# taz.de -- Affäre Wulff: Debatte um Nachfolger beginnt | |
> SPD und Grüne bieten Merkel an, gemeinsam einen neuen Präsidenten zu | |
> wählen. Vor Bellevue demonstrieren 400 Menschen gegen Wulff. Doch der | |
> will bleiben. | |
Bild: Verachtung vor Schloss Bellevue in Form eines Pumps. | |
BERLIN afp/dpa/rtr/taz | Dieses Interview dürfte dem SPD-Chef diebische | |
Freude bereitet haben. Sigmar Gabriel hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
eine Zusammenarbeit bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten | |
angeboten. Im Falle eines Rücktritts von Christian Wulff bräuchten "CDU/CSU | |
und FDP keine Sorge zu haben, dass die SPD diese Situation zu nutzen | |
versucht, um einen eigenen Kandidaten durchzusetzen", sagte Gabriel der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung. | |
Gabriels Offerte: Die SPD sei bereit, auf einen eigenen Kandidaten für das | |
Amt zu verzichten und mit Union und FDP eine parteiübergreifende Lösung zu | |
finden. Kurz zuvor hatte Andrea Nahles Neuwahlen gefordert, sollte Wulff | |
zurück treten. Dann müsse sich Kanzlerin Angela Merkel "dem Votum der | |
Wähler stellen", hatte Nahles der Bild am Sonntag gesagt. Doch nur einen | |
Tag später fuhr Gabriel seiner Generalsekretärin einmal mehr schroff über | |
den Mund. | |
Das Boulevardblatt will auch erfahren haben, dass Wulff sein Amt aller | |
Kritik zum Trotz behalten will. Bei einem amtsinternen Neujahrsempfang am | |
Freitag soll Wulff gesagt haben: "In einem Jahr ist das alles vergessen." | |
Der Präsident habe sich zuversichtlich gezeigt, "dass dieses Stahlgewitter | |
bald vorbei" sei. | |
Auch die Grünen signalisierten, dass sie für einen gemeinsamen Kandidaten | |
offen sind. Parteichefin Claudia Roth sagte der Welt am Sonntag mit Blick | |
auf einen möglichen Rücktritt Wulffs: In diesem Fall brauche es einen | |
"glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten". Sollte die Suche nach einem neuen | |
Präsidenten nötig werden, erwarte sie, dass Merkel "auf die politischen | |
Kräfte in diesem Land zugeht mit einem wirklichen Interesse an einem | |
überzeugenden und glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten für das Schloss | |
Bellevue". Der von SPD und Grünen 2010 nominierte Joachim Gauck wäre "ein | |
idealer Bundespräsident gewesen", sagte Roth. "Aber die Kanzlerin hat | |
leider machtstrategisch agiert, und ich kann sie nur warnen, dies wieder zu | |
tun." Grüne und SPD erneuerten ihre Kritik am Verhalten Wulffs. | |
Unterdessen berichteten mehrere Medien über Nachfolgepläne in der | |
schwarz-gelben Koalition, welche die drei Parteivorsitzenden Merkel (CDU), | |
Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU) geschmiedet haben sollen. | |
Sollte sich herausstellen, dass Wulff nicht in allen Punkten die volle | |
Wahrheit gesagt habe, wollten sie ihn nicht mehr stützen, hieß es in den | |
Berichten. Dann solle ein Kandidat vorgeschlagen werden, den auch die | |
Opposition mittragen könne. | |
Diese Berichte wurden umgehend dementiert. Regierungssprecher Steffen | |
Seibert sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, natürlich stehe | |
die Kanzlerin mit Vizekanzler Rösler in permanentem Kontakt: "Sie sieht | |
aber keine Veranlassung, über eine Nachfolge für den Präsidenten zu | |
sprechen." Seehofer bezeichnete die Berichte als Unwahrheit, ähnlich | |
äußerte sich eine FDP-Sprecherin. | |
Vor dem Schloss Bellevue demonstrierten am Samstag 400 Menschen gegen Wulff | |
und hielten ihre Schuhe in die Höhe - das ist in der arabischen Welt ein | |
Ausdruck der Verachtung. | |
8 Jan 2012 | |
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