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# taz.de -- Chaos Communication Congress: Umschalten auf Kampf
> Beim größten Hackertreffen in Europa zeigt sich, welch wichtige Rolle für
> die Demokratie heute die Menschen spielen, die früher als seltsame
> Bastler belächelt wurden.
Bild: Warnung vor dem perfekten Werkzeug zum Ausschalten der Opposition: Publiz…
BERLIN taz | Zurückziehen in die Nische funktioniert nicht mehr: Wenn sich
der Chaos Computer Club (CCC) in diesen Tagen in Berlin zum [1][28. Chaos
Communication Congress] trifft, wird an allen Ecken und Enden klar, welche
zentrale Rolle Hacker heute weltweit für die Gesellschaft und ihre digitale
Freiheit spielen können.
Etwa, wenn der Stanford-Professor Ewgeni Morosow in seinem Auftaktvortrag
dazu aufruft, dass sich Geeks mehr Gedanken über außenpolitische
Konsequenzen machen müssen. Wenn der US-Hacker Jacob Applebaum dazu
aufruft, gegen Zensur und Netzoppressionen in China, Iran, Syrien und dem
Rest der Welt anzuarbeiten. Wenn Constanze Kurz die Mitglieder ihres Chaos
Computer Clubs um Hilfe bittet – seit der Club im Oktober die Affäre um den
Staatstrojaner aufgedeckt habe, würden sich die Anfragen so häufen, dass
man sie nicht mehr bewältigen könne.
Dass es kaum noch Lebensbereiche gibt, in denen Computer keine Rolle
spielen, ist im Grunde nichts Neues. Auch nicht, dass Nerds, Geeks und
Hacker diejenigen sind, die diese Technologie verstehen, Sicherheitslücken
offenlegen und erklären können, wie riskant bestimmte Dienste und
Technologien sind. Und wie Zensur und Filtern von digitaler Kommunikation
Demokratie und Meinungsfreiheit weltweit gefährden.
Doch spätestens in diesem Jahr, dem Jahr des arabischen Frühlings mit
seinen grauenhaften Konsequenzen für viele Netzaktivisten, in dem Jahr, in
dem der Chaos Computer Club praktisch im Alleingang die Affäre um den
Staatstrojaner aufgedeckt hat (und vielleicht auch nachdem die
Piratenpartei in Umfragen schwindelerregende Zustimmungsraten erreicht
hat), dürfte sich in Deutschland bis in die letzten Bürgerstuben
herumgesprochen haben, dass diese Hacker vom Chaos Computer Club, die sich
da jährlich in Berlin treffen, weder Irrelevantes oder per se Arglistiges
treiben.
Genau das hatte die deutsche Hackervereinigung mit ihrem Motto für den
Kongress im vergangenen Jahr bereits versucht zu signalisieren: "We come in
peace" hieß damals der Slogan ihres Kongresses – damals, als die
Whistleblowing-Plattform Wikileaks noch Transparenz dank Internet versprach
und der Chaos Computer Club zu einer Art Sachverständigenrat für die
Verfassungshüter in Karlsruhe geworden war.
## Der CCC schwenkt auf Kampfrhetorik um
2011 haben sie auf Kampfrhetorik umgestellt: "Behind enemy lines", hinter
den Feindeslinien, lautet der Slogan des Kongresses in diesem Jahr. Nichts
macht das deutlicher als die Debatten auf dem Kongress über den weltweiten
Verkauf von Überwachungs- und Zensurtechnologie westlicher Firmen an
Diktaturen und autoritäre Regime.
Solche Regime könnten sich die Entwicklung von Zensur- und
Überwachungssoftware überhaupt nicht leisten, wenn die nicht im Auftrag
westlicher Firmen in Auftrag gegeben und bezahlt worden wäre, kritisiert
etwa der US-Hacker Appelbaum.
Und der Soziologe Morosow weist, wie die CCC-Vertreter Constanze Kurz, Ulf
Buermeyer und Frank Rieger, darauf hin, dass Überwachungsindustrie sich
auch der Forschungsergebnisse westlicher Universitäten bediene. Der Feind,
das sind nicht mehr die anderen, irgendwo in einer Diktatur. Der Feind ist
nicht mehr weit entfernt.
## Das perfekte Werkzeug zum Ausschalten von Opposition
Außerdem wird klar: Die Hacker machen sich kaum Illusionen darüber, dass
die Gegenseite ihre Aktionen nicht registriert und darauf reagiert. Die
Kritik von Ewgeni Morosow ist hier angekommen: Der argumentierte, dass das
Netz nicht zwangsläufig Demokratie bringt, sondern eben auch als perfektes
Werkzeug zum Auffinden und Ausschalten von Oppositionellen genutzt werden
kann.
So werden etwa Schlupflöcher für die digitale Kommunikation in autoritären
Regimen, die Hacker geschaffen haben, oft schnell geschlossen – und das
Dagegenhalten zunehmend aufwendiger.
Aber auch in westlichen Demokratien streiten der CCC, Hacker und
Netzaktivisten weiter gegen Beschränkungen der Freiheit des Internets. Zum
Beispiel in den drei Dauerbrennerthemen Vorratsdatenspeicherung,
Netzneutralität und Anti-Piraterie-Abkommen.
"Wir haben noch nicht verloren", sagte etwa der Brite Cory Doctorow in
seinem Vortrag. "Aber wir müssen den Krieg um das Urheberrecht gewinnen, um
das Internet und die Rechner offen und frei zu halten." Er prognostiziert,
wenn auch nicht zum ersten Mal, den Krieg um das, was er [2]["general
purpose computation"] nennt.
## Sicherheitslücken überall
Natürlich hat sich der CCC-Kongress nicht zu einer rein politischen
Veranstaltung gewandelt. Da Hacken ja schon seit seinen Anfangstagen eine
Form von spielerischer Klugheit ist, wird auch auf dem Kongress nicht nur
bierernste Weltpolitik verhandelt – sondern eben auch damit experimentiert,
Lebensmittel oder Hörgeräte zu hacken (also zu manipulieren), werden
Sicherheitslücken bei iPads diskutiert oder darüber diskutiert, wie Hacker
einen Satelliten ins All schicken könnte.
Was die Hacker tun und was nicht, spiele eine wichtige Rolle, so
CCC-Sprecher Rieger mit Hinblick auf die Zensurtechnologie-Debatte bereits
in seinem Begrüßungsstatement. Denkt man das weiter, erwächst aus dieser
zumindest intellektuell großen Macht der Hacker große Verantwortung.
Eine Verantwortung, die manchmal vielleicht etwas zu groß wird – bedenkt
man, dass sie sich meist ehrenamtlich engagieren oder unentgeltlich an
Projekten arbeiten. Darum reiht sich auf dem CCC-Kongress ein Aufruf um
Mitarbeit an den anderen.
Denn auch wenn die Arbeit der Polit-Hacker immer irgendwo ein Kampf von
David gegen Goliath bleiben wird: Inzwischen sind die Nerds, Geeks und
Hacker, die sich jährlich in Berlin versammeln, too smart to fail.
29 Dec 2011
## LINKS
[1] http://events.ccc.de/congress/2011/wiki/Welcome
[2] http://boingboing.net/2011/12/27/the-coming-war-on-general-purp.html
## AUTOREN
Meike Laaff
## TAGS
Roboter
Trojaner
Schwerpunkt Überwachung
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