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# taz.de -- Demontage eines V-Manns: VW-Affäre unerwünscht
> Jahre bevor die VW-Affäre um Sexpartys für verdiente Betriebsräte
> aufflog, war die Polizei von einem V-Mann informiert worden. Statt gegen
> VW ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den V-Mann.
Bild: Dass es Sexpartys für verdiente VW-Betriebsräte gab, erfuhr der V-Mann …
Oberstaatsanwalt B. genießt bei seinen Kollegen von der Staatsanwaltschaft
Hannover einen guten Ruf. „Wesensfremd“, sagen sie, sei dem inzwischen
pensionierten Kollegen, was ihm in Berichten des Bremer Weser-Kurier und
der taz vorgeworfen werde: dass B. gegen den V-Mann der Polizei im
Hannoverschen Rotlichtmilieu, Bernd Kirchner, mit fragwürdigen Methoden
ermittelt habe.
Die Ermittlungen von B. führten zur Abschaltung des V-Manns, der die
Polizei in Hannover frühzeitig über die VW-Affäre unterrichtet hatte. Der
Bordellbetreiber R. organisiere Sexpartys für hochrangige VW-Manager, er
selbst habe die Schecks gesehen, berichtete Kirchner bereits 1999.
Im Jahr 2000 erfuhr der V-Mann von einem VW-Betriebsrat, dass es auch vom
Konzern gesponserte Sexpartys für verdiente VW-Betriebsräte gab. Kirchner
gab die Informationen weiter, doch statt zu ermitteln, informierte die
Polizei den Sicherheitschef von VW, den Ex-Polizisten Dieter Langendörfer.
Erst fünf Jahre später flog die Affäre auf.
2000 war auch das Jahr, in dem Oberstaatsanwalt B. zum ersten Mal mit
Kirchner zu tun hatte. Er beantragte einen Strafbefehl gegen den V-Mann
wegen „Konkursverschleppung“, das zuständige Amtsgericht gab dem Antrag am
4. Oktober 2000 statt. Nach Informationen der taz hatte Kirchner den
Konkurs seiner Firma tatsächlich verschleppt – auf Anweisung seiner
Führungsbeamten bei der Polizei, die laufende Ermittlungen nicht gefährden
wollten.
In einer Antwort der niedersächsischen Landesregierung auf eine Anfrage der
Grünen zu dem Fall behauptet Innenminister Uwe Schünemann (CDU),
Oberstaatsanwalt B. habe von dem Einsatz Kirchners als V-Person nichts
gewusst. Allerdings, so Schünemann, habe die Polizei am 30. Oktober mit der
Staatsanwaltschaft „Rücksprache gehalten“. In den Akten finde sich „ein
undatierter Einspruch mit Datumsstempel vom 30. 10.“ Doch Oberstaatsanwalt
B. ließ den Strafbefehl nicht fallen, Kirchner musste bezahlen.
Die Ermittlungen, die für Kirchners V-Mann-Tätigkeit das Ende bedeuteten,
nahm Oberstaatsanwalt B. im Januar 2003 auf. Er kannte Kirchner
mittlerweile persönlich, hatte ihm sogar „Vertraulichkeitszusagen“ gegeben.
Dennoch ermittelte er gegen den V-Mann zunächst wegen Zuhälterei und
Menschenhandels, später kam dann auch noch der Vorwurf der Vergewaltigung
dazu.
Kirchner, das bestätigen die Verantwortlichen bei der Polizei, hatte sich
damals in einen Menschenhändlerring eingeschlichen. Vor einer Razzia sollte
er zwei Prostituierte verstecken, zunächst in einem Hotel, dann brachte er
sie in seiner Privatwohnung unter. Die Anklage wegen „Menschenhandels“ kam
zustande, weil die Prostituierten aus Polen und der Ukraine kamen.
Die Prostituierte aus Polen, Kirchners Ex-Freundin M., war es, die Kirchner
gegenüber Oberstaatsanwalt B. der Vergewaltigung bezichtigten sollte. Bei
dem Prozess vor dem Landgericht Hannover 2005 verwickelte sie sich in
Widersprüche und wollte ihre Aussage schließlich nicht wiederholen. Ihr
eigener Anwalt, Raban Funk, plädierte auf „unschuldig“. Unter dem Eindruck
des Prozesses wechselte er die Seiten und vertrat später Kirchner.
