| # taz.de -- Ken Jebsen und der RBB: "Ich benutze Humor als Waffe" | |
| > Ein Irrer, aber kein Antisemit. Das sagt Ken Jebsen über sich selbst. | |
| > Gespräch über den RBB, seinen Rauswurf beim Sender, Stunden der Bewährung | |
| > und Tabu-Themen. | |
| Bild: "Ich kann Nazis nicht ausstehen", sagt Ken Jebsen. | |
| taz: Herr Jebsen, Sie vermuten, Sie seien beim RBB rausgeflogen, weil Sie | |
| in Ihrer Sendung "KenFM" "zu politisch" waren. Was bedeutet das eigentlich: | |
| politisch sein? | |
| Ken Jebsen: Das hängt davon ab, wem man diese Frage stellt. Es gibt Länder, | |
| in denen es gefährlich ist, politisch zu sein. Mein Vater kommt aus dem | |
| Iran. Wenn man im Iran politisch ist, kann das körperliche Konsequenzen | |
| haben. Positiv ausgedrückt. | |
| In Deutschland ist das anders. | |
| Hier ist das nicht so. Aber wir müssen etwas tun, damit das so bleibt. Wir | |
| haben in Deutschland ein historisches Erbe, zwei Diktaturen im zwanzigsten | |
| Jahrhundert. Oft frage ich mich: Wo wäre ich gestanden? Wäre ich eher | |
| Geschwister Scholl gewesen oder doch Hitlers Sekretärin? | |
| Und? | |
| Ich weiß es nicht. Ich würde gerne sicher sein, dass ich in Stunden der | |
| Bewährung mutig bin. | |
| Erleben Sie im Moment Stunden der Bewährung? | |
| Es sind auf jeden Fall sehr spannende Zeiten: Die Occupy-Bewegung, der | |
| internationale Protest. Heiner Geißler sagte unlängst einen bemerkenswerten | |
| Satz im ZDF. "Das kapitalistische System ist am Ende, wir stehen vor einer | |
| Revolution." Das sagt Heiner Geißler. Im ZDF. | |
| Und Sie sagten in einer Sendung zu den Anschlägen vom 11. September, die | |
| Meinungsfreiheit sei bei diesem Thema ausgesetzt. | |
| Es gibt Tabu-Themen. Und die sind für mich besonders interessant. Es sollte | |
| in einem Land, in dem man über alles reden darf, nicht Themen geben, bei | |
| denen es heißt: "Hierüber sprichst du aber bitte nicht!" | |
| Sie können in Deutschland über den 11. September reden, so viel Sie wollen. | |
| Ich stelle mal eine andere Frage: Wenn man davon ausgeht, dass der 11. | |
| September der größte Mordfall in der jüngsten Geschichte ist - warum hat | |
| man ihn dann schon zu Ende untersucht? Da werde ich neugierig. Wie ein | |
| "Tatort"-Kommissar. Aber eine Sache stört mich. | |
| Was denn? | |
| Dass sich die Medien auf diese Sendung zum 11. September fokussieren. Das | |
| war eine von über 500 Sendungen. Da wird übersehen: "KenFM" ist eine | |
| Musiksendung. Rock n Roll. Über 1.000 Bands spielten bei uns, viele davon | |
| live. Dazu haben wir auch politische Themen angefasst. Es gab Sendungen zu | |
| Uranmunition, eine Sendung wurde live aus dem Jugendknast gesendet. Dafür | |
| gabs viel Lob und Anerkennung. Aber darüber will jetzt niemand mehr reden. | |
| Vielleicht haben Sie vor Gericht die Chance, das zu klären. Der RBB | |
| begründet ihren Rauswurf damit, dass sie gegen journalistische Standards | |
| verstoßen hätten. Sie vermuten eher, dass sie "zu politisch" waren. Machen | |
| Sie es sich da nicht zu einfach? | |
| Ich wundere mich nur. Ich soll gegen journalistische Standards verstoßen | |
| haben? Dann frage ich: Was sind die Standards des RBB? Wo stehen die? Wenn | |
| ich über eine rote Ampel fahre, dann gibt es Verkehrsregeln, die das | |
| verbieten. Bei "KenFM" war alles spielerisch, wir haben Essays mit Glossen | |
| und Satiren gemischt. Das dürfen wir. Würde man den Filmen von Monty Python | |
| vorwerfen, dass sie historisch nicht korrekt sind? | |
| "KenFM" war also Satire und nicht ernst zu nehmen. | |
| Es gab Anteile von Satire, ja. Manchen Dingen kann man eben nur mit Satire | |
| und Spott begegnen. Man kann dem Bundespräsidenten im Moment nur mit Spott | |
| begegnen. Ich benutze Humor als Waffe. Loriot hat das auch getan. | |
| Vielleicht hat Claudia Nothelle, die zuständige Programmdirektorin, Ihren | |
| Humor nicht verstanden? | |
| Davon gehe ich aus. Dagmar Reim, die Intendantin des RBB, hat im Radio vor | |
| Kurzem etwas Bemerkenswertes gesagt: "Warum sollen wir die Menschen 24 | |
| Stunden am Tag erziehen? Warum sollen wir ihnen nicht etwas garantiert | |
| hundertprozentig Ungefährliches bieten, was ihr Herz erfreut?" Das klingt | |
| für mich nach altem Programm. Ich will anderes Programm machen. | |
| Sie haben vor allem wegen einer Aussage Probleme bekommen: In einem Chat | |
| schrieben Sie, Sie wüssten, "wer den Holocaust als PR erfunden" habe. Sie | |
| formulierten in grauenhafter Rechtschreibung; ohne Punkt, Komma und | |
| Anführungszeichen. Der Publizist Henryk M. Broder leitete das Zitat per | |
| Mail an den RBB weiter. Er bezeichnete Sie darin als "Irren" und | |
| "Antisemiten". Hat Broder recht? | |
| Ich bin vielleicht ein Irrer. Aber kein Antisemit. | |
| Man kann aber durchaus den Eindruck bekommen, wenn man besagtes Zitat | |
| liest. | |
| Stopp! Wer mich und meine Sendungen kennt, weiß: Ich kann Nazis, Neonazis | |
| und Antisemiten auf den Tod nicht ausstehen. Das, was ich geschrieben habe, | |
| stammt nicht aus meiner Feder, sondern ist ein Zitat! Aber Broder macht | |
| daraus, dass ich sagen würde, der Holocaust sei nur eine PR-Erfindung. | |
| Der Satz stammt also nicht von Ihnen? | |
| Nein. Das ist absurd! Ich habe in meiner Sendung immer gewarnt, dass wir | |
| den Holocaust nicht vergessen dürfen. Ich habe etliche Male auf das Thema | |
| hingewiesen. Es gibt 545 Beispiele. Ich habe mir im Schallarchiv O-Töne von | |
| Auschwitz-Überlebenden gekauft und sie in der Sendung gespielt. Ich habe | |
| immer wieder daran erinnert, was damals passiert ist. Gegen den Vorwurf, | |
| ich sei Antisemit, hat mich der RBB übrigens in Schutz genommen. Das war | |
| nicht der Grund der Kündigung. | |
| Warum klagen Sie nun? Wollen Sie zurück zum RBB? | |
| Ich klage, damit die Wahrheit über meinen Rauswurf ans Licht kommt. Bislang | |
| hat der RBB den Kündigungsgrund ja immer nur pauschal behauptet. Ein | |
| konkreter Nachweis, ein Beleg steht bis heute aus. | |
| 20 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Dachsel | |
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