# taz.de -- Gericht korrigiert eigenes Urteil: Protest gegen Rechts doch rechtm… | |
> Kein "polizeilicher Notstand": Das Verwaltungsgericht Hannover erklärt | |
> das Verbot einer Demonstration gegen rechtsextremen "Trauermarsch" | |
> nachträglich für rechtswidrig. | |
Bild: Darf nicht an zu wenig Polizisten scheitern: Protest-Demo in Bad Nenndorf. | |
HANNOVER taz | Das Verbot war rechtswidrig. Das Bürger-Bündnis "Bad | |
Nenndorf ist bunt" und der Deutsche Gewerkschaftsbundes (DGB) hätten im | |
August 2010 in dem niedersächsischen Kurort gegen den sogenannten | |
Trauermarsch von Neonazis demonstrieren dürfen. Das hat die 10. Kammer des | |
Verwaltungsgerichts Hannover am Mittwochabend nach zweitägiger | |
Beweisaufnahme entschieden. Sie korrigierte damit ihr eigenes Urteil aus | |
dem vergangenen Jahr. | |
Damals war in einem Eilverfahren das Verbot bestätigt worden, das der | |
Landkreis Schaumburg sowohl über den rechtsextremen Trauermarsch als auch | |
über die Proteste dagegen verhängt hatte. Ursula Müller-Kratz, | |
Ordnungsdezernentin des Kreises, war von einem "polizeilichen Notstand" | |
ausgegangen: Man habe nicht genügend Polizisten zur Verfügung, um beide | |
Lager demonstrieren zu lassen. | |
"Ein polizeilicher Notstand ist nur dann gegeben, wenn nicht genügend | |
Polizeikräfte vorhanden sind, um die Lage zu beherrschen", sagte am | |
Mittwoch Gerichtssprecherin Antje Niewisch-Lennartz. Das aber wäre durchaus | |
möglich gewesen, "wenn man sich Mühe gegeben hätte, Polizeireserven zu | |
mobilisieren". | |
In erneuten Verfahren vernahm das Gericht sieben Zeugen, darunter den | |
Vizepräsidenten des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Es gelangte zu | |
der Einschätzung, dass die damaligen Gefahrenprognosen von | |
Inlandsgeheimdienst und Staatsschutz fehlerhaft beziehungsweise nicht | |
nachprüfbar gewesen seien. Darin hatte es damals geheißen, neben 250 | |
militanten autonomen Nationalisten würden auch 500 "gewaltbereite | |
Linksextremisten" anreisen und schwere Ausschreitungen provozieren würden - | |
von denen sich der DGB obendrein nicht ausreichend distanziere. | |
In der Tat fand sich die "Gespensterarmee" aus militanten Autonomen, die | |
laut Anwohnern prognostiziert worden war, am 14. August 2010 dann nicht in | |
Bad Nenndorf ein. Ordnungsdezernentin Müller-Kratz hatte ihre beiden | |
Verbotsverfügungen aber ausschließlich auf diese Gefahrenprognose gestützt. | |
Auch jetzt seien den Richtern viele Akten verschlossen geblieben, so | |
Niewisch-Lennartz, "weil sie mit einem Sperrvermerk des Innenministeriums | |
versehen sind" und sich auch der stellvertretende Verfassungsschutz-Chef | |
dazu nicht geäußert habe. | |
Während die Kammer des Gerichts damals auf eine Klage der Anmelder hin das | |
Verbot des Neonazi-Umzugs lockerte, bestätigte sie im Eilverfahren das | |
Demonstrationsverbot für DGB und das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" - | |
ebenfalls unter Berufung auf die vorhergesagten autonomen Krawallmacher. | |
Erst das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hob am Vorabend des 13. August das | |
Protestverbot auf: Es ließ zumindest eine stationäre DGB-Kundgebung - am | |
Stadtrand. | |
21 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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