Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tübinger Zentrum eröffnet: Startschuss für deutsche Islamlehre
> In Tübingen ist das erste Zentrum für islamische Theologie in Deutschland
> eröffnet worden. Dort werden erstmals in Deutschland islamische
> Religionslehrer ausgebildet.
Bild: Ambitionierte Ziele: eine Studentin des neuen Studiengangs.
BERLIN taz | Mit einem Grußwort von Bundesbildungsministerin Annette
Schavan (CDU) und im Beisein von ausländischen Gästen wurde am Montag in
Tübingen das bundesweit erste Zentrum für islamische Theologie offiziell
eröffnet. Drei weitere solcher universitärer "Zentren" sollen noch in
diesem Jahr an den Start gehen - jeweils an Doppelstandorten in Osnabrück
und Münster, Erlangen-Nürnberg sowie in Frankfurt und Gießen.
Die Bundesregierung lässt sich das ambitionierte Ziel, eine deutsche
Islamlehre zu etablieren, einiges kosten: Sie will in den nächsten Jahren
insgesamt rund 20 Millionen Euro für Professuren, Mitarbeiterstellen und
den wissenschaftlichen Nachwuchs beisteuern.
Gelehrt wird das neue Fach in Tübingen zwar schon seit drei Monaten. Doch
weil zum Semesterstart alles so schnell ging, wurde die offizielle
Eröffnungsfeier jetzt nachgeholt. Bisher werden alle Vorlesungen nur von
einem Professor und einem Assistenten bestritten. Im Laufe des Jahres
sollen aber zwei weitere Professoren sowie zwei Juniorprofessoren
dazukommen. Bis 2015 soll der neue Studiengang zu einer "Islamischen
Fakultät" ausgebaut werden. Dazu ist in Tübingen, direkt neben den
christlichen Fakultäten, ein eigener Neubau geplant.
## 36 StudentInnen
23 Frauen und 13 Männer haben sich für den achtsemestrigen
Bachelorstudiengang eingeschrieben. Sie hoffen, dort bald auch auf Lehramt
studieren zu können, um später an deutschen Schulen das Fach islamische
Religion zu unterrichten. Andere werden in Zukunft vielleicht als Imam
arbeiten. Bisher haben die meisten der rund 2.000 Imame, die an deutschen
Moscheen predigen, im Ausland studiert - vor allem in der Türkei.
Fast alle von ihnen werden vom türkischen Staat für vier Jahre nach
Deutschland geschickt und dann wieder zurückgeholt. Zwei Jahre ist es erst
her, dass der Wissenschaftsrat empfahl, an deutschen Hochschulen eine
bekenntnisorientierte islamische Theologie einzuführen, die mit den
evangelischen und katholischen Fakultäten vergleichbar sein soll. Seitdem
wurde das Vorhaben von Bund und Ländern mit Tempo vorangetrieben.
Es gibt aber auch Kritik an dem Projekt. Zu den heiklen Punkten gehört,
dass muslimische Verbände bei der Berufung von Professoren und Dozenten ein
Mitspracherecht haben - so wie auch die Kirchen bei der universitären
Ausbildung von christlichen Theologen in Deutschland ein Wörtchen
mitzureden haben. In Tübingen entscheidet eine Komission der Universität
darüber, wen sie berufen will. Ein siebenköpfiger Beirat, dessen Vorsitz
derzeit der Religionsbeauftragte der Türkisch Islamischen Union (DITIB),
Süleyman Tenger, hält, kann aber sein Veto einlegen, wenn ihm ein Kandidat
nicht gläubig genug erscheint.
## Islamische Gerichte
Gegenüber Omar Hamdan gab es da keine Einwände, weshalb der
Deutschpalästinenser seit Oktober das neue Zentrum für islamische Theologie
in Tübingen leitet. Der 47-Jährige wurde in Israel geboren und kam bereits
in den neunziger Jahren nach Tübingen, wo er in vergleichender
Religionswissenschaften promovierte. Zuletzt forschte er an der Freien
Universität Berlin über die Verbindungen zwischen Islam, Christentum und
Judentum im Mittelalter.
Dass der Koranwissenschaftler einen ganz eigenen Kopf besitzt, zeigte er
kürzlich in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur epd. Es gebe in
Deutschland bereits mehr als genug Moscheen, sagte er da. Im Zeitalter von
Internet und Monitoren reiche eine Zentralmoschee pro Großstadt völlig aus,
per Liveübertragung könnten die Freitagspredigten von dort in andere
Gemeinden übertragen werden. Solche Vereinheitlichungsgedanken dürften
nicht allen gefallen. Ihnen steht die starke Zersplitterung der
muslimischen Gemeinden in Deutschland entlang nationaler und
konfessioneller Trennlinien entgegen.
Eine andere Idee Hamdans dürfte noch weniger Freunde finden. Er schlägt
vor, ein islamisches Gerichtswesen einzurichten, das - sofern von Muslimen
gewünscht - in religiösen und familiären Angelegenheiten seine Urteile
sprechen könnte. Die oberste Autorität staatlicher Zivilgerichte müsse
dadurch nicht angetastet werden, so Hamdan. In England hatte das Oberhaupt
der anglikanischen Staatskirche, der Erzbischof von Canterbury, Rowan
Williams, vor drei Jahren mal einen ähnlichen Vorschlag gemacht - und damit
einen Sturm der Empörung auf sich gezogen.
16 Jan 2012
## AUTOREN
Daniel Bax
Daniel Bax
## TAGS
Islam
## ARTIKEL ZUM THEMA
Imam-Ausbildung in Deutschland: Beruf ohne Aussicht
Nach dem Aus der Weiterbildung für Imame an der Uni Osnabrück will die
Politik mit den muslimischen Verbänden sprechen. Die eigentliche Frage ist
die nach ihrer Bezahlung.
Graduiertenkolleg für islamische Theologie: Die Emanzipation im Koran
Ein neues Graduiertenkolleg will sich mit dem Islam in Deutschland
auseinandersetzen. Eine Doktorandin untersucht feministische Diskussionen
in der islamischen Theologie.
Islamwissenschaftlerin Noha Abdel-Hady über Feminismus: "Religion ist auch Fre…
Die Hamburgerin Noha Abdel-Hady betritt islamwissenschaftliches Neuland:
Sie untersucht die Rolle weiblicher Gelehrter im Islam. Ein Gespräch über
westlichen und islamischen Feminismus, Mithilfe beim Krippenspiel und die
Rolle der Mütter.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.