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# taz.de -- Unruhen in Kasachstan: Tote und Verletzte bei Ausschreitungen
> Der Ölarbeiterstreik im kasachischen Schanaozen ist am Jahrestag der
> Unabhängigkeit eskaliert. Staatspräsident Naserbajew verhängt den
> Ausnahmezustand.
Bild: Demonstranten, die am Samstag in Almaty Aufklärung über die Vorgänge v…
BERLIN taz | Neue schwere Unruhen in Kasachstan haben am Samstag mindestens
ein weiteres Todesopfer gefordert. Elf Menschen wurden verletzt.
Offiziellen Angaben zufolge sind damit im Zuge der Eskalation des seit Mai
anhaltenden Ölarbeiterstreiks in der westlichen Provinz Mangistau seit
Freitag 11 Menschen getötet und 97 zum Teil schwer verletzt worden.
Augenzeugen vermuten hingegen eine weit höhere Opferzahl. Die Unruhen
überschatten die Vorbereitung der Parlamentswahlen des international als
stabil angesehenen rohstoffreichen Landes. Die Wahlen sollen am 15. Januar
2012 stattfinden.
Die von der kasachischen Staatsanwaltschaft als "Hooligans" bezeichneten
Protestler hätten das Leben anderer gefährdet", erklärte die
Strafverfolgungsbehörde des zentralasiatischen Landes und rechtfertigte den
Schusswaffeneinsatz der Polizei. "Auf Unbewaffnete darf man nicht
schießen", sagt der Vorsitzender der unabhängigen Gewerkschaft in
Mangistau, Kenschegali Suienow, im Gespräch mit der taz. "Wir fordern vom
Präsidenten die Entlassung der Regierung."
Die Feiern zum 20.Unabhängigkeitstag am 16. Dezember provozierten in der
Stadt Schanaozen die Ausschreitungen. Der in Moskau ansässige
Oppositionssender K+ zeigte über YouTube, wie aufgebrachte Männer die
Festtribüne auf dem zentralen Platz der Ölförderstadt stürmen, Lautsprecher
umwerfen, die Neujahrstanne anzünden und Polizisten jagen. Schüsse sind zu
hören, auf der Straße sind Blutlachen zu sehen, und über der Stadt hängen
Rauchfahnen. Die wichtigsten Gebäude der Verwaltung und der dortigen
Ölfirma wurden in Brand gesteckt.
## Zu langen Haftstrafen verurteilt
Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew verhängte über Schanaozen
den Ausnahmezustand. Telefon- und Internetverbindungen dorthin sind
gekappt, Journalisten werden nicht in die Stadt gelassen. Nasarbajew
beschuldigt nicht die Streikenden, sondern macht Provokateure von außen für
die Ausschreitungen verantwortlich.
Seit Frühjahr halten knapp Tausend streikende Ölarbeiter den zentralen
Platz in Schanaozen besetzt. Mit hunderten Kollegen einer
kasachische-chinesischen Ölgesellschaft in Aktau forderten sie höhere Löhne
und mehr Rechte. Die Macht und die staatsnahe Ölgesellschaft Kazmunaigas
erklärten den Streik für illegal und reagierten mit Repression. Die
Anführer wurden zu langen Haftstrafen verurteilt und die Streikenden
entlassen.
Ungeachtet der anhaltenden Proteste bestand die lokale Macht darauf die
Feiern auf dem Platz durchzuführen und drohte seit Wochen, diesen notfalls
mit Gewalt zu räumen. "Das war unverantwortlich, seit Mai ist nicht eine
Lampe zu Bruch gegangen", sagt Suienov und wundert sich, dass keinen
anderen Platz für die Feiern gegeben hätte.
Während in Schanaozen Blut floß, zelebrierte Nasarbajew mit einer pompösen
Feier und selbst verfassten Gedichten in der für Milliarden US-Dollar neu
errichteten Hauptstadt Astana die Unabhängigkeit.
"Die Arbeitgeberseite und die lokalen Behörden sind in diesem Fall von
Anfang offensichtlich nicht in der Lage gewesen, einen normalen
Arbeitskonflikt zu lösen, obwohl dies in der kasachischen
Arbeitsgesetzgebung genau geregelt ist, sagt Horst Küsters. Der
pensionierte deutsche Gewerkschaftsfunktionär berät internationale
Gewerkschaften. Noch im November hatte er für die Friedrich-Ebert-Stiftung
ein Seminar zu Arbeitnehmerrechten in Aktau abgehalten, zu dem auch
Streikende gekommen waren.
18 Dec 2011
## AUTOREN
Marcus Bensmann
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