# taz.de -- Geschichten aus der Facebook-Gruft: Schneller als die Polizei erlau… | |
> Ein Inder erfährt vom Tod seines Sohnes über Facebook. Eine Britin bringt | |
> sich netzöffentlich um. Und eine Bande Nachwuchsgangster stolpert über | |
> selbtgedrehte Videos. | |
Bild: Trauer um Subhash Bidve. Der Inder wurde im Dezember in England erschosse… | |
LONDON taz | Nicht immer sind die auf Facebook geposteten Nachrichten | |
witzig, geistreich oder unterhaltsam. Manchmal sind sie schlichtweg | |
grauenerregend. Das musste unter anderem der Inder Subhash Bidve | |
schmerzlich erfahren, als er vom gewaltsamen Tod seines Sohnes auf dem | |
sozialen Netzwerk hörte. | |
Der 23-jährige Anuj Bidve wurde in den frühen Morgenstunden des 26. | |
Dezember 2011 im englischen Salford aus nächster Nähe durch einen | |
Kopfschuss getötet. Der aus dem indischen Pune stammende Student, der sich | |
über Weihnachten mit einigen Freunden zu Besuch in Großbritannien aufhielt, | |
befand sich gerade auf einem Spaziergang von seinem Hotel in die Innenstadt | |
als er von zwei jungen Männern angesprochen wurde. Nach einem kurzen | |
Wortwechsel zog einer der Männer eine Waffe, schoss Bidve in den Kopf und | |
floh. Bidve erlag später seinen Verletzungen im Krankenhaus. | |
Bevor die britische Polizei die Angehörigen über das grausige Verbrechen in | |
Kenntnis setzte, war Anujs Vater bereits auf das Facebook-Posting eines | |
Bekannten aufmerksam geworden. In der Nachricht wurde der gewaltsame Tod | |
seines Sohnes Anuj beschrieben. | |
"Niemand von der britischen Regierung, dem Konsulat oder der indischen | |
Regierung rief uns an und setzte uns über die Vorgänge in Kenntnis", | |
empörte sich Bidve Senior im Gespräch mit dem britischen Radiosender BBC | |
Radio 5 Live. "Das hat mich wirklich überrascht, denn sie [die Polizei] | |
hatte sein Telefon konfisziert und musste daher die Telefonnummer seines | |
Vaters oder seiner Mutter gehabt haben." | |
Die britische Polizei reagierte zerknirscht auf den Vorgang: "Natürlich | |
sollte niemand auf diese Art und Weise so etwas Bestürzendes erfahren, und | |
wir haben volles Verständnis für den Ärger der Familie", erklärte Assistant | |
Chief Constable Dawn Copley, der für die Ermittlungen zuständig ist. Aber, | |
gab Copley zu bedenken, soziale Netzwerke seien unmittelbar und die Polizei | |
habe keine Kontrolle darüber was und wann Leute auf solchen Webseiten | |
veröffentlichten. | |
## Der öffentliche Selbstmord | |
Ebenfalls an Weihnachten 2011 bekam die Britin Jennifer Langridge aus dem | |
englischen Brighton eine erschütternde Nachricht aus den Untiefen von | |
Facebook übermittelt: Ein Bekannter hatte über das soziale Netzwerk vom | |
Selbstmord ihrer 42-jährigen Tochter Simone Back erfahren und die Mutter | |
per SMS verständigt – 17 Stunden, nachdem Back eine Überdosis Tabletten | |
geschluckt hatte. | |
Wobei sich die Umstände dieses Freitods als besonders gruselig erwiesen. Um | |
kurz vor 23 Uhr an Heiligabend verkündete Simone Back ihren 1.048 Freunden | |
auf Facebook, dass sie sich umbringen wolle: "Habe alle Pillen genommen, | |
werde bald tot sein, macht's gut …" Der Grund für die verweifelte Tat: Ihr | |
Ehemann hatte sie verlassen. | |
Dabei zog Backs Ankündigung 148, zum Teil erschreckende, Kommentare nach | |
sich. Die meisten Facebook-Mitglieder machten sich entweder über die | |
Sterbende lustig oder erklärten, es sei ja ihre eigene Entscheidung, sich | |
umzubringen. Niemand kam auf die Idee, die Polizei oder den Rettungsdienst | |
zu verständigen. "Sie nimmt sowieso ständig eine Überdosis Tabletten und | |
sie lügt", entrüstete sich ein Facebook-Benutzer. "Sie hat doch die Wahl", | |
schrieb ein Anderer, "und wegen einer Beziehung Schlaftabletten zu nehmen, | |
reicht als Grund nicht aus." | |
Erst später kamen außerhalb von Brighton lebende Freunde von Simone Back | |
auf die Idee, ortsansässige Bekannte zu bitten, die Wohnung der | |
Selbstmörderin aufzusuchen. "Ist jemand bei Simone vorbeigegangen und hat | |
nachgeschaut oder 999 angerufen?", fragte ein Facebooker empört, "Was ist | |
denn mit euch los? Ist dieser Tratsch wirklich wichtiger als Simone?" Aber | |
der Aufruf verhallte ungehört bis eben 17 Stunden Jennifer Langridge per | |
SMS über die Selbstmordabsichten ihrer Tochter informierte. | |
Die Mutter machte sich unverzüglich auf den Weg zur Simones Wohnung, | |
allerdings konnte sie aufgrund einer Behinderung die Treppe zum ersten | |
Stock nicht hochsteigen. Langridge verständigte daraufhin die Polizei und | |
erst dann wurde Simone Back aufgefunden – tot. | |
## Die dummen Verbrecher | |
Ein böses Erwachen der anderen Facebook-Art gab es für eine Bande von fünf | |
Kriminellen im englischen Newcastle. Die sogenannte "NE2 Crew" hatte sich | |
im Gangster-Schick mit Masken und Kapuzen verkleidet und mit Handys | |
gefilmt, die Filme auf Facebook veröffentlicht und dort kräftig mit den | |
gemeinsamen "Heldentaten" geprahlt. Dumm nur, dass die Polizei in Newcastle | |
auf die Aktion im Internet aufmerksam wurde und die Gruppe kurz darauf | |
verhaften konnte. | |
Die Briten Dillan Cooper (16), Kieron Smith (17) und Adam Devlin (19) waren | |
in ein Studentenwohnheim in Cardigan Terrace in Newcastle eingebrochen und | |
hatten die Bewohner mit vorgehaltener Pistolen-Attrappe zur Übergabe von | |
Bargeld und Wertsachen gezwungen. Sechs Tage später überfielen die drei | |
unter Begleitung von Wayne Scott (19) und Bradley Bulman (17) einen Arzt | |
auf der Newcastler Armstrong Bridge. | |
Die Polizeibeamten waren auf die Facebook-Videos der Räuber aufmerksam | |
geworden, weil diese mit der Tatwaffe herumfuchtelten und ihre kriminellen | |
Aktivitäten offen zur Schau stellten. Nachdem die Gesetzeshüter die | |
Identitäten der Verbrecher festgestellt hatten, durchsuchten sie deren | |
Wohnhäuser und fanden dort auf den Computern die Facebook-Filme und die | |
Kleidung, die die jugendlichen Kriminellen bei ihren Raubzügen getragen | |
hatten. | |
"Diese Jungs dachten sie seien eine Gang", resümierte Detective Constable | |
Kev Ashurst, "dabei sind sie in Wirklichkeit nichts anders als Feiglinge." | |
Und dann noch besonders dumme Feiglinge. | |
20 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Heinz Diebel | |
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