# taz.de -- Grüner Parteitag in Berlin: Blick zurück nach Vorn | |
> Die Grünen versuchen, mit der Zerrissenheit aufzuräumen. Immerhin konnten | |
> sie sich schon beim Thema Tempelhof einigen: Nein zum Neubau einer | |
> Landesbibliothek | |
Bild: Auch Renate Künast trug zur Harmonie beim grünen Landesparteitag bei. | |
Zurückgezogene Änderungsanträge, gegenseitige Entschuldigungen – die | |
Berliner Grünen mühten sich am Samstag auf ihrem Landesparteitag, ihr Image | |
als völlig zerstrittene Partei aufzupolieren. Fast einstimmig beschlossen | |
sie einen Leitantrag ihres Landesvorstands, der vor allem den Blick nach | |
vorne richtet und grüne Eigenständigkeit beschwört. Das konkrete Programm | |
soll in einem Debattenprozess zu den Themenfeldern „Sozialde Stadt im | |
Klimawandel“ und „Berlins Green New Deal“ in den nächsten Monaten | |
entstehen. | |
Vorangegangen war ein Streit quer durch die Partei nach dem Scheitern der | |
grünen Regierungsambitionen nach der Abgeordnetenhauswahl im September. Er | |
gipfelte im Rücktritt des langjährigen Fraktionschefs Volker Ratzmann Mitte | |
November und einem teilweise tumultartigen kleinen Parteitag tags darauf. | |
Die Grünen hatten angesichts eines Mitte 2009 begonnenen Umfragehochs bei | |
der Wahl erstmals den Anspruch erhoben, das Rote Rathaus zu übernehmen. Von | |
zwischenzeitlich 30 Prozent in Umfragen blieben am Wahlabend jedoch nur | |
17,6 Prozent. Da das noch immer das beste Ergebnis ist, das die Berliner | |
Grünen je bei einer Abgeordnetenhauswahl erzielten, relativierte der | |
Grünen-Mitgründer Lukas Beckmann die derzeitige Misere. „Das Leiden des | |
Landesverbands ist ein Leiden auf einem sehr hohen Niveau“, sagte Beckmann | |
in einem Gastbeitrag zu Beginn. | |
Die Bundestagsfraktionschefin Renate Künast, die bei der Wahl mit dem | |
Anspruch gescheitert war, Regierende Bürgermeisterin zu werden, verteidigte | |
diesen Anspruch. „Es war richtig, es zu versuchen“, sagte Künast, „wir | |
werden es wieder versuchen, auch wenn es beim ersten Mal nicht geklappt.“ | |
Die Landesvorsitzende Bettina Jarasch sah das ähnlich: „Wir sind nicht der | |
ewige Juniorpartner der SPD, sondern eine eigenständige politische Kraft.“ | |
Im Wahlkampf habe man sich zu sehr von Koalitionsoptionen statt von | |
Inhalten leiten lassen, sagte Jarasch. | |
Von mehreren Dutzend Änderungsanträgen zum Leitantrag blieben am Ende nur | |
zwei Abstimmungen. Der Rest wurde im gegenseitigen Einvernehmen zurück | |
gezogen oder vom Landesvorstand in abgeschwächter Form übernommen. Wie | |
austariert das Ganze ablief, ließ sich gut am Verhalten der beiden | |
Kreisverbände Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf ablesen, die | |
am stärksten für den linken beziehungsweise realpolitischen Flügel der | |
Partei stehen: Beide verabschiedeten sich in ausgewogener Weise von | |
Forderungen, die die andere Seite nicht mitgetragen hätte. | |
Genaue Inhalte sollen erst noch durch einen sogenannten Werkstattprozess zu | |
den oben genannten Debattenfeldern folgen. Zur Zukunft des Tempelhofer | |
Feldes aber haben die Grünen bereits Klarheit: Dort soll es keine neue | |
Landesbibliothek geben. Einstimmig stimmte der Parteitag einem | |
entsprechenden Antrag zu. Die zentrale Landesbibliothek benötige zwar | |
dringend einen neuen Standort, heißt e sdarin. Dafür müsse aber nicht neu | |
gebaut werden. Zu prüfen sei vielmehr, ob sich dafür nicht das weitläufige | |
Flughafengebäude nutzen lasse. Auch Planungen für einen zentralen | |
Busbahnhof auf dem Tempelhofer Feld sowie eine überdimensionierte Bebauung | |
lehnen die Grünen ab. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin ihrer | |
Abgeordnetenhausfraktion, Antje Kapek, hielt wegen der Größe der Fläche | |
einen Vergleich mit dem Central Park in New York für gerechtfertigt. Dort | |
würde auch niemand darauf kommen, den zuzubauen, sagte Kapek. | |
21 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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