im Topf | |
> Droht den Deutschen bei der Fußball-EM die Hammergruppe, gar die | |
> Todesgruppe? Ach, was. Das ist alles nur Gerede. Die taz entlarvt den | |
> "Topf-1-Mythos". | |
"DFB-Elf droht Hammergruppe", schrieb die Frankfurter Rundschau mit Blick | |
auf die Auslosung zur Fußball-EM 2012 (Freitag, 18 Uhr, ARD). "Todesgruppe" | |
setzte das Hamburger Abendblatt obendrauf und zdf.de erklärt es ganz genau: | |
"Weil das DFB-Team kein Gruppenkopf ist, droht die Hammergruppe mit | |
Spanien, Portugal und Frankreich." In zahllosen Medien wird seit Ende der | |
EM-Qualifikation eine Scheinrechnung verbreitet: Monstergigagruppe weil | |
kein Gruppenkopf. | |
Gemein! Wie kann das sein? Gewinnen wir nicht gerade alle Spiele? Haben wir | |
nicht 30 Punkte in der Qualifikation gemacht? Und Holland 3:0 geputzt? Und | |
dafür steht uns nun die Mörderhammerhitlergruppe bevor? Zeit für ein wenig | |
Arithmetik. | |
Fangen wir von vorne an: Vier Lostöpfe gibt es, mit je vier Teams, aus | |
denen die vier Gruppen gezogen werden. In Topf 1 sind die Gastgeber und der | |
Titelverteidiger gesetzt. Für alle weiteren Lostopfplätze wurde der | |
"National team coefficient" der Uefa herangezogen, in den die Ergebnisse | |
der EM 2008 (inklusive Qualifikation, zu 40 Prozent), der WM 2010 | |
(inklusive Qualifikation, zu 20 Prozent) und der EM-Quali 2012 (zu 40 | |
Prozent) einflossen: Wer hier am besten abschneidet, kriegt den freien | |
Platz in Topf 1, die nächsten vier bilden Topf 2, und so weiter. | |
Beim Teamkoeffizienten führt nun Holland, dass eben auch eine sehr gute | |
Qualifikation gespielt hat (9 Siege, 1 Niederlage), hauchzart vor | |
Deutschland, und genau das ist auch der Grund, warum Löws Team in Topf 2 | |
gerutscht ist. Es war nunmal nur ein einziger Platz in Topf 1 übrig. Das | |
kann passieren. | |
Was aber, wenn Deutschland nun an Hollands Stelle in Topf 1 gelandet wäre? | |
Tja: Das hätte es gar nicht einfacher gemacht. Im Gegenteil, denn man | |
trifft ja eben nicht auf die Teams aus seinem eigenen Topf. Und das sind in | |
Topf 1, neben den natürlich wirklich starken Spaniern, die Ukraine und | |
Polen, die in der Koeffizientenliste auf den hintersten Plätzen stehen. In | |
Topf 2 warten hingegen noch Italien, England und Russland. | |
Würde man Deutschland und Holland nun tauschen, wäre die Chance auf die | |
viel zitierten Portugiesen (aus Topf 3) und Franzosen (aus Topf 4) | |
logischerweise genauso hoch wie vorher. Doch anstatt eine | |
Fifty-fifty-Chance auf eines der eher leicht zu spielenden Gastgeberteams | |
zu haben, würde man aus Topf 2 eine garantierte Spitzenmannschaft zugelost | |
bekommen. | |
Das war 2008 übrigens noch krasser: Da waren die Gastgeber Schweiz und | |
Österreich und als Titelverteidiger mit Griechenland ein weiterer | |
Außenseiter gesetzt. Die Holländer, die auch damals den besten | |
Koeffizienten hatten, waren der Ausreißer im ansonsten schwächsten Topf 1 – | |
und erwischten auch prompt die härteste Turniergruppe, mit Italien, | |
Frankreich und Rumänien. | |
Soviel zum Topf-1-Mythos. Und wie ist das mit der Hammergruppe an sich? Bei | |
drei Töpfen mit je vier Teams gibt es für die Deutschen 4 mal 4 mal 4 = 64 | |
verschiedene Auslosungsmöglichkeiten. Folgen wir jetzt einfach mal der | |
gängigen Sichtweise, dass Holland, Spanien, Portugal und Frankreich | |
tatsächlich Topteams sind; dann ist es in genau 2 von diesen 64 Fällen | |
möglich, dass Deutschland die Todesgruppe mit drei Spitzenmannschaften | |
erwischt. | |
In weiteren 14 Fällen zieht man zwei der Topteams. Dass Deutschland | |
hingegen gar keinen großen Namen erwischt, ist in 18 der 64 Varianten | |
denkbar, also insgesamt wahrscheinlicher als zwei oder drei Topteams zu | |
bekommen. Am allerwahrscheinlichsten (46,9 Prozent) wäre allerdings genau | |
ein Topteam. Eine Gruppe mit Holland, Griechenland und Irland etwa. | |
Und wenn das passiert, werden alle Zeitungen wieder vom "traditionellen | |
Losglück" der Deutschen schreiben. Obwohl es eigentlich bloß | |
Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. | |
1 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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