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# taz.de -- Polizei Hannover: Kampf eines V-Manns
> Bernd Kirchner lieferte Informationen über das Hannoversche
> Rotlichtmilieu und über die Skandale bei VW. Dann wurde er selbst
> angeklagt - unter dubiosen Vorzeichen. Die Landesregierung sieht keinen
> Handlungsbedarf.
Bild: Hier trieb sich Bernd Kirchner als V-Mann herum: Hannovers Rotlichtbezirk…
HAMBURG | taz Für diesen Augenblick hat er lange gekämpft. Bernd Kirchner,
der fallen gelassene V-Mann aus Hannover, hat Landtags-Abgeordnete
angeschrieben, ihre Mailboxen vollgequatscht, aber außer einem
unverbindlichen "Wir schauen uns das mal an" nichts erreicht.
Jetzt endlich haben die Grünen eine Anfrage an die Landesregierung
gestellt, zweimal drei Fragen "den Fall Bernd Kirchner" betreffend. "Haben
Sie das gesehen?", sagt Kirchner am Telefon, er ist aufgeregt. Vielleicht,
sagt er, wird jetzt doch noch alles gut.
Als V-Mann hatte Kirchner Informationen über Sex-Partys bei VW geliefert,
über das Rotlichtmilieu in Hannover und über Staatsanwälte, die dort sehr
intim verkehrten. Die Legende, die ihm die Polizei verpasst hatte, war die
eines Zuhälters aus dem Ruhrgebiet, Kirchner lebte auf großem Fuß. Bei der
Polizei galt er als "bester Mann".
2005 fand vor dem Landgericht Hannover ein Prozess statt, der Anklagte:
Kirchner. Die selbe Staatsanwaltschaft, mit der er zuvor zusammengearbeitet
hatte, warf ihm nun Menschenhandel, Zuhälterei, Beihilfe zur Prostitution
und Vergewaltigung vor. "Es war schon auffällig, wie Kirchner da durch die
Akten gegeistert ist", sagt der Rechtsanwalt Raban Funk, der bei dem
Prozess dabei war. Kirchner sei "auf dem Silbertablett" als Täter
präsentiert worden.
Funk, Mitglied einer renommierten Kanzlei in Stolzenau an der Weser, hatte
in dem Prozess die Nebenklägerin vertreten. Seine Mandantin, eine ehemalige
Geliebte Kirchners, behauptete, dieser habe sie vergewaltigt. Er habe bald
Zweifel an dieser Darstellung gehabt, sagt Funk. Der Prozess sei von der
Staatsanwaltschaft aber "auf Teufel komm raus" durchgezogen worden, so
Funk.
Am Ende blieb von den Vorwürfen gegen Kirchner nicht viel übrig. Zur Last
gelegt wurde ihm nur noch, eine Prostituierte zu einem Bordell gefahren zu
haben - das Verfahren wurde gegen ein Auflage von 200 Arbeitsstunden
eingestellt.
"Die Prostituierte hatte ich bei mir vor einer Razzia versteckt, weil wir
sie als Zeugin brauchten", sagt Kirchner. In einem an ihn adressierten
Brief, der der taz vorliegt, schreibt der damals für Kirchner zuständige
Kripobeamte L., "dass die Anschuldigungen gegen dich auch Teile unserer
Legendbildung waren". Der Staatsanwaltschaft sei das "in unzähligen
Schreiben" mitgeteilt worden - sie habe die Hinweise jedoch ignoriert.
Von all dem ist in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der
Grünen nicht die Rede. Die Suspendierung sei erfolgt, "nachdem
strafrechtliche Vorwürfe gegen Herrn Kirchner bekannt geworden waren",
schreibt Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Das habe ihm "die
Polizeidirektion Hannover berichtet".
Ausgerechnet mit der aber liegt Kirchner im Streit: Die Polizeidirektion
verweigert ihm bis heute die Erstattung seiner Anwaltkosten aus dem
damaligen Prozess. Dabei hatte die Polizei Kirchners Anwalt selbst
beauftragt, das bestätigt Kirchners Führungsbeamter L. Daraus könne "auch
abgeleitet werden, wer für die entstandenen Kosten verantwortlich ist", so
L.
Räumte die Polizeidirektion Hannover ein, dass es die Polizei selbst war,
die einen Anwalt mit der Verteidigung ihres V-Manns beauftragte, wäre das
die offizielle Bestätigung von Kirchners Version: Die besagt, er habe stets
in Absprache mit seinen Vertrauensperson-Führern gehandelt. Dann aber
müsste die Polizeidirektion sich fragen lassen, warum sie nicht frühzeitig
interveniert hat, als die Staatsanwaltschaft zu ermitteln begann.
In seiner Verzweiflung hat Kirchner sogar schon Anzeige gegen den
derzeitigen hannoverschen Polizeipräsidenten Uwe Binias gestellt. Der hatte
sich der Behauptung seines Vorgängers angeschlossen und gesagt, von einer
Übernahme der Kosten sei nie die Rede gewesen. Kirchners Anwalt aus dem
damaligen Prozess kann man nicht mehr fragen: Er verstarb. Auch Kirchners
Führungsbeamte können erst seit kurzem reden - die Polizeidirektion hatte
ihnen ein Kontaktverbot zu dem früheren V-Mann erteilt - Begründung:
Kirchner müsse geschützt werden.
Für Kirchner bedeutete der Prozess das Ende seiner Karriere als V-Mann -
seine Identität war aufgeflogen, das Milieu wusste jetzt, dass er
Polizeispitzel war. "Kirchner ist da hineingestolpert", glaubt Rechtsanwalt
Funk, der Kirchner nach dem Prozess selbst einige Jahre lang vertreten hat.
Kirchner sei wohl einigen Leuten zu nahe gekommen: Staatsanwälten und
Kripobeamten mit Verbindungen zum Milieu, aber auch der Politik, als er
darüber berichtete, wie die Sexpartys bei VW vertuscht worden seien.
Das sei damals "bis in höchste Regierungskreise gegangen", so Funk. Auch
der Sprecher des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) sei
eingeschaltet gewesen: Olaf Glaeseker, gegen den derzeit die
Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Korruption ermittelt.
Nach seiner Enttarnung musste Kirchner, inzwischen 60, raus aus Hannover.
Derzeit versteckt er sich auf dem Land und bezieht Hartz IV. Er sagt, er
wolle weiterkämpfen.
27 Jan 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
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