# taz.de -- Bildungsstudie zu Schulleistungen: Anna-Lena eins, Justin drei | |
> Eine neue Studie zeigt: Herkunft und Geschlecht haben einen Einfluss auf | |
> die Benotung und den Übergang aufs Gymnasium. Auch das Geschlecht spielt | |
> eine Rolle. | |
Bild: Vorne Carlotta und Leonhard, hinten Justin und Jennifer - das soll bald g… | |
BERLIN taz | Die Carlottas und Leonhards gehen häufiger aufs Gymnasium als | |
die Kevins und Jennifers. Das ist seit der ersten Pisastudie bekannt. Wenn | |
sich die soziale Herkunft nun nicht mehr auf die schulische Leistung | |
auswirkte, dann würde der Anteil der Arbeiterkinder an Gymnasiasten auf | |
einen Schlag von derzeit knapp 20 auf über 30 Prozent steigen. | |
Das haben Wissenschaftler neu ausgerechnet, als sie auf Basis vorhandener | |
Daten aus Deutschland und der Schweiz untersuchten, wie stark die Herkunft | |
der Kinder auf die Benotung und den Übergang an eine Oberschule | |
durchschlägt. | |
"Wir haben einen signifikanten Effekt der Herkunft auf die Leistung | |
festgestellt", sagte Kai Maaz, Professor an der Universität Potsdam. Er ist | |
einer der Autoren der Studie, die im Aufrag der Vodafone-Stiftung | |
durchgeführt und am Mittwoch vorgestellt wurde. | |
Die unterschiedlichen Schulleistungen von Kindern aus einfachen und | |
gehobenen Verhältnissen sind der Studie zufolge nur zur Hälfte dadurch | |
erklärbar, dass Kinder aus sozial ungünstigen Milieus zu Hause weniger | |
gefördert werden oder schlechtere Arbeitsbedingungen haben. Zu 25 Prozent | |
liegen die Ursachen in der Schule, nämlich bei der Zensurengebung durch die | |
Lehrer. "Kinder aus Akademikerfamilien bekommen trotz gleicher Leistung in | |
schriftlichen Tests bessere Noten", sagte Maaz. | |
## Sozialer Status der Eltern bedeutsamer als Herkunft | |
Auffällig dabei: Ob Schüler aus Einwandererfamilien stammen, ist nicht | |
entscheidend. Wichtig sind vielmehr die soziale Stellung der Eltern, ihre | |
Ausbildung sowie der Stellenwert von Bildung - ausgedrückt in Bücherbesitz. | |
Auch das Geschlecht der Schüler spielt eine Rolle. So bekommen Mädchen im | |
Durchschnitt etwas bessere Zensuren als Jungen. Das erklären sich die | |
Autoren dadurch, dass Mädchen sich in der Schule mehr anstrengen. | |
Die Noten sind wiederum das entscheidende Kriterium dafür, auf welche | |
Schulart ein Kind nach der vierten oder sechsten Klasse geht. Dass Lehrer | |
hier auch herkunftsabhängig entscheiden, bestreitet selbst Marianne Demmer, | |
Schulexpertin der Lehrergewerkschaft GEW, nicht: "Lehrkräfte haben im | |
Hinterkopf: Kriegt das Kind zu Hause die notwendige Unterstützung, um es am | |
Gymnasium zu schaffen?" | |
Dabei sieht Demmer die Schuld jedoch nicht bei den Lehrern, sondern im | |
System: "Lehrkräfte müssen Prognosen stellen, die sie überfordern. Die | |
Selektion in Schule und Elternhaus zeigt, wie verheerend unser gegliedertes | |
System wirkt." | |
Der Schweizer Forscher Franz Baeriswyl, der ebenfalls zum Autorenteam | |
gehört, plädiert dafür, Noten überflüssig zu machen. Er sagt: "Sie haben | |
nur geringen Aussagewert über die individuelle Leistungsfähigkeit der | |
Schüler." | |
14 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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