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# taz.de -- Fernsehinterview des Bundespräsidenten: Schweigen, Stammeln, Selek…
> Statt einer erneuten öffentlichen Erklärung gibt Christian Wulff ein
> Interview. Immer im Blick: Wie Vor-Vorgänger Johannes Rau seine Affäre
> überstanden hat.
Bild: Wulff will ein Interview geben – aber nur manchen Medien.
BERLIN taz | Nach anstrengenden Tagen einer Affäre, die seine
Glaubwürdigkeit beschädigt hat, fand der Bundespräsident in einem Interview
klare Worte zur eigenen Entlastung: "Ich habe zur Aufklärung beigetragen,
ich habe ein gutes Gewissen", sprach das Staatsoberhaupt ins Mikrofon, "ich
denke überhaupt nicht daran, daraus solche nahe gelegten Konsequenzen zu
ziehen, sondern mit der gleichen Glaubwürdigkeit meine Arbeit zu tun, wie
ich es als Ministerpräsident mit Schwächen und Fehlern, aber mit großem
Erfolg getan habe".
Seine eigene Affäre beendet hat mit diesen Worten Bundespräsident Johannes
Rau, das Zitat stammt aus dem Februar 2000. Rau hat dem Deutschlandradio
damals ein Interview zu seiner damaligen Flugaffäre gegeben. Anschließend
wurde er in einem zweiten Anlauf doch noch zu einem geachteten
Bundespräsidenten.
## Wulff macht den Rau
Am Mittwoch erlebte man in Berlin ein Déjà-vu: Denn auch Raus
Nach-Nachfolger Christian Wulff wählt statt einer persönlichen Erklärung
den Weg über ein Interview. Am Abend wird im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen von ARD und ZDF gleichzeitig ausgestrahlt werden.
Doch Wulffs Strategie war eindeutig: Nach einem für ihn katastrophalen
Dienstag, an dem die öffentliche Meinung sich gegen ihn wandte, die Kritik
aus der Opposition lauter und das Schweigen aus den eigenen Reihen
beklemmend wurde, galt es anschließend auch die kommenden 24 Stunden zu
überstehen. "Der will das aussitzen", hört man am Mittwoch aus
Unionskreisen, wo mit Skepsis beobachtet wird, wie das Amt des
Bundespräsidenten samt Amtsinhaber im Laufe der Affäre immer weiter
schrumpfte.
Das Aussitzen tut Wulff am Mittwoch auf seine Art: Er mauerte sich ein. Er
selbst schwieg, auch sein Amt übte sich in Heimlichtuerei darum, wie die
von Kanzlerin Angela Merkel erwartete öffentliche Erklärung stattfinden
würde. Und auch als feststand, dass jenes 15-Minuten-Interview die
öffentliche Erklärung werden würde, schwieg das Amt beharrlich. Ob der
Präsident sich vorher außerhalb eines TV-Auftritts erklärt? Keine
Information.
Die Frage ist nicht ganz unwichtig, denn mit dem Fernsehinterview wählte
Wulff den zuletzt in der Guttenberg-Affäre bekannt gewordenen Weg der
selektiven Information. Der Bundespräsident sucht sich also die
Journalisten aus, denen er kritische Fragen erlaubt.
## Kritik vom DJV
Kritik gab es umgehend vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV): "Der
Präsident sollte sich den Fragen aller Journalisten der Hauptstadtmedien
stellen", forderte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Besonders,
weil Wulffs Einschüchterungsversuche per Telefon gerade verschiedene
Tageszeitungen betroffen hat. Auch die wichtigsten Privatsender
protestieren gegen das Exklusivinterview. Man habe gemeinsam beim
Bundespräsidialamt protestiert, so die Sprecherin von N24.
So oder so: Ab Donnerstag hofft Christian Wulff darauf, dass andere
Nachrichten die Berichte über seine Affäre ablösen. Die CSU versammelt sich
im Wildbad Kreuth, die FDP in Stuttgart zum Dreikönigstreffen. Ein bisschen
Stress in Bayern um die Rente mit 67 oder bei der FDP wegen der Dauerkrise
kämen dem Bundespräsidenten ganz recht. Genug Potenzial dafür ist bei CSU
und FDP immer vorhanden, so das Kalkül.
Und wenn es tatsächlich keine neuen Enthüllungen gibt, dann könnte Wulff
die Affäre allein deshalb aussitzen, weil er als eigenständiges
Verfasssungsorgan von niemandem gestürzt werden kann. Letzteres ist in
diesen unangenehmen Wochen die einzige wirklich gute Nachricht für den
Präsidenten.
4 Jan 2012
## AUTOREN
Gordon Repinski
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Wulffs TV-Interview: Der kriechende Präsident
In einem Fernsehinterview verteidigt sich Christian Wulff gegen die
Vorwürfe der vergangenen Wochen und sucht nach Mitleid. Von vielen Fehlern
rückt er nicht ab.
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abgeben. Genau das hatte Kanzlerin Merkel zuvor gefordert.
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Kommentar Christian Wulff: Der impotente Präsident
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