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# taz.de -- Erste Migrantin im SPD-Vorstand: Die Bedächtige
> Die Hamburgerin Aydan Özoguz rückt jetzt in die Führungsspitze der SPD
> auf. Dort muss sie helfen, das Vertrauen der Migranten in ihre Partei
> zurückzugewinnen.
Bild: Sigmar Gabriel will die Partei für Migranten attraktiver machen - Aydan …
Die rechte Mordserie hat auch Aydan Özoguz "ein Stück fassungslos" gemacht.
Nicht nur Einwanderer seien von deren Taten betroffen, sondern die ganze
Gesellschaft, erklärte die SPD-Politikerin jüngst in einem Radiointerview.
Dort forderte sie auch eine "demokratische Front aller Menschen gegen
Rechtsextremismus". Was man halt so sagt, wenn man als Politiker seine
Betroffenheit ausdrücken will, ohne sich dabei allzu weit aus dem Fenster
zu lehnen.
Bedächtige Formulierungen sind typisch für Aydan Özoguz. Ist man ihr
freundlich gesinnt, kann man das der sympathischen Hamburgerin als
hanseatische Zurückhaltung auslegen. Seit 2009 sitzt sie für die SPD im
Bundestag, seit März 2010 ist sie Integrationsbeauftragte der SPD-Fraktion.
Ist man ihr weniger freundlich gesinnt, muss man sagen, dass sie in diesem
Amt bisher nicht gerade für Schlagzeilen gesorgt hat.
Trotzdem rückt Özoguz nun in die Spitze ihrer Partei auf. Weil Sigmar
Gabriel will, dass die SPD für Einwanderer wieder attraktiver wird, hat er
seiner Partei jüngst eine Migrantenquote verordnet. Am Wochenende soll
Aydan Özoguz deshalb in den Kreis seiner Stellvertreter aufsteigen. Da aber
weder Hannelore Kraft, Olaf Scholz, Manuela Schwesig noch Klaus Wowereit
dieses Amt räumen wollte, wird für die Quotenmigrantin nun eigens ein
neuer, fünfter Vizechefposten eingerichtet.
## Schönheitsfehler in der Vorzeigevita
"Ich bin keine Verfechterin von Quoten", sagt Aydan Özoguz in ihrem
schmucklosen Berliner Abgeordnetenbüro. "Aber als symbolischer Schritt sind
sie wichtig." Die 44-Jährige weiß um ihren Vorbildcharakter. "Als ich in
die Hamburgische Bürgerschaft einzog, stand ich als einzige Abgeordnete mit
Migrationshintergrund allein auf weiter Flur", erinnerte sie sich an ihre
politischen Anfänge. "Als ich ging, kamen fünf andere nach."
Der Hamburger SPD-Chef Olaf Scholz holte Aydan Özoguz im Jahr 2001 in die
Politik. Bis dahin hatte die Tochter türkischer Kaufleute, die - schon vor
dem Anwerbeabkommen mit der Türkei - 1961 nach Hamburg übergesiedelt waren,
als Projektleiterin bei der renommierten Körber-Stiftung gearbeitet. Im
Parlament der Hansestadt lernte Özoguz ihren Fraktionskollegen Michael
Neumann kennen, gemeinsam haben sie heute eine achtjährige Tochter. Die
Politikerehe sorgte an der Alster für Aufsehen, dort genießen die beiden
geradezu Prominentenstatus. Und wäre ihr Ehemann nicht in Hamburg zum
Innensenator ernannt worden, wäre auch sie dort schon für einen
Spitzenposten in Frage gekommen.
Den einzigen Schönheitsfehler in ihrer Vorzeigevita stellen ihre beiden
Brüder dar. Denn die beiden Ingenieure Yavuz und Gürhan Özoguz gingen einen
ganz anderen Weg als ihre jüngere Schwester: Sie konvertierten zum
schiitischen Islam, bewundern Ajatollah Chomeini und betreiben eine
islamistische Webseite, die bis 2006 sogar vom Verfassungsschutz beobachtet
wurde. "Ich habe sie nie verleugnet, nie verheimlicht", sagt Aydan Özoguz
über ihre Brüder, deren Weltsicht sie nicht teilt, und wendet sich
ansonsten strikt gegen jede "Sippenhaft".
## Blitzkarriere in der Bundes-SPD
Aydan Özoguz steht für eine nüchterne, pragmatische Sachpolitik, aus der
Integrationsdebatte möchte sie gerne die "Emotionen herausnehmen".
Schlagworte wie "Integration", "Multikulti" oder "Migrationshintergrund"
sieht sie kritisch. Thilo Sarrazins "menschenverachtende Ansichten" findet
sie "unerträglich". Über den Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln,
Heinz Buschkowsky, sagt sie dagegen: "Er poltert gerne, aber er löst eben
auch Probleme."
Nun hat Aydan Özoguz die Chance, die beiden in den Schatten zu stellen. Die
Herausforderung, die mit ihrer Blitzkarriere in der Bundes-SPD verbunden
ist, ist groß. Sie muss nicht nur versuchen, das Vertrauen vieler
Einwanderer für die SPD zurückzugewinnen, das diese durch Thilo Sarrazin
verloren hat. Sie muss überhaupt wieder um deren Vertrauen in den deutschen
Staat werben, das durch die Versäumnisse der Behörden angesichts der
rechtsextremen Mordserie erschüttert wurde.
"Von den Medien wird man meistens erst beachtet, wenn man eine hohe
Position innehat", konnte Aydan Özoguz bislang zu ihrer Verteidigung ins
Feld führen, wenn man ihr mangelnde Medienpräsenz in der
Integrationsdebatte vorwarf. Die hohe Position hat sie jetzt. Nun muss sie
auch klare Kante zeigen.
2 Dec 2011
## AUTOREN
Daniel Bax
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