Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Edler Ritter von unglücklicher Gestalt
> Sein Eifer hat DFB-Chef Theo Zwanziger oft mies aussehen lassen. Dabei
> hat er viel Positives bewirkt. Durch seinen Abgang entsteht ein
> verbandspolitisches Vakuum.
Bild: John Amaechi wurde im Oktober 2011 von Prinz Charles die "Officer of the …
Eines ist jetzt schon mal klar: So gut wie jetzt wird der DFB lange nicht
mehr aussehen. Denn wenn Theo Zwanziger erst mal weg ist, dann entsteht
nicht nur ein Vakuum verbandspolitischer Art – der größte Einzelverband der
Welt verliert einen Mann, der im schmalen Feld von Populismus und
Engagement trotz etlicher Fehltritte erstaunliche Wirkung hinterlassen
konnte.
Sicher, jetzt könnte man anfügen, dass er etwas unorthodoxe
Berührungsschwierigkeiten mit dem neuen Medium Internet hatte und sich über
die tatsächliche Wirkung von Bloggern zum damaligen Zeitpunkt nicht im
Klaren war, als er gegen einen im virtuellen Netz aktiven Sportjournalisten
juristisch zu Felde zog und verlor; auch könnte man meinen, das er sich in
Sachen mutmaßlicher sexueller Nötigung unter Schiedsrichtern falsch
verhielt und sich damit unmöglich machte.
Das alles ist ja gar nicht falsch, es ist sogar sehr richtig. Doch von
einem kann man ausgehen: Wann immer Theo Zwanziger, den selbst seine Gegner
ehrfurchtsvoll T20 nennen, ausrollte, um in den Kampf zu ziehen, tat er
dies in der Überzeugung, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen.
So war es im Fall Amerell, wo er sich auf die Seite der vermeintlichen
Opfer schlug und seinen Rechtsverstand, über den der gelernte Jurist aus
Altendiez verfügt, in manchen Momenten nicht nutzte. Sein Rücktritt lässt
schlichte Anwürfe wie Machtgeilheit ins Leere laufen lassen: Es war eben
doch keine Koketterie, als Theo Zwanziger schon im vergangenen Jahr
erklärte, nicht mehr zu wollen.
Wenn er glaubte, dass eine Sache richtig ist, dann ließ er das Recht Recht
sein – und folgte gewissermassen einer höheren Eingebung. So war es auch
zuletzt, als er glaubte, nach dem Suizidversuch des Schiedsrichters Babak
Rafati der Öffentlichkeit eine Erklärung geben zu müssen, was er nicht
konnte, denn er verfügte über keine Fakten. Es ist ein interessantes
Gedankenexperiment, sich vorzustellen, wie sich jemand wie Wolfgang
Niersbach, sein designierter Nachfolger, da verhalten hätte.
Es war auch sicher nicht nötig, sich gegenüber Sepp Blatter dankbar zu
zeigen. Deutlich besser wäre Zwanziger damit gefahren, seine Maßstäbe auch
gegenüber dem Herrn aus dem Wallis anzumahnen.
## Weltoffener war der DFB nie
Nun gut. Der Eifer ließ Zwanziger in manchen Fettnapf treten – doch quasi
im Alleingang verwandelte er auch den DFB in eine halbwegs weltoffene
Institution. Er war entschieden gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen
Antisemitismus, ja, er war sogar sehr für den Frauenfußball. Und er war in
all seinem Dagegen- und Dafüsein sehr erfolgreich. Wo in aller Welt würde
Mesut Özil heute spielen, wenn der DFB-Chef ein anderer gewesen wäre? Das
Werben des DFB um die Zugezogenen ist das wesentliche Verdienst Zwanzigers.
Unter seiner Ägide intensivierte sich der Austausch mit dem israelischen
Fußballverband, der DFB vergab Integrationspreise. Sein Vorgänger
bedauerte, dass "die Blonden über die Alpen" zogen. Und auch sein
Nachfolger war um klare Worte nicht verlegen: 1994 wollten Deutschland und
England in Berlin ein Länderspiel austragen, doch der Termin fiel aus, weil
man Ausschreitungen von Neonazis befürchtet – denn das Spiel sollte an
Hitlers Geburtstag stattfinden.
Wolfgang Niersbach verstand die Kritik nicht und erklärte sie damit, dass
"80 Prozent der amerikanischen Presse" in "jüdischer Hand" seien – da würde
eben genau hingeschaut, was in Deutschland so los ist. War vermutlich gar
nicht böse gemeint. Trotzdem sollten daran all jene denken, die sich über
das Ende des ach so eitlen Theo freuen.
9 Dec 2011
## AUTOREN
Stefan Osterhaus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ehemaliger NBA-Profi über Homophobie: "Wörter sind nicht das Problem"
John Amaechi musste als Basketballprofi sein Schwulsein verheimlichen.
Heute kämpft er gegen Diskriminierung und spricht über die Ignoranz von
Institutionen und Fans.
Boris Becker bei London Chess Classics: "Schach ist ziemlich wie Tennis"
Das Londoner Schachturnier ist eines der renommiertesten weltweit.
Denksportler Boris Becker nahm teil und entdeckt interessante Parallelen,
die er auch angstfrei äußert.
Wintersport um jeden Preis: Kanonen gegen den Klimawandel
Bis jetzt wehrt sich die Sportindustrie gegen die Erderwärmung. Die
Skigebiete der Alpen werden immer mehr zu Vergnügungsparks, auch dank der
Schneekanonen.
Pöbeleien gegen Toleranzprojekt: Homophobie in der Fankurve
Fußballfans beziehen in deutschen Stadien mit einem Banner Stellung gegen
Homophobie. Die Aktion ist selbstorganisiert - und kommt nicht überall gut
an.
Neuer Präsident des DFB: Die interne Lösung
DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach soll DFB-Präsident werden. In knapp
einem Jahr tritt der 61-Jährige das Erbe des amtsmüden Theo Zwanziger an.
DFB sucht neuen Präsidenten: Böse auf die Bayern
Theo Zwanziger hat den Verband mit seiner Rücktrittsankündigung
aufgescheucht. Generalsekretär Niersbach gilt als Favorit für die Nachfolge
im DFB-Präsidium.
Kolumne Press-Schlag: Erstaunliche Eindeutigkeit
Theo Zwanziger wirkt wie ein Verzweifelter, der nach Liebe schreit. Sein
Fall in den vergangenen Monaten war tief. Doch es gibt keine echten
Alternativen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.