# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Erstaunliche Eindeutigkeit | |
> Theo Zwanziger wirkt wie ein Verzweifelter, der nach Liebe schreit. Sein | |
> Fall in den vergangenen Monaten war tief. Doch es gibt keine echten | |
> Alternativen. | |
Boulevardkomödie geht so: Tür auf, Tür zu, und wenn die Tür wieder aufgeht, | |
kommen dieselben Leute rein, die vorher durch die andere Tür rausgegangen | |
waren. Die hohe Kunst der Boulevardkomödie ist es, das dann noch wie eine | |
Überraschung aussehen zu lassen. So gesehen war das Stück, das am Dienstag | |
in Frankfurt aufgeführt wurde, eine ziemlich gute Boulevardkomödie. | |
Diente die Pressekonferenz doch offiziell zur Verkündigung des | |
Unvermeidlichen. Denn Theo Zwanziger hatte nicht wirklich eine Wahl, er | |
musste Joachim Löw und Oliver Bierhoff weiter beschäftigen. So wollte es | |
die öffentliche und die veröffentlichte Meinung in erstaunlicher | |
Eindeutigkeit, so wollte es die Mehrheit im eigenen Verband, so wollte es | |
sogar der deutsche Klub-Fußball, der sich sonst gern in | |
Interessenkonflikten mit der Nationalmannschaft sieht. Kurz gesagt: Wäre | |
die Vertragsverlängerung nicht zustande gekommen, hätte der DFB-Präsident | |
auch gleich seinen Rücktritt einreichen können. | |
Löw zu halten, das war Zwanzigers einzige Chance. Dafür musste er die Kröte | |
Bierhoff schlucken. Dafür muss er nun sogar einen neuen Posten finden für | |
den von ihm bereits vor Monaten geschassten Pressesprecher Harald Stenger. | |
Klebt Zwanziger tatsächlich so an seinem Amt? Schon die Medientaktik der | |
letzten Wochen, in denen kaum ein Tag verging, an dem der Präsident über | |
einen seiner wenigen verbliebenen Verbündeten, die Bild-Zeitung, nicht | |
wieder eine kleine, beleidigte Rücktrittsdrohung verbreiten ließ, wurde | |
zwar als akuter Fall von Amtsmüdigkeit interpretiert, wirkte tatsächlich | |
eher wie ein verzweifelter Schrei nach Liebe. | |
Die wird schon eine Weile nicht mehr erwidert. Nicht von Joachim Löw auf | |
dem Podium nach dem Spiel um den dritten WM-Platz, als der Bundestrainer | |
die Umarmung seines Vorgesetzten sichtlich distanziert ertrug. Nicht von | |
der Öffentlichkeit, die neuerdings selbst den bis dato ungeliebten Bierhoff | |
in ihr Herz geschlossen hat. Erstaunlich, wie untreu so eine Öffentlichkeit | |
sein kann. | |
Es ist noch gar nicht lange her, da war Zwanziger so beliebt, er hätte | |
nicht nur DFB-Präsidentschaft auf Lebenszeit beantragen können, sondern | |
hätte gute Chancen gehabt, ins Schloss Bellevue einzuziehen. Er war - vor | |
allem auch im Vergleich zu seinem peinlichen Vorgänger Gerhard | |
Mayer-Vorfelder - der milde Vater des größten Einzelsportverbandes der | |
Welt, der leidenschaftliche Förderer des Frauenfußballs, er versöhnte | |
Profis und Amateure und nahm die gesellschaftliche Verantwortung des DFB | |
ernst, machte der Politik vor, wie man erfolgreich Migranten integriert. | |
Dann kam der Kleinkrieg mit dem Journalisten Jens Weinreich. Dann kam der | |
Schiedsrichter-Skandal. Dann kam die gescheiterte Vertragsverlängerung mit | |
Löw. Es kamen Kommunikationspannen und Dünnhäutigkeit, ein erstaunlich | |
unsouveräner Umgang mit den Problemen und eine nie erwartete | |
Selbstherrlichkeit. Schon erstaunlich, wie schnell sich ein Image | |
grundsätzlich wandeln kann in der Mediengesellschaft. | |
Diese Medien kolportieren bereits Alternativen für die DFB-Präsidentschaft. | |
Die aber sind eigentlich keine: Franz Beckenbauer zieht sich lange schon | |
aus operativen Aufgaben zurück. Uli Hoeneß ist in einem von Amateuren | |
dominierten Verband nicht vermittelbar. Wolfgang Niersbach, als | |
DFB-Generalsekretär eigentlich der logische Nachfolger, hat sich während | |
der im Februar gescheiterten Vertragsverhandlungen mit Löw sogar noch | |
unbeliebter gemacht als Zwanziger. Aber wie das so ist in | |
Boulevard-Komödien: Manchmal geht eine Tür auf und draußen steht plötzlich | |
doch jemand, den niemand erwartet hat. | |
20 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |