# taz.de -- Niedersachens Polizei fahndet per Facebook: Phantombild statt Profi… | |
> Niedersachsens Polizei nutzt künftig Facebook. Allerdings, um die Bürger | |
> zur Mithilfe bei Fahndungen aufzurufen. Das Land wird damit bundesweit | |
> zum Vorreiter. | |
Bild: Heiße Spur? Niedersachsen schickt Facebook-User auf Verbrecher-Jagd. | |
HAMBURG taz | Am Puls der Zeit wären alle Politiker gerne, das gilt sogar | |
für Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Während aber andere | |
Politiker das soziale Netzwerk Facebook für Werbung in eigener Sache | |
nutzen, hat Schünemann beschlossen, mit Hilfe von Facebook-Usern auf | |
Verbrecherjagd zu gehen. | |
Schünemann will, dass Niedersachsens Polizeidirektionen öffentliche | |
Fahndungen künftig über Facebook bekannt machen. Facebook-Nutzer sollen | |
über die Seite der niedersächsischen Polizei herangeführt werden an | |
Fahndungsfotos, Phantombilder und Zeugenaufrufe. Die | |
Öffentlichkeitsfahndung erhält damit Einzug ins Web 2.0. Der | |
Facebook-Auftritt solle "zeitnah" aufgenommen werden, sagt Schünemann - | |
sehr zum Leidwesen der niedersächsischen Datenschützer. | |
Vorangegangen ist der Entscheidung ein Pilotprojekt der Polizeidirektion | |
Hannover, das im März 2011 begann. Bis Ende Dezember erzielte die | |
hannoversche Polizei Dank Facebook-Präsenz acht Erfolge bei der Fahndung | |
nach mutmaßlichen Gewaltverbrechern und Dieben und bei der Vermisstensuche. | |
Ende Januar stoppte Schünemann die Facebook-Fahndungen, nachdem | |
Niedersachsens Landesdatenschutzbeauftragter Joachim Wahlbrink auf die | |
Barrikaden gegangen war. | |
## Einmal Internet, immer Internet | |
Wahlbrinks Behörde hatte mit der Fahndungsmethode im Wesentlichen zwei | |
Probleme: Erstens dürfe die Polizei keine Daten bei Facebook einstellen, da | |
die Facebook-Server in den USA stehen und für die Datenübermittlung einer | |
Behörde in ein Nicht-EU-Land eine gesetzliche Erlaubnis vorliegen müsse. | |
Zweitens seien die Bürger machtlos wenn es darum geht, dass ihre Daten | |
wieder aus dem Netz verschwinden. "Einmal Internet, immer Internet. Das | |
gilt leider noch immer", sagt Wahlbrinks Sprecher Michael Knaps. | |
Das Problem der Datenübermittlung in ein Nicht-EU-Land will Schünemann | |
umgehen, indem er die die Daten auf polizeieigenen Servern speichert. Auf | |
der Facebook-Seite soll nur noch ein Link vorhanden sein, der die User auf | |
die Fahndungsseite der Polizei leitet. Die Hoheit über die Daten in Bezug | |
auf Speicherung und Löschung bleibe damit bei der Polizei, sagt Schünemann. | |
Bei der niedersächsischen Datenschutzbehörde sieht man das Problem damit | |
keineswegs gelöst. Egal, ob amerikanische oder hannoversche Server, "die | |
Daten sind im Umlauf", sagt Knaps. Der Paragraph 131 der | |
Strafprozessordnung, der die Öffentlichkeitsfahndung erlaube, stamme aus | |
dem Jahr 2002 und habe sich auf eine Situation bezogen, in der es noch | |
keine sozialen Netzwerke gab. Erlaubt werden dürfe die | |
Öffentlichkeitsfahndung nach Meinung der Datenschützer nur bei "schweren | |
Delikten". Es bestehe die Gefahr der Stigmatisierung vermeintlicher oder | |
tatsächlicher Krimineller. | |
## Irritierende Tatsachen | |
Ferner halten es die Datenschützer für problematisch, dass die Polizei | |
Bürger auf eine Internetseite lotse, die nachweislich Profile ihrer User | |
erstelle - unabhängig davon, ob der User Mitglied bei Facebook sei oder | |
nicht. Zuletzt ärgert die Datenschutzbehörde, dass Schünemanns Verkündung | |
kam, während hinter den Kulissen noch geprüft und gesprochen wurde. "Wir | |
wollten noch weitere Gespräche führen und werden jetzt vor vollendete | |
Tatsachen gestellt. Das irritiert uns", sagt Knaps. | |
Aus Sicht der Polizeidirektion Hannover ist die Facebook-Fahndung lediglich | |
der Schritt "vom Web 1.0 ins Web 2.0", sagt Pressesprecher Stefan Wittke. | |
Die Inhalte der Aufrufe seien für die Öffentlichkeit bestimmt, sie würden | |
an die Medien weitergegeben und auch im Internet auf der Fahndungsseite der | |
Polizei seit Jahren veröffentlicht. "Das Problem der kursierenden Daten | |
betrifft die Öffentlichkeitsfahndung an sich. Da kommt es nicht auf das | |
Medium an." | |
6 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
Klaus Irler | |
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Soziale Medien | |
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