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# taz.de -- Merkel beim Weltwirtschaftsforum: Groß, stark und bald überfordert
> Beim WEF hat Bundeskanzlerin Merkel vor einer Überforderung Deutschlands
> in der Eurokrise gewarnt. Andere kritisierten, Deutschland stelle den
> Krisenstaaten unerreichbare Ziele.
Bild: "Wie lange ist das glaubwürdig?": Merkel beim Weltwirtschaftsforum.
DAVOS dpa | Im Schatten der Euro-Krise hat das 42. Weltwirtschaftsforum in
Davos begonnen. Bei dem fünftägigen Elitetreffen suchen 2.600 führende
Personen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach
Lösungen, etwa für die Schulden- und Konjunkturkrise. WEF-Gründer Klaus
Schwab erklärte, Davos sei in diesen Tagen "das Sanatorium für die Welt".
In ihrer Eröffnungsrede warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor
einer Überforderung Deutschlands bei der Sanierung der Eurozone. Zu
Forderungen nach einem größeren deutschen Beitrag bei der Krisenbekämpfung
sagte sie, Europas führende Volkswirtschaft sei zwar relativ groß und
stark. Es dürften aber keine Zusagen gemacht werden, die am Ende nicht
eingehalten werden könnten. Es mache keinen Sinn, eine Verdoppelung oder
Verdreifachung der Euro-Hilfen zu fordern: "Ich frage mich immer, wie lange
ist das glaubwürdig", sagte Merkel.
In Davos wurde vielfach Kritik am von Deutschland geführten
Euro-Krisenmanagement laut. "Deutschland diktiert eine Politik, die in eine
Schuldenspirale mit deflationären Folgen führt", sagte etwa
Investorenlegende George Soros. Er frage sich, wann sich die Erkenntnis
durchsetze, "dass die Währungsunion auf einem selbstzerstörerischen Kurs
ist".
Soros warf Deutschland vor, Euro-Krisenstaaten unerreichbare Ziele zu
setzen und sie damit gegen sich aufzubringen. Das derzeitige
Euro-Krisenmanagement erzeuge Widerstand in Ländern der Peripherie. Als
Hilfe für angeschlagene Staaten wie Italien und Spanien schlug er einen
"Kreditgeber der letzten Zuflucht" aus Europäischer Zentralbank und den
Krisenmechanismen EFSF und ESM vor. Mit diesem Garanten im Rücken könnten
sich die Staaten günstig refinanzieren.
## "Natürlich gab es exzesse"
Besonders in der Kritik stehen in Davos Vertreter von Banken und
Finanzinvestoren. Der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts sei für das 21.
Jahrhundert nicht mehr geeignet, sagte die Generalsekretärin des
internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC, Sharan Burrow, in einer
Podiumsdiskussion. Die Ungleichheiten seien heute in der Welt so groß wie
vor der Krise der 1930er Jahre. Hunderte Millionen Menschen seien ohne
Arbeitsplatz. Der Kapitalismus habe es verpasst, sichere Jobs zu schaffen
und den Reichtum gleichmäßig zu verteilen.
Banken seien der Spiegel der Wirtschaft, verteidigte sich der Chef der Bank
of America, Brian Moynihan. "Natürlich gibt es Exzesse, die sind aber
eingedämmt worden." Die Arbeitsweise der Banken habe sich seit 2008 im Zuge
der Finanzkrise enorm verändert.
Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Raghuram
Rajan, hält eine Zerschlagung von Großbanken nicht für zielführend, um
künftigen Finanzkrisen vorzubeugen. In der Vergangenheit hätten die
systemrelevanten Institute zwar davon profitiert, zu groß und zu vernetzt
zu sein, um von Staaten fallen gelassen zu werden, sagte der Professor der
Business School der Universität Chicago. Allerdings seien höhere
Kapitalpuffer und Maßnahmen für besseres Risikomanagement ausreichend, um
den Bankensektor für die Zukunft stabil aufzustellen.
Kritiker des Weltwirtschaftsforums demonstrierten am Mittwoch in
unmittelbarer Nähe des Davoser Kongresszentrums. Dutzende Aktivisten
flanierten mit Hundeleinen durch die Haupteinkaufsstraße, wenige hundert
Meter vom Tagungsort entfernt - allerdings ohne Hunde. Dabei trugen sie
Schilder mit der Aufschrift "Konzerne an die Leine". Sie kritisierten,
Schweizer Konzerne könnten im Ausland gegen Menschenrechte und
Umweltstandards verstoßen und dafür in der Heimat nicht zur Verantwortung
gezogen werden.
Globalisierungskritiker sind in diesem Jahr zum ersten Mal in der Nähe des
WEF vertreten. Wenige Kilometer vom Tagungsort entfernt betreibt die
Occupy-Bewegung ein Iglu-Dorf. Hunderte Polizisten und bis zu 5.000
Soldaten sind in Davos im Einsatz.
26 Jan 2012
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