Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erfolglose Studienförderung: Stipendium von der Stange
> Die neue Förderkultur der Bildungsministerin floppt: Die Unis warben nur
> die Hälfte der 10.000 Deutschlandstipendien ein, denn die Wirtschaft hat
> wenig Interesse.
Bild: Da lachten sie noch: Ministerin Schavan und Humboldt-Uni-Präsident Olber…
BERLIN taz | Die geschichtsträchtige Berliner Humboldt-Universität hatte
sich Bildungsministerin Annette Schavan als Auftrittsort ausgesucht, als
sie am 1. Februar 2011 den Start des Deutschlandstipendiums verkündete.
Begabte und leistungswillige Studierende sollten fortan mit monatlich 300
Euro unterstützt werden. Damit stellte die CDU-Politikerin die Weichen für
eine neue Stipendienkultur. Schavan war zuversichtlich, "dass unsere
Hochschulen das Ziel erreichen werden, bis Jahresende 10.000 Stipendien zu
vergeben."
Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Die Hochschulen meldeten Ende September
knapp die Hälfte des ausgegebenen Stipendiensolls, rund 4.800 eingeworbene
Stipendien. Nach Auskunft des Bildungsministeriums ist dieser Stand weiter
aktuell.
Die Idee des Deutschlandstipendiums stammt vom einstigen
nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP): Die
Hochschulen werben Geld von der Wirtschaft ein, der Staat legt den gleichen
Betrag drauf. Deutschlandstipendiaten erhalten so monatlich 300 Euro
Studienbeihilfe, und zwar unabhängig davon, ob ihre Eltern sie finanziell
unterstützen oder nicht. Mittelfristig sollen 8 Prozent aller Studierenden
auf diese Weise gefördert werden.
Doch derzeit erhalten bloß 0,35 Prozent der über zwei Millionen
Studierenden ein solches Stipendium. Und diese Quote wird nur deshalb
erreicht, weil die Begünstigten des nordrhein-westfälischen
Schwestermodells dazu gerechnet werden.
## Kriterien zu "unverbindlich"
Die Spender aus der Wirtschaft halten sich zurück. Eine Umfrage der taz
unter großen unternehmensnahen Stiftungen ergab, dass diese lieber Geld in
ihre eigenen Programme stecken, als in das Stipendienprogramm des Bundes.
Unter der Hand heißt es, dieses sei "von der Stange", die "Kriterien zu
unverbindlich formuliert", "soziale Aspekte fehlten gänzlich."
Offiziell äußern sich Stiftungsvertreter diplomatischer, der Kern ihrer
Begründungen bleibt der gleiche. Die laut Bundesverband Deutscher
Stiftungen vermögendste deutsche Stiftung privaten Rechts, die
Robert-Bosch-Stiftung, lobt das Deutschlandstipendium zwar als "fraglos
wichtiges und unterstützenswertes Programm". Doch passe es nicht zu den
eigenen Förderschwerpunkten. In diese steckt die Stiftung jährlich fast 80
Millionen Euro.
Gleiches gilt für die Bertelsmann-Stiftung, deren jährliche Ausgaben 60
Millionen Euro übersteigen. "Wir fördern nur Projekte, die wir selbst
initiiert haben und geben keine Mittel an Dritte, wo wir inhaltlich nicht
beteiligt sind", erklärt ein Sprecher.
Die gemeinnützige Hertie-Stiftung, die in Berlin eine private Hochschule
mit jährlich 5,3 Millionen Euro unterhält, ist noch in Verhandlungen mit
der Humboldt-Universität über ein paar Deutschlandstipendien à 150 Euro. Am
Geld, versichern beide Seiten, liege es nicht, sondern an den
Auswahlkriterien für die Geförderten. Mit ihrem Horizonte-Programm fördert
die Stiftung junge Lehrer mit Migrationshintergrund.
## Engagement ist nachrangig
Auswahlkriterium für das Deutschlandstipendium dagegen ist die
Studienleistung, welche durch Noten oder Punkte nachgewiesen werden muss.
Kriterien wie ehrenamtliches Engagement oder familiäre Umstände sind
lediglich Unterpunkte, die das Gesamtbild des Bewerbers komplettieren
sollen.
Auch für die Mercator-Stiftung, deren Vermögen 100 Millionen Euro
übersteigt, passt das Deutschland-Stipendium daher nicht ins Portfolio.
"Wir fördern Projekte, die helfen, Bildungsunterschiede zwischen Menschen
mit und ohne Migrationshintergrund zu verringern", erläutert eine
Projektmanagerin.
"Eine Förderung ab dem ersten Semester ist zu spät." Mit ihrem Programm
Chancen 2 unterstützt die Stiftung Schüler aus nicht-akademischen
Elternhäusern bis zum ersten Studienabschluss an der Uni Duisburg-Essen.
Hochschulen, die ihr Kontingent an Deutschlandstipendien ausschöpfen
konnten, haben dies vor allem mit Hilfe lokaler Unternehmen geschafft. Die
Universität Hannover konnte alle 90 Deutschlandstipendien einwerben, auch
dank des örtlichen Keksherstellers Bahlsen.
"Viele Unternehmen spenden aus eigenem Interesse", meint
Hochschulsprecherin Jessica Lumme. Die Mäzene könnten etwa mit auswählen,
welche Studierenden gefördert werden.
Aus solchen Beispielen schöpft das Bildungsministerium Hoffnung. 2012 wolle
man die Quote der Geförderten auf 1 Prozent erhöhen, so eine Sprecherin.
Nachgedacht wird auch über eine flexiblere Handhabung. Unis, die ihre
Quoten nicht erfüllen, könnten zugunsten erfolgreicherer Unis verzichten.
28 Dec 2011
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Deutschlandstipendium
Deutschlandstipendium
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fünf Jahre Deutschlandstipendium: Akademikerkinder profitieren
Genauso ungerecht wie der Hochschulzugang: Nur ein Viertel der Menschen mit
Deutschlandstipendium ist Bildungsaufsteiger.
Erfolgloses Deutschlandstipendium: Schavan hat zu viel Geld
Beim Deutschlandstipendium könnten dieses Jahr 16 Millionen Euro verfallen.
Dabei hätten einige Unis durchaus mehr Stipendien vergeben können.
Annette Schavans Deutschland-Stipendien: Die Wirtschaft zahlt nicht genug
Annette Schavan will mit Leistungsstipendiem "eine neue Spendenkultur"
entwickeln. Doch der Testballon in NRW funktioniert nicht – weil die
Wirtschaft so zögerlich ist.
Schavan will Stipendienprogramm pushen: Universitäten lernen Betteln
Das nationale Stipendienprogramm kommt nicht in Schwung. Nun finanziert das
Bildungsministerium Kurse, wie die Universitäten Sponsoren gewinnen können.
Kabinett beschließt Stipendienprogramm: Bund fördert Eliten
Das Stipendienprogramm für Studenten kommt - jedoch ohne Beteiligung der
Länder - ab 2011. Bildungsministerin Schavan hofft nun auf ein
Entgegenkommen bei der Bafög-Erhöhung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.