# taz.de -- Serbien und EU: Merkel wird zu neuem Feindbild | |
> Am Freitag wird auf dem Gipfel in Brüssel über Serbiens Kandidatenstatus | |
> entschieden. Berlin blockiert. Das weckt bei den Serben alte | |
> Ressentiments. | |
Bild: Bangt um den EU-Kandidatenstatus Serbiens: Staatpräsident Boris Tadic. | |
BELGRAD taz | Seit Tagen ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf | |
den Titelseiten serbischer Tageszeitungen zu sehen. Nicht etwa wegen ihrer | |
zentralen Rolle in der Eurokrise, sondern weil sie am Freitag vor einer | |
Woche in einer Regierungserklärung gesagt hatte: Serbien sei wegen seiner | |
Kosovopolitik "nicht reif für den EU-Kandidatenstatus". | |
Das war eine Ohrfeige für Serbiens Staatschef Boris Tadic, der als Chef der | |
"Demokratischen Partei" (DS) die Fäden in der proeuropäischen Regierung | |
zieht. Tadic hatte angesichts der serbischen Parlamentswahlen im Früjahr | |
2012 damit gerechnet, dass Serbien beim EU-Gipfel am 9. Dezember wenigstens | |
der Kandidatenstaus zugesagt werden würde. | |
Die EU-Kommission hatte sich positiv dazu geäußert, das UNO-Tribunal für | |
Kriegsverbrechen Serbien nach der Auslieferung des mutmaßlichen | |
Kriegsverbrechers Ratko Mladic gelobt. Der Kandidatenstaus schien sicher zu | |
sein, an Serbiens Politik der "Nichtanerkennung des Kosovo" sollte es nicht | |
scheitern. | |
Doch dann stellte sich Berlin quer. Deutschland - Serbiens Freund oder | |
Feind? Historischer Revanchismus am Werk? Warum wollen die Deutschen die | |
Serben nicht in der EU haben? | |
Mit diesen Fragen beschäftigen sich alle relevanten serbischen poltischen | |
TV-Talkshows. Man erinnerte daran, dass die deutsche Luftwaffe zum ersten | |
Mal nach dem Zweiten Weltkrieg während der Luftangriffe der Nato auf | |
Serbien 1999 eingesetzt wurde. Dass Deutschland schuld am Zerfall des | |
ehemaligen Jugoslawien sei und auch als einer der ersten Staaten das Kosovo | |
anerkannt hatte. Deutschland blockiert, Österreich zögert. Alle anderen | |
EU-Staaten befürworten den serbischen Kandidatenstatus, heißt es in | |
Belgrad. | |
Das längst verblasste Bild des "bösen Deutschen" aus dem vergangenen | |
Jahrhundert gewinnt wieder an Farbe. Und das trotz moderater Stimmen, die | |
entgegneten, dass Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner Serbiens | |
sei und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 2010 über | |
100 Millionen Euro für Entwicklungsarbeit in Serbien zugesagt habe. Dass | |
Deutschland der größte Geber in Serbien und Tiraden über die "deutsche | |
historische Rache" schlicht totaler Schwachsinn seien. | |
Noch bei ihrem Belgradbesuch im August hatte Merkel erklärt, Serbien müsse | |
die Parallelstrukturen in dem mehrheitlich von Serben bewohnten Nordkosovo | |
auflösen und die Kosovopolitik deutlich lockern. In Belgrad nahm man das | |
anscheinend nicht ernst genug. | |
Serben hatten im Nordkosovo über ein Dutzend Barrikaden errichtet, als | |
albanische Zöllner, unterstützt von der Kfor undEU-Mission Eulex zwei | |
Grenzposten im Norden besetzten. Seit Monaten gibt es immer wieder Krawalle | |
und Verletzte. Serbiens Regierung unterstützte zuerst die Barrikaden, rief | |
jedoch die lokalen Serben in der vergangenen Woche auf sie zu räumen, um | |
die Kanzlerin milde zu stimmen. Etwas zu spät war in Belgrader | |
Diplomatenkreisen zu hören. | |
8 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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