Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ermittlungen eingestellt: Weitersurfen auf Naziseiten
> Justiz stellt Ermittlungen gegen Betreiber einer Neonazi-Website ein.
> Diese bietet "Feindlisten" an.
Bild: "Ich bereue nichts", trägt der Teilnehmer eines Aufmarschs auf seiner Ja…
Neukölln, im Januar 2011. Der Grüne Daniel Gollasch hat ins bezirkliche
Parteibüro zu einer Veranstaltung eingeladen. Das Thema: Proteste gegen
einen Naziaufmarsch in Dresden. Am Tag vor dem Treffen bersten die Scheiben
des Büros, eingeschlagen von Unbekannten. Für Gollasch kein Zufall: Seit
Jahren findet sich sein Name samt Foto auf einer rechtsextremen Homepage
des "Nationalen Widerstands" (NW) unter dem Stichwort "Aktivitäten von
Linkskriminellen".
Der Grüne Gollasch ist kein Einzelfall. Die Seite führt auf "Feindlisten"
auch SPD- und Linkenpolitiker, die sich gegen Rechts engagieren, Anwälte,
die Opfer rechter Gewalt vor Gericht vertreten, oder Engagierte aus der
Zivilgesellschaft wie Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle gegen
Rechtsextremismus. Mehrere Betroffene stellten Strafanzeige.
Jetzt wurde bekannt: Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen die
Betreiber der Seite eingestellt. Das teilte Justizstaatssekretär Alexander
Straßmeir (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage der Linken mit. Die
Polizei ermittelte wegen "falscher Verdächtigung, Beleidigung und Verstoßes
gegen das Kunsturheberrechtsgesetz".
Es sei nicht gelungen, den Betreiber der Website ausfindig zu machen, so
Straßmeir. Der Server befinde sich in den USA. Weil der Inhalt der Seite
nach US-Recht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei, "war ein auf
Bekanntgabe des Betreibers gerichtetes Rechtshilfeersuchen an die
Justizbehörden der USA nicht erfolgversprechend".
Die Linken hatten auch konkret nach einer Urheberschaft der Seite durch
NPD-Landesvize Sebastian Schmidtke gefragt. Davon gehen Kenner der rechten
Szene aus. Für die Justiz aber ist weder Schmidtkes Urheberschaft noch
seine Beteiligung an der Seite nachweisbar - obwohl, wie der Staatssekretär
einräumt, "auf bekannt gewordenem Propagandamaterial", das auf diese
Webseite verweist, "häufig sein Name als Verantwortlicher im Sinne des
Pressegesetzes aufgeführt ist und er im Rahmen eines Interviews aus dem
Jahre 2008 auf die Website hingewiesen zu haben scheint."
Polizei und Justiz sind aber nicht nur an der Ermittlung gescheitert, sie
verharmlosen auch. So dient laut Staatssekretär Straßmeir die
Veröffentlichung der "Zielpersonen" lediglich deren Einschüchterung. Nach
Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, haben mehrere
Personen, die auf den "Feindlisten" stehen, im Januar Post vom
Landeskriminalamt bekommen. Ihnen wurde mitgeteilt, dass die Nennung ihres
Namens keine Bedrohung bedeute.
Für die Grüne Clara Herrmann und die Linke Christina Emmrich - beide werden
auf der rechten Seite genannt - ist das ein Unding. "Mehrere Einrichtungen
auf dieser Liste wie das Anton-Schmaus-Haus der Falken in Neukölln wurden
Opfer von Brandstiftungen", sagt Herrmann der taz. "Da sehe ich eine ganz
reale Gefahr." Emmrich erkennt in den Listen eine "öffentliche Aufforderung
an die Anhänger der NPD, ihre Feinde ins Visier zu nehmen.
Linken-Justizexperte Klaus Lederer mahnt mehr Mühe bei den Ermittlungen an.
"Die Morde des Nationalsozialistischen Untergrundes zeigen, dass hier jede
Anstrengung lohnt." Lederer kritisiert, dass die Justizverwaltung nicht
mitgeteilt habe, welche Ermittlungen gelaufen sind. "Falls lediglich nach
dem Standort des Servers gesucht wurde, ist das eindeutig zu wenig. Hier
muss in den rechten Netzwerken Berlins ermittelt werden." Linke und Grüne
wollen im Rechts- und im Verfassungsschutzausschuss nachhaken.
Auch Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechts moniert das
"geringe behördliche Interesse". Dass die Nazis sich von den gescheiterten
Ermittlungen ermutigt fühlten, "ist so sicher wie die Frustration bei
jenen, die über Jahre vergeblich Anzeigen erstattet haben."
Am Dienstag stellten die grünen Abgeordneten Anja Kofbinger und Thomas Birk
erneut Strafanzeige gegen die Macher der Website wegen des Verdachts der
Volksverhetzung. In einem Artikel werden Schwule und Lesben als "das
Kranke, das nicht für das Volkswachstum Förderliche" verächtlich gemacht.
Mitarbeit: Konrad Litschko
11 Jan 2012
## AUTOREN
Marina Mai
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kameradschaftskader will NPD-Chef werden: Neonazis interessieren sich für Verf…
Innensenator will Verantwortliche für Neonazi-Internetplattform ermitteln.
NPD-Vizechef guckt im Ausschuss zu und lacht sich ins Fäustchen.
Folgen eines Verbots für Berlin: NPD-Verbot ja, aber
Berlin ist für ein NPD-Verbotsverfahren gerüstet. Hat es Erfolg, würde die
Parteizentrale aufgelöst, BVV-Mandate verfielen und Parteigelder stünden
für Gemeinnütziges zur Verfügung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.