# taz.de -- Akquise: "Es gab gewisse Einsicht" | |
> In den 80ern war Werbung verpönt, später stiegen die Leser wegen | |
> Atom-Anzeigen auf die Barrikaden. Ein Gespräch mit dem Leiter der | |
> Hamburger taz-Anzeigenabteilung über die Tücken des Geschäfts. | |
Bild: Bauchschmerzen wegen Werbekunden? Nur ganz selten bei Manfred Frenz. | |
taz: War die taz der Ort, an dem Du dringend arbeiten wolltest? | |
Manfred Frenz: Ich habe zwar schon den Vorläufer der taz, den | |
Informationsdienst für unterbliebene Nachrichten, gelesen. Aber geplant war | |
das nicht. | |
Sondern? | |
Ich war einer der Wenigen zu der Zeit, die von Buchhaltung ein bisschen | |
Ahnung hatten. Ich habe Speditionskaufmann gelernt und nach der Lehre noch | |
zwei Jahre in der Buchhaltung gearbeitet. So etwas war in linken Kreisen | |
damals ja nicht unbedingt üblich. Die meisten waren eher Sozialpädagogen | |
oder sonst im sozialen Bereich unterwegs. Ich bin über einen Bekannten, der | |
in der taz-Ini war, dort hineingerutscht. Eingestellt hat mich das Plenum. | |
Habt Ihr die Anzeigenabteilung dann sozusagen über Versuch und Irrtum | |
aufgebaut? | |
Man muss sich vorstellen, dass ich für die Buchhaltung eingestellt wurde | |
und dann hieß es: "Oh, wir brauchen ja eigentlich auch eine | |
Anzeigenabteilung. Kannst Du die nebenbei mit aufbauen?" Und dann war es | |
Learning by Doing. Man musste eine Preisliste erstellen und mit der | |
Redaktion die Plätze festlegen, auf denen Anzeigen erscheinen durften. Es | |
war ja in linken Zeitungen nicht so üblich, dass man Werbung hatte. Man | |
musste darum kämpfen, dass sie erschien und die Redaktion nicht sagte: Da | |
haben wir keinen Platz für, das macht uns die Artikel kaputt. | |
Kam das vor? | |
Es gab schon eine gewisse Einsicht, dass die Anzeigen erscheinen sollen, | |
aber der Kampf ging darum, auf welcher Seite sie platziert wurden. | |
Kamen zuerst Kleinanzeigen? | |
Gar nicht mal. Der Hunger nach einer neuen Zeitung in Hamburg war groß und | |
wir hatten in den ersten Wochen sogar die Elektronik-Kette Schaulandt im | |
Blatt, die später von Hertie übernommen wurde. Die hatten erst einen | |
Jahresauftrag gemacht und dann nach ein paar Wochen doch storniert, weil | |
sie sich eine andere Zeitung vorgestellt hatten als die taz es letztendlich | |
war. Wir hatten linke Buchläden als Kunden, Handwerkerkollektive, andere | |
Druckereien, es war schon eine breite Palette. Natürlich auch | |
Kleinanzeigen. | |
Für die Artikel bekommt die Redaktion immer mal wieder kritische | |
LeserInnenbriefe. Sind die Leser auch mit den Anzeigen kritisch? | |
Früher war es so, dass sich viele Leser so mit der Zeitung identifizierten, | |
dass sie den Anspruch hatten, wir müssten eine Qualitätskontrolle der | |
Anzeigen gewährleisten, nach dem Motto: Wenn es in der taz steht, ist es | |
gut. Und wenn es etwas Böses ist, ist die taz dran schuld. Das ist | |
heutzutage noch so, wenn wir eine Vattenfall-Anzeige oder Ähnliches haben. | |
Dann gilt nicht das Geschriebene in der taz, sondern dann sind wir die | |
Bösewichter, die die Logik von Vattenfall verbreiten. | |
Hast Du Bauchschmerzen, wenn Du die Vattenfall-Anzeigen annimmst? | |
Nein, weil sie nicht gegen unsere Grundsätze verstoßen und ich davon | |
überzeugt bin, dass unsere Leser mündig genug sind, selber zu entscheiden, | |
ob sie diese Produkte konsumieren. | |
Was sind die Grundsätze? | |
Keine rassistischen, menschenverachtenden, kriegsverherrlichenden oder | |
sexistischen Anzeigen. | |
Wäre in den Anfangsjahren eine Vattenfall-Anzeige denkbar gewesen? | |
Die Kollegen in Berlin waren diejenigen, die die ersten Kämpfe mit | |
Leserreaktionen wegen Anzeigen pro Atomkraft ausfechten mussten. | |
Aber die Leser sind unfroh, wenn Vattenfall in der taz wirbt. | |
Natürlich sind sie unfroh. Du weißt doch, in Deutschland ist der Verräter | |
in den eigenen Reihen immer der Schlimmste. Und so wird das empfunden. | |
Gab es in der Vergangenheit Anzeigen, die ihr abgelehnt habt? | |
Das gab es immer wieder: Grenzwertige Motive, Sex-Anzeigen oder obskure | |
Kreditanbieter mit Wucherzinsen. | |
Ist es besonders schwierig, für die taz Anzeigenkunden zu gewinnen? | |
Es ist schon eine große Herausforderung, weil die taz immer noch bei vielen | |
Entscheidern das Image einer Krawallzeitung hat. Für Leute, die die taz das | |
letzte Mal in den 80ern gelesen haben, sind wir nach wie vor die | |
Hausbesetzer- und Blockadezeitung. | |
Was sind Deine drei besten Argumente für eine taz-Anzeige? | |
Dass die taz, so wie die Stadt auch, nicht mehr aussieht wie in den 80er | |
Jahren. Dass es in unserer Leserschaft viele Exklusiv-Leser gibt, die | |
vielleicht noch ein örtliches Wochenblatt lesen, aber als Tageszeitung nur | |
die taz. Und dass die taz hamburg über die Stadtgrenzen hinaus zahlreiche | |
Pendler erreicht. | |
Gab es eine Anzeige, von der Du dachtest, hätten wir die mal lieber nicht | |
gedruckt? | |
Es gab eine von einer Detektei, mit der ich Bauchschmerzen hatte. Die hat | |
auch hinterher gesagt, die Resonanz war sehr gering. Wir sind nicht | |
besonders reich daran geworden. | |
Weshalb die Bauchschmerzen? | |
Woanders würde es mir wahrscheinlich gar nicht auffallen. Aber in der taz | |
ist so etwas schon überraschend. Es gibt Bereiche, die wir nicht aktiv | |
akquirieren und da gehören Detekteien dazu. | |
5 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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Nachruf | |
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