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# taz.de -- Graffiti-DVD von "1UP": Wie zum Teufel haben die es geschafft?
> Durch Flüsse gewatet, Gullydeckel gehoben und Schlösser geknackt: Die
> Berliner Graffiti-Crew "One United Power" filmte sich bei ihrer
> weltumspannenden Wandkunst.
Bild: Danke für's Verzieren! Sprayaktion in Mumbai.
BERLIN taz | Man filmt sich heutzutage bei allem Möglichen, vielleicht
sogar mal bei etwas Verbotenem. Aber sich bei kriminellen Handlungen zu
filmen und das Ergebnis als Doppel-DVD "Collector's Edition" rauszubringen,
das ist schon dreist.
"Die Idee war zuerst, einen Graffiti-Film zu machen, der unsere Crew
porträtiert. Über die Jahre ist es ausgeartet. Wir sind um die Welt
gereist, haben Schlösser geknackt, Gullydeckel gehoben, Flüsse durchquert
und so manches mehr. Es wird sich angeschlichen, die Notbremse gezogen und
in Rekordgeschwindigkeit weggerannt." Im Film sieht man, wie bei vollem
Betrieb ein Zug im S-Bahnhof Yorckstraße gestoppt und innerhalb weniger
Minuten besprüht wird.
Jeder, der in Berlin auf Graffiti achtet und schon einmal nach oben
geschaut hat, dürfte diesen Namen kennen: 1UP. Die Graffiti-Crew aus
Kreuzberg hat seit 2003 ihren einfach zu lesenden Schriftzug an den
exponiertesten Stellen in der Stadt hinterlassen. "Zum einen steht der Name
1UP dafür, immer noch einen draufzusetzen. One United Power bedeutet, dass
wir alle an einem Strang ziehen und keiner seinen Einzelnamen daneben
schreibt."
Der Film kommt als Doppel-DVD mit eigenem Soundtrack heraus, mit animierten
Zwischensequenzen, Bonustracks und Filmplakaten auf den Straßen. Ist er
deshalb anders als die bisherigen Graffiti-Filme, die meist nur um Posen
und Egotrips kreisten?
"Wichtig ist, dass er erklärt, was das alles soll. Die Leute sehen sonst
immer nur das Ergebnis, das Bild auf der Straße. Aber jetzt kriegen sie
auch die Aktion dahinter zu sehen. Es geht beim Graffiti nicht nur darum,
wie das Bild aussieht, aus gestalterischer Sicht, sondern auch um die
Geschichte hinter dem Bild. Man lernt die Stadt ganz anders kennen, von der
Atmosphäre der U-Bahn-Schächte bis zu skurrilen Begegnungen auf Dächern."
## Schon rund um die Welt gesprüht
In der Tat wird in den viereinhalb Stunden Film an allen erdenklichen Orten
gesprüht, gestrichen, gerollert oder getaggt. Man kann sehen, wie man mit
zwei Händen gleichzeitig sprüht oder sich aus Bambusrohr eine
Teleskopstange baut. Aber noch mal: Ist es deshalb mehr als die übliche
Poser-Selbstdarstellung im Graffiti?
Auf das gesamte Filmmaterial gesehen sind es nur ein paar Sequenzen.
Meistens sieht man wunderschöne Stadtansichten oder Lichteffekte der
aufgehenden Sonne. Aber auch in "One United Power" gibt es chauvinistische
Szenen. Darauf angesprochen sagt ein weibliches Mitglied der Crew: "Wir
wollen klarstellen, dass Mädels bei unserer Crew dabei sind, die das auch
können und genauso Action machen. Das Wichtigste bleibt Freundschaft,
Reisen und der Spaß am Malen."
Tatsächlich hebt sich der Film damit von den meisten Graffiti-Filmen ab und
bleibt trotzdem ein "dreckiger" Undergroundfilm – Imageberatung oder
Verkaufsvorgaben gab es keine. Und trotzdem existieren höhere Ziele, als
auf der Straße Frauenhintern abzufilmen: "1UP war für mich immer
Aktionskunst – man macht einen Bankraub, nur um zu zeigen, dass man es
kann. Es geht um die Frage: Wie zum Teufel haben die das geschafft? Das ist
so ein Robin-Hood-Gefühl." Die Graffiti-Crew gibt sich betont gewaltfrei,
manchmal politisch und vor allem konsumkritisch.
"Im Film wurden alle großflächigen Markenzeichen, die nicht 1UP sind,
verfremdet. Bei der Aktion am Hermannplatz sieht man jetzt im Hintergrund
Kakstadt statt Karstadt."
## Geschenk für die einen, Verbrechen für andere
Auf der zweiten DVD gibt es Liveaufnahmen der Crew aus der ganzen Welt, von
Kuba über Istanbul bis Bangkok. Dort erhalten die Graffitisprüher durchaus
unterschiedliche Reaktionen: "In Berlin muss man mit zwanzig Leuten
vermummt durch die Gegend rennen, während sich in Thailand, Indien oder
Kuba die Leute freuen und es gar nicht glauben können, dass da tatsächlich
'reiche' weiße Leute ankommen und denen freiwillig Bilder an die Wände
malen. Für die einen ist es ein Geschenk und für die anderen ein
Verbrechen."
Einen offiziellen Vertrieb wird es für den Film nicht geben. Wegen
juristischer Probleme, die Graffiti-Filme in der jüngeren Vergangenheit
hatten, ist der Film nur in Graffiti-Shops und einigen Videotheken
erhältlich. Über die im Frühjahr erschienene Dokumentation "Unlike U" wird
derzeit vor Gericht verhandelt.
Die Berliner Verkehrsbetriebe wollen mit einer einstweiligen Verfügung
erreichen, dass sie an den Gewinnen aus dem Film beteiligt werden. Die
Filmemacher haben ihn deshalb [1][vor einer Woche ins Netz] gestellt.
Mehr Fotos von "1UP"-Graffitis finden Sie im [2][Streetart-Blog auf
taz.de]. Die Premiere der DVD findet am Samstag, den 10.12. im Berliner
Kino Babylon-Mitte statt.
9 Dec 2011
## LINKS
[1] http://www.unlike-u.com/
[2] http://blogs.taz.de/streetart/2011/12/09/1up-exklusiv/
## AUTOREN
C. Eickhoff
R. Wolf
## TAGS
Graffiti
Graffiti
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