Noch während der Ermittlungen sprachen die Polizei-Verantwortlichen bei der
Staatsanwaltschaft vor, um sie von einer Anklage gegen Kirchner
abzubringen. Oberstaatsanwalt B. warfen sie einen „Rachefeldzug“ vor –
Kirchner hatte in der Zwischenzeit auch über Kollegen von B. berichtet, die
dem Rotlichtmilieu womöglich zu nahe standen. „Der Mann trägt ein
Goldkettchen, das kann nur ein Verbrecher sein“, soll B. gesagt haben.
Sollte hier beschlossen werden, dass er seine Ermittlungen einzustellen
habe, werde er sich an die Generalstaatsanwaltschaft in Celle wenden.
Kirchner selbst hatte von den Anschuldigungen bereits vor dem Beginn der
Ermittlungen erfahren. 2002 war er ins niedersächsische Städtchen Nienburg
gefahren, wo der Menschenhändlerring operierte, um mit P., dem Mann der
Tante seiner Ex-Freundin M., zu sprechen. Gegen Kirchner sei eine „große
Schweinerei“ im Gange, sagte P. zu Kirchner. Kirchners Ex-Freundin solle
aussagen, dass er sie vergewaltigt habe, und dafür Zeugenschutz bekommen
und die deutsche Staatsbürgerschaft. Direkt nach dem Gespräch berichtete
Kirchner der Polizei.
Kirchners späterer Anwalt Raban Funk erinnert sich noch an den
„ungewöhnlichen Eifer“, den Oberstaatsanwalt B. bei dem Prozess an den Tag
legte. Kirchner sei als Schuldiger „auf dem Silbertablett“ präsentiert
worden, sagt er. Am Ende brachen die Anklage zusammen, der Prozess wurde
gegen eine Auflage von 200 Arbeitsstunden eingestellt – als einziger
Vorwurf war geblieben, dass Kirchner eine Prostituierte zu einem Bordell
gefahren hatte.
Als V-Mann war Kirchner nach dem Prozess verbrannt, als Informationsquelle
hatte er allerdings noch lange nicht ausgedient. Als die VW-Affäre 2005
publik wurde, bekam er mehrere Anrufe von Olaf Glaeseker, dem Sprecher des
damals regierenden Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). Mehrmals habe
Glaeseker mit ihm telefoniert, sagt Kirchner, er habe ihn darüber
ausgefragt, was er über die VW-Affäre wusste.
Kirchners Anwalt Funk sagt, er habe sich mehrmals mit Glaeseker getroffen,
darunter einmal am 7. Februar 2006 im Büro des niedersächsischen
LKA-Präsidenten. Glaeseker habe zugesagt, dass Kirchner, der nach dem
Prozess untertauchen musste, die Unterstützung der Landesregierung habe.
„Das“, sagt Funk, „hat sich nicht erfüllt.“ Kirchner lebt derzeit auf …
Land und bezieht Hartz IV.
Funk sagt, in dem Gespräch beim LKA-Präsidenten habe er darauf gedrängt,
eine Ermittlungskommission solle untersuchen, warum Kirchners Hinweise auf
die VW-Affäre versackt seien. Auch dazu ist es nie gekommen.
Warum, steht in der Antwort von Innenminister Schünemann: „Nach dem von
Herrn Kirchner erhobenen Vorwurf der Urkundenunterdrückung bzw. der
Strafvereitelung im Zusammenhang mit der VW-Affäre“, heißt es da, „ist ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet und nach umfangreichen Ermittlungen im
Juli 2006 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden.“
Die Staatsanwaltschaft Hannover will sich zum Fall des V-Manns Kirchner
nicht mehr äußern. „Die Ermittlungen“, so die offizielle Auskunft, „sind
für uns abgeschlossen.“
23 Mar 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
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Polizei Hannover: Kampf eines V-Manns
Bernd Kirchner lieferte Informationen über das Hannoversche Rotlichtmilieu
und über die Skandale bei VW. Dann wurde er selbst angeklagt - unter
dubiosen Vorzeichen. Die Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.
Geschasster V-Mann kämpft um Anerkennung: Der Mann, der zu viel wusste
Er wusste vom VW-Skandal, Jahre bevor er aufflog, er war den Hells Angels
in Hannover auf der Spur - dann wurde Bernd Kirchner als V-Mann
kaltgestellt. Seitdem kämpft er um sein Geld. Und um seine Ehre.
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