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# taz.de -- Rita Süssmuth über die Frauenquote: "Das sind wir uns schuldig"
> Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) will ein Gesetz
> mit fester Frauenquote. Dafür könne sie sich auch einen
> fraktionsübergreifenden Konsens vorstellen.
Bild: "Wer die Quote nicht will, der muss die Frauen wollen": Das habe nicht ge…
taz: Frau Süssmuth, die Frauen der Union möchten eine feste
30-Prozent-Quote für die Spitzenjobs in der Wirtschaft, die
CDU-Frauenministerin Kristina Schröder plant dagegen eine selbst gewählte
flexible Quote. Was denken Sie?
Rita Süssmuth: Wir brauchen eine verbindliche Quote. Das sind wir Frauen,
die wir für die Erweiterung des Artikels 3 im Grundgesetz gekämpft haben,
uns schuldig. Da steht, dass der Staat auf die Beseitigung von
Ungleichheiten hinwirkt. Wir haben bereits zehn Jahre mit einer
freiwilligen Selbstverpflichtung verloren, wir können uns keinen weiteren
Zeitverlust mehr leisten. Deshalb habe ich auch die überparteiliche
"Berliner Erklärung" unterschrieben.
Damit stellen Sie sich gegen die Frauenministerin.
Es geht darum, bei diesem Thema einen Wettbewerb um die beste Lösung zu
ermöglichen. Die Quotierung wieder auf die lange Bank zu schieben, das kann
nicht im Sinn der Frauen sein, das müsste auch Frau Schröder sehen.
Schröder sagt, ihre selbst gewählte Flexiquote sei der Mittelweg zwischen
der FDP, die gar nichts will, und den Frauen, die mehr wollen als sie.
Ihr Vorhaben ist kein Mittelweg. Es setzt den alten Weg fort mit
geringfügig stärkerem Druck: Die Wirtschaft gibt sich selbst Quoten. Das
ist nicht ausreichend.
Dennoch bleibt der unwillige Koalitionspartner. Was kann Schröder da tun?
Das war schon immer so: Die FDP hat, wenn es um Quoten ging, immer Nein
gesagt. Sehen Sie beispielsweise in den Hessischen Landtag: Eine einzige
Frau ist in der FDP-Fraktion, der frauenpolitische Sprecher ist ein Mann.
Das ist, was Sie ohne Quote bekommen.
Dennoch kann man seinen Koalitionspartner nicht einfach übergehen.
Aber man kann eine breite gesellschaftliche Diskussion führen. Zunächst
wird aus der Erklärung eine öffentliche Petition. Wir hoffen, möglichst
viele MitzeichnerInnen zu gewinnen.
Im Parlament müssten die Frauen fraktionsübergreifend für die Quote
stimmen. Halten Sie das für realistisch?
Wenn ich das jetzt schon für unrealistisch halten würde, hätte ich nicht
mitgemacht. Wir haben bei der Vergewaltigung in der Ehe 25 Jahre gebraucht,
um das Gesetz durchzubringen. Dazu gehörte viel Überzeugungsarbeit. Bleibt
die Ministerin bei ihrem eigenen Entwurf, dann werden eben zwei Anträge
abgestimmt.
Wenn die Unionsfrauen auch für die feste Quote votieren würden, hätte sie
eine Mehrheit. Aber dafür müsste der Fraktionszwang aufgehoben werden - wie
bei der Vergewaltigung in der Ehe. Wie haben Sie das damals geschafft?
Bei der Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand gab es zunächst einen
starken Widerstand der CDU/CSU. Wir haben gemerkt, wir als
Parlamentarierinnen schaffen das nicht allein. Dann haben wir überlegt, wer
dieses steinerne Nein erweichen könnte. Und wir haben eine hohe geistliche
Persönlichkeit gewonnen.
Aus der Bischofskonferenz?
Ja. Mehr sage ich dazu nicht.
Sehen Sie einen Weg, dass man so etwas nun bei der Quote auch noch mal
schafft?
Warum nicht? Die Fraktionen machen das nicht gern, weil sie für einen
solchen Fall Gestaltungsmacht aus der Hand geben müssten. Aber in manchen
grundsätzlichen Fragen ist ein parteiübergreifender Konsens wichtiger.
Europa ist so ein Thema oder Migration. Aber eben auch die Quote. Übrigens
hat auch niemand vorhergesehen, dass etwa Thomas Sattelberger, der
Personalvorstand bei der Telekom, so intensiv für eine Quote kämpfen würde.
Aus dem Frauenministerium wird schon gewarnt: Der Erfolg eines
Gruppenantrags, das bedeute Regieren mit wechselnden Mehrheiten und damit
das Ende der Koalition.
Dann muss das Ministerium dafür Sorge tragen, dass es dazu nicht kommt. Das
sind bloße Drohgebärden. Niemand will die Koalition infrage stellen.
Was würden Sie Frau Schröder raten?
Ich würde mich an ihrer Stelle mal mit den Frauen aus den verschiedenen
Verbänden hinsetzen und anhören, was deren Kernargumente sind. So etwas ist
ja tatsächlich ein anhaltender Lernprozess. Ich selbst habe immer gesagt:
Wer die Quote nicht will, der muss die Frauen wollen. Und ich habe
feststellen müssen: Das hat nicht geklappt. Auch unsere Frauenquote in der
CDU haben wir erst im zweiten Anlauf durchbekommen. Da gilt der Satz von
Samuel Beckett: "Scheitern, weitermachen, noch mal scheitern, besser
scheitern, weitermachen". Das ist mein Grundsatz.
27 Dec 2011
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
Autobiografie
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