| # taz.de -- Flüchtling soll zahlen: 5.157 Euro für die eigene Abschiebung | |
| > Ali H. wird in den Iran abgeschoben, dort wird er gefoltert. Erst danach | |
| > wird in Deutschland sein Asylantrag anerkannt. Jetzt bittet ihn die Stadt | |
| > Erlangen zur Kasse. | |
| Bild: Ali H. fühlt sich in Deutschland wohl. Nur die Ausländerbehörde macht … | |
| ERLANGEN taz | Stolz zeigt Ali H. seinen blauen Reisepass. Ein solches | |
| Ersatzdokument erhalten all jene Flüchtlinge, denen Deutschland auf Basis | |
| der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz vor Verfolgung in ihrem | |
| Herkunftsland gewährt. Seit 17 Jahren kämpft der 45-jährige Iraner dafür, | |
| hierbleiben zu dürfen. Am 28. Januar 2009 hat das Bundesamt für Migration | |
| und Flüchtlinge (BAMF) ihn offiziell als Asylsuchenden anerkannt. Damit, so | |
| dachte Ali H., sei nun endlich alles geregelt. | |
| Doch vor Kurzem bekam er erneut Post von der Ausländerbehörde: eine | |
| Rechnung über 5.157,50 Euro. Die Stadt Erlangen fordert Ali H. auf, die | |
| Kosten für seine Abschiebung in den Iran zu bezahlen. Für eine Abschiebung | |
| im Jahr 2007, die nun, da sein Asylantrag anerkannt wurde, ungerechtfertigt | |
| erscheint. | |
| "Am liebsten würde ich Erlangen für immer verlassen", sagt Ali H. Sein Taxi | |
| hat er vor dem Bahnhof geparkt, im Wagen spricht er offen. Zwar seien die | |
| Bedingungen in der Stadt ideal: die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die | |
| Menschen sind freundlich. "Aber die Ausländerbehörde?" Ali H. schüttelt den | |
| Kopf. Das Einzige, was ihn noch in Mittelfranken halte, sei seine | |
| Adoptivmutter, wie er sagt. Eine 77-Jährige, die ihn aus Sympathie vor | |
| sieben Jahren adoptiert habe und um die er sich nun kümmere. | |
| Als Student flüchtete Ali H. aus dem Iran. Immer wieder beantragte er Asyl, | |
| zuerst als politisch Verfolgter, später dann – nachdem er zum Christentum | |
| konvertiert war – als Mitglied einer verfolgten religiösen Minderheit. | |
| Erfolg hatte er nicht, obwohl er gut integriert ist und als Taxifahrer sein | |
| eigenes Geld verdient. 2007 beantragt er bei der Ausländerbehörde in | |
| Erlangen eine Reisegenehmigung nach Chemnitz. Dort muss er persönlich | |
| vorsprechen, um einen Asylfolgeantrag zu stellen. Statt ihm die Genehmigung | |
| zu erteilen, beantragt die Behörde Abschiebehaft. "Es waren vier | |
| Polizisten, die nachts an meine Türe schlugen", erinnert sich Ali H. | |
| aufgebracht. "Sie haben mich in Unterhosen mitgenommen." Er wird in den | |
| Iran abgeschoben - und festgenommen, im Gefängnis geschlagen und mit dem | |
| Kopf unter Wasser getaucht. Sechs Monate später kann er fliehen und kommt | |
| zurück nach Deutschland. Nun, da er gefoltert wurde, wird sein Asylantrag | |
| anerkannt. Trotzdem soll er die Rechnung für seine Abschiebung bezahlen. | |
| ## Gnadenlose Beamte | |
| Die Behörde beruft sich auf das Aufenthaltsgesetz des Bundes. "Die Kommunen | |
| sind dazu verpflichtet, Kosten einzutreiben, die dem Staat durch eine | |
| Abschiebung entstanden sind", sagt Peter Gertenbach, Sprecher der Stadt | |
| Erlangen. Nach Angaben des BAMF kann eine Abschiebung bis zu 30.000 Euro | |
| kosten, wenn dafür eigens eine Maschine gechartert wird. Dass es den | |
| Ausländerbehörden der Länder nur selten gelingt, die Kosten einzutreiben, | |
| liegt zum einen daran, dass es nur wenige abgeschobene Flüchtlinge zurück | |
| nach Deutschland schaffen. Zum anderen hätten die meisten Flüchtlinge kein | |
| Geld, so Gertenbach. | |
| Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat kritisiert, dass Ali H. | |
| überhaupt abgeschoben wurde, und macht dafür vor allem einen Mitarbeiter | |
| der Ausländerbehörde verantwortlich. "Es ist ungewöhnlich, dass jemand so | |
| gnadenlos vorgeht", sagt Thal. Geschichten wie diese gebe es in Erlangen | |
| serienmäßig. "Der Mitarbeiter trifft regelmäßig Entscheidungen am rechten | |
| Rand und nutzt seinen Ermessensspielraum, um den Flüchtlingen zu schaden", | |
| so Thal. | |
| Ali H.s Anwalt hat mittlerweile Klage gegen die Rechnung eingereicht. Die | |
| Chancen, dass der Kostenbescheid aufgehoben wird, stehen gut. "Wir sehen | |
| zu, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen", sagt der Sprecher der | |
| Stadt. | |
| 5 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlene Halser | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hilfe für Papierlose: Stotterstart für Anlaufstelle | |
| Neue Clearingstelle soll papierlosen Flüchtlingen im Krankheitsfall helfen. | |
| Medizinische Regelversorgung Abschiebebedrohter ist nicht geplant. | |
| Abgeschobene Familie zurückgeholt: "Ein besonderer Einzelfall" | |
| Sie waren mustergültig integriert, doch CDU-Minister Schünemann ließ sie | |
| trotzdem abschieben. Weil es sogar Protest aus der eigenen Partei gab, | |
| holte er sie nun zurück. | |
| Libyscher Flüchtling zusammengeschlagen: Opferaussage nicht notwendig | |
| Ein Asylsuchender wurde möglicherweise von Neonazis bewusstlos geschlagen. | |
| Doch noch vor dem Gerichtsprozess soll er nun abgeschoben werden. | |
| Zahl der Asylsuchenden gestiegen: Flüchtlingsrekord aus Krisenländern | |
| Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz | |
| vor Verfolgung suchen, stark gestiegen. Viele kommen aus Krisenländern wie | |
| Irak oder Syrien. | |
| Abschiebung: "Es fehlte am guten Willen" | |
| Die Dokumentation "Wadim" porträtiert einen jungen Mann, der in Hamburg | |
| aufwuchs, abgeschoben wurde - und sich vor den Zug warf. Ein Gespräch mit | |
| Wadims Betreuer anlässlich der Premiere. |