# taz.de -- Kommentar Rente mit 67: Die Rente mit 67 kommt zu früh | |
> Bald werden alle, die arbeiten können, gebraucht - auch die Alten. Die | |
> Frage ist also nicht, ob man die Rente mit 67 einführen sollte, sondern | |
> wann. | |
Schon der Titel ist zynisch: "Rente mit 67". Denn er impliziert, dass die | |
meisten Beschäftigten bis zur offiziellen Altersgrenze arbeiten würden. | |
Doch nichts ist ferner der Realität. Viele Deutsche gehen sehr früh in den | |
Ruhestand. Von den 60- bis 64-Jährigen arbeitet nur noch etwa ein Viertel - | |
und nicht wenige in Teilzeit. | |
Viele Beschäftigte scheiden nicht etwa freiwillig aus dem Berufsleben aus. | |
Sie sind krank oder arbeitslos. Wenn ab Januar das Rentenalter schrittweise | |
auf das 67. Lebensjahr steigt - dann wird damit faktisch nur die Rente | |
gekürzt. | |
Dabei ist die Rente mit 67 eigentlich eine richtige Idee, denn die | |
Deutschen leben immer länger - und sie sind auch länger gesund. 1960 wurde | |
die Rente bei den Männern durchschnittlich 9,6 Jahre ausgezahlt. Heute sind | |
es über 15 Jahre. Zudem wachsen immer weniger Junge nach, die diese Renten | |
zahlen sollen. | |
Doch ist die Rente mit 67 nur gerecht, wenn die Älteren auch einen Job | |
finden. Die Lebensarbeitszeit darf also erst verlängert werden, wenn | |
Vollbeschäftigung herrscht. Das mag utopisch klingen, doch ist diese Zeit | |
nicht mehr fern. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat | |
kürzlich berechnet, dass das "Erwerbspersonenpotenzial" bis 2025 um 6,7 | |
Millionen Menschen sinken wird. Denn die Babyboomer verlassen den | |
Arbeitsmarkt, während nur wenige Jugendliche nachdrängen. Dann werden alle | |
gebraucht, auch die Älteren. | |
Die Frage ist also nicht, ob man die Rente mit 67 einführen sollte, sondern | |
wann. Nichts spricht dagegen, sie erst im Jahr 2020 beginnen zu lassen. | |
Sogar Geld wäre vorhanden: Derzeit ist die Rentenkasse so gut gefüllt, dass | |
die Beiträge gesenkt werden konnten. Also ließe sich mühelos warten, bis | |
tatsächlich jeder Arbeitnehmer die Chance hat, seinen Beruf bis zur Rente | |
auszuüben. | |
Eine ungeheure Ungerechtigkeit würde allerdings bleiben: Geringverdiener | |
sterben deutlich früher als die gut situierten Arbeitnehmer. Bei der Rente | |
subventionieren also die Armen die Reichen, was sich noch verstärkt, sobald | |
die Altersgrenze auf 67 verschoben wird. Daher wäre es dringend nötig, bei | |
der Rente die unterschiedlichen "Sterbetafeln" zu berücksichtigen. Dies | |
wäre übrigens ganz einfach: Da die Lebensdauer so direkt mit dem Einkommen | |
korreliert, müssten nur die Beitragssätze mit dem Verdienst steigen. Das | |
Fachwort heißt: Progression. Wie bei der Steuer, genau. | |
28 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Freitagscasino: Die Panik der Babyboomer | |
Wenn 2025 der demografische Wandel vollzogen ist, gibt es Jobs für alle. | |
Bloß die alternden Babyboomer haben das nicht verstanden – und machen die | |
falsche Politik. | |
Streit um Rente mit 67: Ungewohnte schwarz-rote Einigkeit | |
Die CSU wiederholt ihre Forderungen nach mehr Beschäftigung für Ältere, um | |
eine faktische Rentenkürzung zu vermeiden. Unterstützung bekommt sie von | |
der SPD. | |
Massiver Aufschwung: Arbeitslosigkeit auf Rekord-Tief | |
Im vergangenen Jahr hatten durchschnittlich 2,976 Millionen Menschen in | |
Deutschland keinen Job. Letztmalig gab es vor 20 Jahren so gute Zahlen. | |
Finanzexperte über Frührente: "Eine Wette auf das eigene lange Leben" | |
Eine private Altersvorsorge lohnt sich, sagt Finanzexperte Hermann-Josef | |
Tenhagen. Allerdings nur, wenn man rechtzeitig damit anfängt. | |
Frührentner in Deutschland: Ruhestand mit Abzügen | |
Nicht einmal die Hälfte aller Arbeitnehmer arbeitet bis zum regulären | |
Rentenalter - und akzeptiert dafür deutliche Abschläge. In Zukunft wird es | |
noch mehr Frührentner geben. |