# taz.de -- Linke Demo für Freiräume: Zombies, leistet Widerstand! | |
> Rund 1.500 Menschen erinnern zumeinst verkleidet an das Hausprojekt | |
> Liebig 14. Sie kündigen Proteste gegen künftige Räumungen an. | |
Bild: In diesem Auftritt umgeht man jedes Vermummungsverbot: Zombie-Demo am Sam… | |
Die Zivilpolizisten haben sich nicht geschminkt - das ist ihr Nachteil an | |
diesem Tag. Sechs von ihnen stehen am Friedrichshainer Bersarinplatz, die | |
Funk-Ohrstöpsel nur halbherzig mit Mützen und Schals bedeckt. Vor sich | |
sehen sie zwei Demonstranten mit kalkweißen Gesichtern und | |
blutunterlaufenen Augen. Als Zombies haben sie sich geschminkt, ihre | |
gänzlich weiße Kleidung mit roten Flecken übersät - entsprechend torkeln | |
sie nun mit erhobenen Armen, aufgerissenen Mündern und verdrehten Aufäpfeln | |
um die Beamten in Zivil herum. Die tun so, als würden sie die Untoten nicht | |
bemerken. | |
"Die Rückkehr der lebenden Toten" hatten ehemalige Bewohner und | |
Sympathisanten des Hausprojektes in der Friedrichshainer Liebigstraße 14 | |
ihren Aufruf zur Demo am Samstag überschrieben - ein Jahr nach der 1,6 | |
Millionen Euro teuren polizeilichen Räumung des Projekts auf Wunsch des | |
Hauseigentümers Suitbert Beulker. Etwa 1.500 TeilnehmerInnen folgten dem | |
Aufruf, die meisten kamen als Zombies zur Demo. Dort begrüßte sie die | |
Polizei mit gründlichen Kontrollen von Taschen und Rucksäcken und nahm auch | |
gleich 17 Untote wegen mutmaßlicher "Verstöße gegen das Waffen-, | |
Versammlungs- und Sprengstoffgesetz" fest. | |
Nach einer Intervention des Veranstalters während des Demozugs hielten | |
Polizei und Demonstranten ansonsten weitestgehend Abstand - er beschwerte | |
sich darüber, dass Polizisten die Spitze des Aufzugs eingerahmt hatten. Die | |
entfernten sich daraufhin und ließen fortan eine Lücke von etwa 30 Metern | |
zwischen sich und den Demonstranten. | |
Die nur etwa einstündige Demo war ein flotter Spaziergang durch | |
Vergangenheit und Gegenwart der Friedrichshainer Hausbesetzer-Szene: vorbei | |
am in den 90er Jahren besetzten RAW-Gelände in der Revaler Straße, wo der | |
Kultur- und Jugendprojekte betreibende Verein RAW Tempel mittlerweile | |
Mietverträge bis 2019 hat. Vorbei am Boxhagener Platz, wo den Bewohnern der | |
"Grüni 73" mit ihrem Stadtteilladen "Zielona Gora" 2004 der Kauf des einst | |
besetzten Hauses gelang. Schließlich durch die Mainzer Straße, wo sich | |
HausbesetzerInnen und Polizei 1990 Straßenschlachten lieferten, in deren | |
Folge politisch Verantwortliche und BesetzerInnen in der Stadt zahlreiche | |
Nutzungsverträge abschlossen, um die Lage zu befrieden. | |
Eben diesen "Post-Mainzer-Häuserfrieden" sieht der Berliner Stadtsoziologe | |
Andrej Holm durch jüngste Räumungen wie die der Liebig 14 "einseitig | |
aufgekündigt". Proteste wie der heutige seien eine Reaktion auf die | |
"umfassende Neujustierung des Berliner Stadtentwicklungsmodells", schreibt | |
Holm in seinem Blog: "Nach 20 imageprägenden Jahren als Spielwiese für | |
Subkultur und unkonventionelle Lebensmodelle reklamieren die Eigentümer, | |
Investoren und beruflich Erfolgreichen die Innenstadt für sich zurück." | |
Insofern hält sich die Zombie-Demo am Samstag auch nicht lang mit | |
Vergangenheitsbewätigung auf: Zahlreiche Transparente, Sprechchöre und | |
Redebeiträge kündigen Widerstand gegen künftige Räumungen an, etwa die des | |
Schokoladens in Mitte. Für den Morgen des 22. Februar hat sich bereits der | |
Gerichtsvollzieher in der Ackerstraße in Mitte angemeldet. "Wir arbeiten | |
noch an unserer Verteidigungsstrategie", ruft ein Vertreter des | |
Kulturprojekts am Samstag ins Mikro. "Kommt jedenfalls alle um acht Uhr zu | |
uns, wir brauchen jede Hilfe." | |
5 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
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