# taz.de -- Antifa sagt Demo ab: "Auflagen verhindern Protest" | |
> Antifa-Gruppen rufen nicht mehr zur Demonstration gegen den | |
> "Trauermarsch" von Neonazis in Bad Nenndorf auf. Aktionen soll es dennoch | |
> geben. | |
Bild: Weiße Leibchen von der Polizei: der rechtsextreme "Trauermarsch" im verg… | |
taz: Herr H., demonstrieren Sie am Samstag alleine in Bad Nenndorf gegen | |
Neonazis? | |
Tobias H.: Wohl kaum. Es werden viele Menschen in den Ort kommen. | |
Antifa-Gruppen rufen auch weiter zu Protesten und Blockaden auf … | |
… aber nicht mehr zu Ihrer Demonstration – weil sie die Auflage für nicht | |
tragbar halten. | |
Ja, ich finde die auch als Anmelder unzumutbar. Sie verhindern eine | |
Vermittlung unseres Anti-Nazi-Protests. | |
Weil Sie nicht in Schwarz laufen dürfen? | |
Es wird auch verboten, grüne oder blaue T-Shirts oder Pullover zu tragen. | |
Das tragen ja nun nicht nur Autonome, Jeans und grüner Pulli gehören zum | |
Straßenbild. | |
Nach Paragraf 3 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes dürfen Sie nicht | |
„den Eindruck von Gewaltbereitschaft“ vermitteln. | |
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Paragrafen steht | |
noch aus. Jede Form des entschlossenen oder solidarischen Auftretens ist | |
angeblich geeignet, Leute zu erschrecken. Dabei zeigen nicht nur die Taten | |
der NSU-TerroristInnen: Es ist absolut notwendig, sich Neonazis | |
geschlossen, solidarisch und lautstark entgegenzustellen. | |
Ihre Demo wurde ja nicht verboten. | |
Das wäre offener gewesen, dann hätte sich der Landkreis den ganzen | |
Firlefanz sparen können: Zwischen Musikstücken sollen wir sieben Minuten | |
Pause einhalten. Wir dürfen keine Transparente an den Seiten zeigen. Wenn | |
wir sie in der Demo vorne tragen, bilden sich Blöcke, die sind aber auch | |
verboten – es ist unmöglich, die Auflagen einzuhalten. Auch finanziell. | |
Inwiefern? | |
Die Lautsprecheranlage darf nicht lauter als 90 Dezibel sein. An sich | |
möglich, allerdings müssten wir die Anlagen verplomben lassen. Das kostet | |
zwischen 400 und 700 Euro. Erstens habe ich das Geld nicht, zweitens muss | |
es möglich sein, kostenlos zu demonstrieren. | |
Begründet wird das mit dem Arbeitsschutz für Polizisten. | |
Ein Vorwand. Die Beschallung des Autoradios bei deren Anfahrt ist lauter. | |
Sie wollen keinen Protest links vom DGB. | |
Die Grüne Jugend soll ihre Anlage auch verplomben. | |
Diese Forderung ist eine neue Entwicklung in Niedersachsen. Bislang | |
beschränkt sich diese Unmöglichkeit noch auf linke Demos im Großraum | |
Hannover. Es macht lautstarken Protest mundtot – alles, was der | |
Landesregierung nicht in den Kram passt. Das Ganze ist eine | |
versammlungsrechtliche Katastrophe. | |
Sie haben dagegen geklagt? | |
Wir sind rechtlich dagegen vorgegangen. Allerdings ist schon der Antrag auf | |
Prozesskostenhilfe gescheitert, mit der Begründung, die Polizei habe sehr | |
sorgfältig gehandelt. Spannend ist: Das Bedrohungsszenario wird eigentlich | |
mit der Gewalttätigkeit der Nazis begründet, getreu der | |
Extremismus-Theorie, dass Links gleich Rechts ist. Also erhält die | |
Antifa-Demo dieselben Auflagen wie die Nazis – nur mit dem Unterschied, | |
dass die Polizei alles tut, damit die Nazis dennoch marschieren können. | |
Übertreiben Sie nicht? | |
Nun, ich glaube nicht, dass die Polizei weiße T-Shirts für uns bereit hält, | |
damit wir unsere Auflagen erfüllen, so wie in Bad Nenndorf 2009 für die | |
Neonazis. Ich würde sie auch nicht annehmen, die SA hat Weiß getragen, als | |
sie verboten war. Nein, es muss möglich sein, ungehindert Protest auf die | |
Straßen zu tragen. | |
Die Polizei schätzt, es werden zwei-, dreitausend Menschen gegen Nazis | |
demonstrieren. | |
Das Absurde ist: In der Gefahrenprognose steht, dass ein Möbelhaus am | |
Samstag ein Sommerfest feiert. Das zieht 4.000 Leute an – mehr als die | |
Gegenproteste. | |
2 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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