# taz.de -- Reaktion des Sozialsenators: Keine Kinder für Ex-Junkies | |
> Nach dem Tod der elfjährigen Chantal werden Kriterien verschärft. | |
> Personen mit Drogen-Karriere sollen kein Pflegekind mehr bekommen. GAL | |
> warnt vor Sparkurs | |
Bild: Wohin mit den vernachlässigten Kindern? | |
Der SPD-Senat ist bemüht, schnellstmöglich Konsequenzen aus dem Tod von | |
Chantal zu ziehen. Kaum 24 Stunden, nachdem feststand, dass die Elfjährige | |
bei drogenabhängigen Pflegeeltern lebte, kündigte SPD-Sozialsenator Detlef | |
Scheele am Freitagabend Maßnahmen an. Zentrales Anliegen: Personen mit | |
Drogen-Karriere sollen kein Pflegekind mehr bekommen. | |
Das war bisher offenbar nicht ausgeschlossen. Wie berichtet, hatten die | |
Ersatzeltern von Chantal zwei Pflegekinder. Bereits 2005 beantragten sie | |
für ihr Enkelkind beim damals zuständigen Harburger Jugendamt Pflegegeld. | |
Zwar beteuert das Amt heute, es habe nichts von der Sucht gewusst, doch auf | |
die Frage, ob substituierte Personen Pflegeeltern werden können, antwortete | |
Scheeles Behörde noch am Donnerstag: dies verstoße gegen die Richtlinien, | |
sei aber in "Notsituationen" möglich, wenn Verwandte wie Großeltern ein | |
Kind aufnehmen wollten und dies "bei einer Güterabwägung die fachlich beste | |
Hilfe für das Kind darstellt". | |
Von dieser Linie weicht Scheele jetzt ab. "Alle Pflegefamilien sollen | |
gleich behandelt werden", schreibt er. Auch Familienangehörige und Freunde | |
des Kindes müssten die allgemeinen Regeln erfüllen. In Zweifel sei "gegen | |
die Eignung als Pflegefamilie" zu entscheiden. Personen mit einer | |
Drogenkarriere sollen künftig "keine Chance mehr haben, ein Pflegekind zu | |
bekommen". | |
Der Senator will jetzt gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde klären, welche | |
Maßnahmen nötig sind, um eine Suchtproblematik auszuschließen. "Das wird | |
noch geprüft", sagt seine Sprecherin Nicole Serocka. Ein genereller | |
Drogentest wäre vorstellbar. Darauf habe man bisher verzichtet, weil es | |
"Misstrauen gegenüber all jenen Pflegeeltern ausdrücken würde, die ihren | |
Job sehr gut machen". | |
Zum Fall Chantal wird am Montagnachmittag der Jugendhilfeausschuss Mitte | |
tagen. Der Bezirk Mitte und der freie Träger "Vereinigung | |
sozialtherapeutischen Einrichtungen" (VSE) streiten mittlerweile öffentlich | |
darum, wer die Familie 2008 als geeignete Pflegestelle für ein fremdes Kind | |
anerkannte. In den Medien wird über den Rücktritt von Bezirksamtsleiter | |
Markus Schreiber (SPD) spekuliert. | |
Nach der 16-jährigen Morsal O. und der neunmonatigen Lara Mia starb mit | |
Chantal das dritte Kind, für das Schreibers Jugendamt zuständig war. Noch | |
vor einer Woche hatte der Politiker auf NDR 90,3 erklärt, "dem Kind ging es | |
gut, bis zuletzt. Jetzt ist es tot, das ist tragisch. Aber bis dahin ging | |
es dem Kind gut." Zuletzt waren Jugendamtsmitarbeiter am 4. Januar in der | |
Wohnung, in der mit den zwei leiblichen insgesamt vier Kinder lebten. Laut | |
Abendblatt hatte Chantal nicht mal ein eigenes Bett. | |
Die jugendpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion Christiane Blömeke sieht | |
den ganzen Senat in der Verantwortung und fordert, den Sparkurs in der | |
Familienhilfe zu hinterfragen. Wie die taz berichtete, plant Scheele den | |
Anstieg der Fallzahlen und der Entgelte bei gesetzlichen Hilfsleistungen | |
bis 2015 auf durchschnittlich 0,88 Prozent zu begrenzen, was bei zwei | |
Prozent Inflation einen Abbau bedeutet. "Das wird den Kinderschutz | |
schwächen", sagt Blömeke. | |
Um Geld zu sparen, wolle der Senat mehr Kinder in Pflegefamilien | |
unterbringen, weil diese billiger sind als Wohngruppen oder | |
Lebensgemeinschaften mit fachlich qualifizierten Betreuern, so die | |
GAL-Politikerin. Das gehe aus einem Konzept-Papier "Vollzeitpflege hat | |
Vorrang vor Heimerziehung" hervor. Allerdings fehlten Pflegeeltern. Deshalb | |
würden die Auswahlkriterien "sehr großzügig gehandhabt". | |
29 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Jugendämter | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Pflegeeltern in Niedersachsen gesucht: Nur das Beste für das Kind | |
In Hannover gibt es zu wenig Menschen, die Kinder bei sich aufnehmen | |
wollen. Kein Wunder: Sie müssen bereit sein, ihr Leben radikal zu ändern. |