# taz.de -- Israels Armee verletzt eigene Regeln: Direkt ins Gesicht getroffen | |
> Der Tod eines 28-jährigen Palästinensers bringt die israelische Armee in | |
> Erklärungsnot. Er starb im Dorf Nabi Saleh durch eine Tränengasgranate. | |
Bild: Eine Tränengasgranate tötete den Palästinenser Mustafa Tamini. | |
JERUSALEM taz | Nach dem Tod des palästinensischen Demonstranten Mustafa | |
Tamimi hat die israelische Menschenrechtsorganisation Betselem die | |
Armeeführung aufgefordert, den tödlichen Zwischenfall zu untersuchen. | |
Der 28-jährige Palästinenser war am vergangenen Freitag bei einer | |
Demonstration gegen die Beschlagnahme von Ländereien des Dorfes Nabi Saleh | |
zugunsten der gegenüberliegenden israelischen Siedlung Halamish erschossen | |
worden. Tamimi starb an den Folgen der Tränengasgranate, die ein Soldat aus | |
kaum zwei Meter Entfernung auf ihn abgeschossen hatte. | |
Nabi Saleh liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Ramallah. Seit zwei | |
Jahren demonstriert das Dorf an jedem Freitag gegen die Beschlagnahme der | |
Ländereien. | |
Ein Foto, das in dem Moment der Abgabe des Schusses aufgenommen wurde, und | |
ein [1][Video auf Youtube] zeigen Tamimi und einen zweiten Palästinenser | |
hinter einem Armeejeep, den sie offenbar mit Steinen bewerfen wollen. Die | |
Luke des Armeejeeps öffnet sich, die Gasgranate fliegt durch die Luft und | |
trifft Tamimi unmittelbar ins Gesicht. | |
Tamimi wurde von der Armee per Hubschrauber in ein israelisches Krankenhaus | |
geflogen. Dort ist er am Samstag dann seinen Verletzungen erlegen. | |
## "Tränengas soll nicht als Waffe benutzt werden" | |
Seit Jahren warnt die Menschenrechtsorganisation Betselem davor, dass | |
Soldaten Tränengasgranaten direkt auf die Demonstranten abschießen und | |
appellierte an die Militärkommandanten, gegenüber den Soldaten | |
klarzustellen, dass der direkte Beschuss nicht rechtens ist. "Tränengas | |
soll nicht als Waffe benutzt werden." | |
Bereits vor zwei Jahren starb ein Palästinenser in dem Grenzdorf Bilin, als | |
er von einer Tränengasgranate direkt an der Brust getroffen wurde. Laut | |
Betselem sind in den vergangenen acht Jahren bei vergleichbaren | |
Zwischenfällen 20 Personen bei Demonstrationen im Westjordanland getötet | |
worden. Die Menschenrechtsorganisation dokumentierte die Fälle und leitete | |
sie an die militärische Führung weiter. | |
"Der direkte Beschuss mit Tränengasgranaten auf Menschen ist verboten", | |
schrieb ein Rechtsberater der Armee damals und versprach, dass "klare und | |
umfassende" Verhaltensanleitungen an die Soldaten und die Offiziere | |
verteilt werden würden. In Treffen mit Vertreter der Betselem, so heißt es | |
in der Mitteilung der Menschenrechtsorganisation, "wiederholten | |
Armeevertreter, dass ein derartiger Beschuss nicht rechtens ist und nicht | |
vorkommt". | |
Betselem-Sprecherin Sarit Michaeli erklärte am Montag vor der Presse, dass | |
die Soldaten regelmäßig Tränengasgranaten auf palästinensische | |
Demonstranten abfeuern würden und damit deren Tod in Kauf nähmen. "Unseres | |
Wissens nach ist kein einziger Soldat für einen solchen Beschuss rechtlich | |
verfolgt worden", fügte sie hinzu. | |
12 Dec 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=03Chik4a18A | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Selbstverteidigung in Israel: Im Schlagen sind sie sich gleich | |
In Israel kämpfen Frauen aktuell wieder um ihre Rolle. Auch sehr handfest. | |
Jüdische Trainerinnen lehren Palästinenserinnen, sich zu verteidigen. | |
Konfessionen in Israel: Initiative gegen den Gebetsruf | |
Regierungschef Netanjahu unterstützt einen Gesetzentwurf, der die | |
Lautsprecher zum Verstummen bringen soll. Die Gegenseite verweist auf | |
Sirenen am Sabbat. | |
Kommentar Gebetsrufe in Israel: Eine Initiative gegen Muslime | |
Beim Muezzin-Gesetz geht es nicht um Lärmschutz. Es dient dazu, Muslime zu | |
demütigen. Am liebsten wäre es den Hardlinern, wenn sie das Land verließen. | |
1.000 Dächerprogramm für Palästina: Unabhängig machen von Israel | |
Im Westjordanland gibt es immer mehr Solaranlagen. Dahinter steckt der | |
Wunsch, unabhängig von Israel zu werden. Das reagiert mit Abrissdrohungen. | |
Israel will neue Siedlungen bauen: Heftiger Protest aus Europa | |
Israel will 2.000 neue Wohneinheiten in palästinensischen Gebieten bauen – | |
als Antwort auf den Unesco-Beitritt Palästinas. Nun fordern Bundesregierung | |
und EU den Baustopp. | |
Palästina in der Unesco: Ein erwarteter Sieg | |
Von Jubel bis zu Sarkasmus reichen die ersten Reaktionen auf den Erfolg der | |
Palästinenser. Die Bundesregierung wird von der Opposition scharf für ihr | |
Nein kritisiert. | |
Palästina in Unesco aufgenommen: Anerkennung durch die Hintertür | |
Die USA haben ihre Beitragszahlungen an die Unesco gestoppt. Dennoch wurde | |
Palästina in die UNO-Organisation aufgenommen. Deutschland stimmte dagegen. |