# taz.de -- Neues Gesetz in Argentinien sorgt für Streit: Der Papierkrieg | |
> Argentiniens Regierung will Aktien der einzigen Zeitungspapierfabrik des | |
> Landes kaufen. Es geht um Geschäftsinteressen und Meinungsfreiheit. | |
Bild: Nicht nur eine Tageszeitung. Die argentinische Clarin-Gruppe. | |
BUENOS AIRES taz | Zeitungspapier ist in Argentinien von öffentlichem | |
Interesse. Ein entsprechendes Gesetz hat Präsidentin Cristina Kirchner | |
bereits Ende Dezember von den beiden Kammern im Kongress mit den | |
regierungseigenen Stimmen beschließen lassen. Während die | |
regierungskritische Presse von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit | |
schreibt, ist es für die regierungsfreundlichen Meinungsmacher ein Schritt | |
gegen die Monopolbildung auf dem Medienmarkt. | |
Es geht um Geschäftsinteressen. Im Zentrum steht die Zeitungspapierfabrik | |
Papel Prensa. Die ist seit ihrer Inbetriebnahme 1978 Argentiniens einzige | |
Fabrik, die in ausreichender Menge und Qualität Zeitungspapier produziert. | |
Bis heute hat sie eine strategische Bedeutung. Zuvor musste ein Großteil | |
des Zeitungspapiers aus dem Ausland eingeführt werden. Und wer nicht bei | |
Papel Prensa einkaufen will, muss importieren. | |
Die Aktiengesellschaft gehört zu 49 Prozent der Clarín-Gruppe, dem | |
argentinischen Multimediagiganten mit ihrem Flaggschiff, der Tageszeitung | |
Clarín. 22,5 Prozent hält die konservative Tageszeitung La Nación und 27,5 | |
Prozent der argentinische Staat. | |
Mit einer Jahresproduktion von 175.000 Tonnen versorgt Papel Prensa zu gut | |
75 Prozent den heimischen Markt für Zeitungspapier. Nach Regierungsangaben | |
haben Clarín und La Nación einen Eigenbedarf von 71 Prozent der | |
Papierproduktion von Papel Prensa. Lediglich 29 Prozent verbleiben für etwa | |
170 andere Medien - die zudem einen 15 Prozent höheren Preis pro Tonne | |
bezahlen müssen oder auf teurere Importe angewiesen sind. | |
## Beziehung zerrüttet | |
Der umstrittenste Passus im Gesetz ist die Regelung künftiger Investitionen | |
bei Papel Prensa. Denn kommen die nötigen Gelder vom Staat, können sie in | |
Aktienanteile umgewandelt werden. Nicht nur für die rechte Opposition ist | |
das neue Zeitungsgesetz der Versuch, die Mehrheitsanteile an der | |
Papierfabrik dem Mediengiganten streitig zu machen. "Die Meinungsfreiheit | |
garantiert weder die Regierung noch Clarín", so der linke Abgeordnete | |
Claudio Lozano. | |
Erschienen die Kirchner-Regierungen und die Clarín-Gruppe bis 2008 fast wie | |
ein Herz und eine Seele, ist die Beziehung nun zerrüttet. Mit dem jetzigen | |
Gesetz geht der Streit um die Papierfabrik in eine zweite Runde. Die | |
Regierung hatte die Eigentümer von Clarín und La Nación bereits 2010 wegen | |
Menschenrechtsverbrechen während der Militärdiktatur in den Jahren von 1976 | |
bis 1983 angeklagt. | |
Nach Auffassung der Regierung haben sich die Eigentümer von Clarín, La | |
Nación sowie die früheren Eigentümer der Tageszeitung La Razón im Jahr 1976 | |
die Aktien der damals noch in der Planung befindlichen Papierfabrik | |
unrechtmäßig und mit dem nötigen Nachdruck der Militärjunta angeeignet. | |
## Ungeklärte Umstände | |
Die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe von sich. Bekannt ist, dass sich die | |
Firmenaktien noch bis November 1976 im Besitz der Bankiersfamilie David | |
Graiver befanden. Graiver war 1976 unter nie geklärten Umständen bei einem | |
Flugzeugunfall ums Leben gekommen. Nach dem Verkauf der Aktien wurden | |
einige Familienangehörige der Graivers von den Militärs gefangen genommen, | |
gefoltert und jahrelang eingesperrt. | |
Ob dies einen Einfluss auf den Verkauf der Besitzanteile von Papel Prensa | |
unter anderem an Clarín und La Nación hatte, wird noch gerichtlich geklärt. | |
17 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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