# taz.de -- Aussteigerinitiativen für Rechtsextreme: Notausgang für Neonazis | |
> Private und staatliche Einrichtungen fördern den Ausstieg aus der rechten | |
> Szene. Laut einem Insider gibt es eine Rückfallquote wie bei | |
> Drogensüchtigen. | |
Bild: Es gibt zahlreiche Initiativen in Deutschland, die den Austieg aus der re… | |
BERLIN taz | Ein Strichmännchen mit Hakenkreuzkopf, das Richtung Notausgang | |
rennt: Das ist das Logo von "Exit", der wohl bekanntesten | |
Neonazi-Aussteigerinitiative Deutschlands. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 | |
hat die Einrichtung nach eigenen Angaben mehr als 320 Rechtsextreme aus der | |
Szene gelöst. | |
"Exit" ist nur eine von inzwischen Dutzenden Einrichtungen, die | |
Rechtsextremen zu einem neuen Leben fernab von Menschenhass verhelfen | |
wollen. Manche von ihnen haben sich spezialisiert, wie etwa das von der | |
früheren Antifa-Aktivistin Judy Korn gegründete Violence Prevention | |
Network, das in Gefängnissen von Siegburg bis Neustrelitz rechtsextreme | |
Straftäter betreut. Während der Haft bekommen sie ein mehrmonatiges | |
Anti-Gewalt-Training, nach der Entlassung ein "Stabilisierungscoaching". | |
Rund 480 inhaftierte Rechtsextreme waren seit 2001 Teil dieses Programms, | |
die Rückfallquote liegt nach eigenen Angaben bei unter 30 Prozent. | |
Neben solchen Einrichtungen von privaten Vereinen haben auch die | |
Sicherheitsbehörden eigene Ausstiegsprogramme gestartet. 2001 hat das | |
Bundesamt für Verfassungsschutz ein Programm samt Hotline begonnen. Bis | |
Herbst 2010 sollen sich dort rund 1.100 ausstiegswillige Neonazis gemeldet | |
haben, wovon 120 ins Programm aufgenommen wurden – in "weniger als zehn | |
Fällen" soll es angeblich "nicht zum gewünschten Erfolg" gekommen sein. In | |
Baden-Württemberg kümmert sich das Landeskriminalamt (LKA) um potenzielle | |
Aussteiger aus der rechten Szene. | |
Seit dem Start des Programms 2001 hat man dort nach eigenen Angaben von | |
3.200 polizeilich bekannten Rechtsextremisten etwa 2.000 angesprochen. Bis | |
Ende 2010 hätten 380 Personen das Programm absolviert und seien bis auf | |
wenige Ausnahmen erfolgreich ausgestiegen – was das LKA daran festmacht, | |
dass sie nicht mehr straffällig wurden. Über einen nachhaltigen | |
Geisteswandel ist damit aber noch nichts gesagt. | |
## Andere gewaltbereite Gruppen | |
Sebastian Jende, der Leiter des Thüringer Beratungsdienstes "Ausstieg aus | |
Rechtsextremismus und Gewalt" glaubt, dass bei Aussteigern aus der rechten | |
Szene eine ähnlich hohe Rückfallquote herrsche wie bei Drogensüchtigen. | |
Sein Projekt ist seit 2009 beim Jenaer Jugendhilfe-Verein "Drudel 11" | |
angesiedelt und hat seitdem 72 junge Leute aus ganz Thüringen betreut. | |
Davon haben 15 die Beratung vorzeitig abgebrochen, doch auch bei anderen | |
hat Jende die Erfahrung gemacht, dass sie nicht dauerhaft aus der Szene | |
raus sind oder sich stattdessen anderen problematischen Gruppen | |
anschließen, wie etwa der gewaltbereiten Rockerszene. | |
"Man muss ihnen klarmachen, dass sie ihr Leben nicht einfach in | |
abgemilderter Form weiterführen können, sondern einen Bruch machen müssen", | |
sagt Jende. Viele merkten das selbst zum ersten Mal, wenn sie wegen | |
Gewalttaten oder anderer rechter Delikte vor Gericht stehen. | |
Schlüsselmomente können aber auch Situationen sein, in denen sie | |
Widersprüche zwischen ihrer Ideologie und ihrem Alltag spüren, sei es beim | |
Döneressen oder wenn sie mit einem Homosexuellen befreundet sind. Genau | |
hier versuchen dann Initiativen wie "Drudel 11" anzusetzen. | |
3 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
Wolf Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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