# taz.de -- Kulturprojekt vor der Räumung: Politik auf Schokoladen-Seite | |
> Der Senat verhandelt kurz vor der Räumung des Schokoladens über ein | |
> Ersatzgrundstück für den Hauseigentümer. Die Betreiber des Kulturprojekts | |
> bereiten sich dennoch auf ihren Auszug vor. | |
Bild: Schokoladen geht es an den Kragen. | |
Eigentlich hatte der Schokoladen am Donnerstag zum Katerfrühstück geladen. | |
"Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", klagt Mitbetreiber Chris Keller vor | |
reichlich anwesenden Journalisten und Politikern - zwei Wochen vor der | |
drohenden Räumung des Kulturprojekts. | |
Das aber, was einer der Gäste zu berichten hat, birgt letzte Hoffnung. "Es | |
gibt wieder Gespräche mit dem Eigentümer", verkündet Baustaatssekretär | |
Ephraim Gothe (SPD). Schon vor einem Jahr war ein Grundstückstausch im | |
Gespräch, um den Schokoladen zu retten - doch statt einer Einigung folgte | |
Funkstille. Nun saß Gothe am Mittwochabend noch einmal mit Eigentümer | |
Markus Friedrich, einem märkischen Fliesenleger, zusammen. Später sagte | |
auch Friedrich der taz: "Wir sind auf einem guten Weg." Es gebe ein | |
"realistisches Angebot" des Senats. Am Nachmittag spricht Finanzsenator | |
Ulrich Nußbaum (parteilos) bereits von einer sich "abzeichnenden | |
Stiftungslösung". Dafür müsse Friedrich nur dem Grundstückstausch | |
zustimmen. | |
Seit 2008 läuft ein Räumungsverfahren gegen den Schokoladen, einem der | |
letzten Relikte der Besetzerjahre in Mitte, der heute neben einer | |
Konzertkneipe ein Theater, den "Club der polnischen Versager" und Ateliers | |
beherbergt. Im Dezember und Januar verlor das Kulturprojekt letzte | |
Räumungsklagen gegen Friedrich. Daraufhin kündigte sich der | |
Gerichtsvollzieher für den 22. Februar an. Davon unberührt bleiben die | |
Wohnungsmieter im Haus, deren Verfahren noch laufen. | |
Bereits vor drei Wochen habe man Friedrich einen Katalog mit etwa 60 | |
Ersatzgrundstücken überreicht, sagt Holger Lippmann, Geschäftsführer des | |
Liegenschaftsfonds, der auch in den Schokoladen gekommen ist. Gothe, damals | |
noch Baustadtrat in Mitte, hatte vor einem Jahr das landeseigene Grundstück | |
Acker- Ecke Invalidenstraße ins Spiel gebracht. Friedrich zeigte sich | |
damals angetan, weil das brache Arreal sofort bebaubar ist. Die | |
Schokoladen-Betreiber boten im Gegenzug über die Schweizer Maryon-Stiftung | |
den Kauf ihres Hauses. Diese Offerte stehe weiter, sagte ein | |
Maryon-Sprecher der taz. | |
Bisher aber scheiterte der Deal: Senat und Friedrich konnten sich auf keine | |
Konditionen für den Verkauf des Ersatzgrundstücks einigen. "Es ist nicht | |
meine Aufgabe, öffentliches Vermögen unter Wert weg zu geben", betont | |
Nußbaum erneut am Donnerstag. Über welches Grundstück nun verhandelt wird, | |
wollen weder Friedrich noch der Senat sagen. | |
Staatssekretär Gothe ruft im Schokoladen dazu auf, "die Ruhe und Nerven zu | |
bewahren". Mitbetreiber Keller schüttelt den Kopf. "Wenn wir jetzt ruhig | |
bleiben, sind wir weg." Lasse sich die Räumung nicht abwenden, werde man | |
"friedlich, phantasievoll und kämpferisch" protestieren. Linken-Landeschef | |
Klaus Lederer pflichtet bei: "Ruhe hat bisher zu gar nichts geführt." | |
Schokoladen-Anwalt Moritz Heusinger bittet, die Räumung zumindest | |
aufzuschieben. Noch liefen ja die Berufungsverfahren der Kulturleute. | |
Eigentümer Friedrich lehnt das ab. "Erst durch den Räumungstermin hat sich | |
der Senat bewegt, davor war monatelang Funkstille." Im Internet wird | |
Friedrich nun Ziel von Bedrohungen. Den "Verantwortlichen" für die Räumung | |
müsse "gehörig die Hölle heiß" gemacht werden, heißt es in einem Text | |
"wütender Autonomer. Das Ende des Schokoladens müsse der Stadt "teuer zu | |
stehen kommen". | |
Im Schokoladen fordert die versammelte Politikerschar derweil einhellig | |
eine "neue Liegenschaftspolitik". "Wir müssen in der Innenstadt | |
gentrifizierungsfreie Inseln erhalten", appelliert Mittes Bürgermeister | |
Christian Hanke (SPD). Linken-Chef Lederer fordert eine "Abkehr von der | |
Maximalverwertungslogik" bei Grundstücksverkäufen des Landes. Und | |
Grünen-Kulturexpertin Alice Ströver betont nochmal, dass der Schokoladen | |
seit Jahren "ohne einen Cent Zuschuss" arbeite. "Berlin ist nicht nur | |
Oper", so Ströver. Berlin sei vor allem auch Schokoladen. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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